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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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auch darin mit Richters eignen Worten eine Charakteristik seines Wesens aus¬
gesprochen, die als das treffendste Motto in Zukunft allen seinen Schöpfungen
an die Spitze gestellt werden sollte. Dies zu zeigen, wird es am besten sein,
wenn wir die ganze Stelle hier einschalten.

"Vielleicht weißt dn, schreibt Richter, daß ich als Lehrer der Zeichnenschule
an der Meißner Porzelanfabrik angestellt bin, einem wahren Sibicrien für jeden
Künstler, der noch Einen Grad Wärme für Kunst im Herzen hat. Ja ich gestehe
dir, ich vermöchte hier nicht zu leben, wenn ich in Rom nicht mit der Kunst
zugleich jene köstliche Perle gefunden hätte, für welche man alles auch noch so
Liebe hingeben, und mit diesem Schatze glüklich leben könnte. Und letzteres ist
denn auch wirklich der Fall, ich habe eine liebe walre Fran, ein kugelrundes,
kerngesundes wildes Töchtergen, und einen Vater im Himmel, dem ich wohl
vertrauen kann, da ich gar wunderliche Beweise seiner Liebe und Fürsorge er¬
fahren habe und noch täglich erfahre; denn ich bin einer von jenen, die recht
um's tägliche Brod zu bitten haben, weil es eben immer nur vou einen Tag
zum Andern reichen will; nun habe ich den lieben Gott die leeren Schränke und
Vorrathskammern überlassen, der mag sie immer füllen, und thuts anch so, daß
wir doch immer vollauf haben. Ich denke eben, der alte Wirthschafter, der das
Ölkrüglein und den Mehlkasten füllte, ist ja noch nicht gestorben, und wahrlich
er giebt noch ganz andere Speise! -- Wenn nun diese helle Sonne in die vier
Wände meiner Stube und meines Herzens so recht erquiklich hereinscheint,
dann mag's draußen immerhin verdrießlich und trübe aussehen, toll und kunter-
bund hergehen, es rührt mich wenig."

Wem treten nicht in diesen Zeilen Richters Darstellungen eines dnrch
frommes Gottvertrauen beseligten Familienlebens vor Angen, wie er sie uns in
seinem "Strauß fürs Haus," im "Beschaulichen und Erbaulichen" und in hundert
andern seiner Holzschnitte zu stiller Erbauung vorgelegt hat!

Zu diesem Briefe aus deu jungen Jahren Richters kommen seit wenigen
Wochen eine Reihe von Briefen aus den Tagen des Alters. Die Mitteilung
derselben verdanken wir einem langjährigen Freunde des Meisters, Herrn Eduard
Cichorius, welcher sie als einen wertvollen Beitrag für die kürzlich erschienene
Liebesspende von Dresdner Schriftstellern und Künstlern beigesteuert hat/") Wir



und was ich Dir zu verdanken habt!, weiß ich am besten, und bekenne es laut oft
genug." Richter erwähnt im Laufe des Briefes, daß er eine Sammlung italienischer Zeichnungen
herausgeben wolle, die jedoch nicht wie "das Reinhardtische Werk" blosie Prospekte darbieten
sollten. Es ist kein Zweifel, daß hier eine der verschiednen Folgen italienischer Radirungen
des Malers Joh. Christian Reinhart zu verstehen ist, nicht aber, wie die Anmerkung besagt,
die Ansichten von Meißen in Reinharts Geschichte der Stadt Meißen, die dem Münchener
Freunde kann: bekannt sein konnten.
Liebesspende für die Kinderheilanstalt zu Dresden in Beiträgen von Dresdner
Schriftstellern und Künstler". Dresden, Dezember 1834. CichorinS veröffentlicht hier auch
eine Reihe von Briefen von Julius Schmorr von Carolsfeld, die ihm dieser als Kommentar

auch darin mit Richters eignen Worten eine Charakteristik seines Wesens aus¬
gesprochen, die als das treffendste Motto in Zukunft allen seinen Schöpfungen
an die Spitze gestellt werden sollte. Dies zu zeigen, wird es am besten sein,
wenn wir die ganze Stelle hier einschalten.

„Vielleicht weißt dn, schreibt Richter, daß ich als Lehrer der Zeichnenschule
an der Meißner Porzelanfabrik angestellt bin, einem wahren Sibicrien für jeden
Künstler, der noch Einen Grad Wärme für Kunst im Herzen hat. Ja ich gestehe
dir, ich vermöchte hier nicht zu leben, wenn ich in Rom nicht mit der Kunst
zugleich jene köstliche Perle gefunden hätte, für welche man alles auch noch so
Liebe hingeben, und mit diesem Schatze glüklich leben könnte. Und letzteres ist
denn auch wirklich der Fall, ich habe eine liebe walre Fran, ein kugelrundes,
kerngesundes wildes Töchtergen, und einen Vater im Himmel, dem ich wohl
vertrauen kann, da ich gar wunderliche Beweise seiner Liebe und Fürsorge er¬
fahren habe und noch täglich erfahre; denn ich bin einer von jenen, die recht
um's tägliche Brod zu bitten haben, weil es eben immer nur vou einen Tag
zum Andern reichen will; nun habe ich den lieben Gott die leeren Schränke und
Vorrathskammern überlassen, der mag sie immer füllen, und thuts anch so, daß
wir doch immer vollauf haben. Ich denke eben, der alte Wirthschafter, der das
Ölkrüglein und den Mehlkasten füllte, ist ja noch nicht gestorben, und wahrlich
er giebt noch ganz andere Speise! — Wenn nun diese helle Sonne in die vier
Wände meiner Stube und meines Herzens so recht erquiklich hereinscheint,
dann mag's draußen immerhin verdrießlich und trübe aussehen, toll und kunter-
bund hergehen, es rührt mich wenig."

Wem treten nicht in diesen Zeilen Richters Darstellungen eines dnrch
frommes Gottvertrauen beseligten Familienlebens vor Angen, wie er sie uns in
seinem „Strauß fürs Haus," im „Beschaulichen und Erbaulichen" und in hundert
andern seiner Holzschnitte zu stiller Erbauung vorgelegt hat!

Zu diesem Briefe aus deu jungen Jahren Richters kommen seit wenigen
Wochen eine Reihe von Briefen aus den Tagen des Alters. Die Mitteilung
derselben verdanken wir einem langjährigen Freunde des Meisters, Herrn Eduard
Cichorius, welcher sie als einen wertvollen Beitrag für die kürzlich erschienene
Liebesspende von Dresdner Schriftstellern und Künstlern beigesteuert hat/") Wir



und was ich Dir zu verdanken habt!, weiß ich am besten, und bekenne es laut oft
genug." Richter erwähnt im Laufe des Briefes, daß er eine Sammlung italienischer Zeichnungen
herausgeben wolle, die jedoch nicht wie „das Reinhardtische Werk" blosie Prospekte darbieten
sollten. Es ist kein Zweifel, daß hier eine der verschiednen Folgen italienischer Radirungen
des Malers Joh. Christian Reinhart zu verstehen ist, nicht aber, wie die Anmerkung besagt,
die Ansichten von Meißen in Reinharts Geschichte der Stadt Meißen, die dem Münchener
Freunde kann: bekannt sein konnten.
Liebesspende für die Kinderheilanstalt zu Dresden in Beiträgen von Dresdner
Schriftstellern und Künstler». Dresden, Dezember 1834. CichorinS veröffentlicht hier auch
eine Reihe von Briefen von Julius Schmorr von Carolsfeld, die ihm dieser als Kommentar
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/200>, abgerufen am 25.08.2024.