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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die vermaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

Weshalb für das Verwaltungsstreitvcrfahren (von den Beschlußsachen ist
hier zunächst nicht die Rede) gerade drei Instanzen notwendig sein sollen, ist
nicht recht einzusehen, zumal da das Reich in den ihm zugewiesenen Angelegen¬
heiten doch auch nur deren zwei fordert. Demgemäß würde es wohl genügen,
wenn an die Stelle der jetzigen erstinstanzlichen Entscheidungen der Kreis- und
Stadtausschüsse oder der Magistrate ein einfacher mvtivirter Bescheid des
Landrates oder des Bürgermeisters (anch in den kleinen Städten) träte, und
wenn dagegen lediglich die Klage an die Negierung und sodann das Rechtsmittel
der Berufung an das Oberverwaltungsgericht gegeben würde, vielleicht auch in
geeigneten Füllen die Revision, wie dies schon jetzt mehrfach der Fall ist. Den
Aufsichtsbefugnissen des Landrates hinsichtlich der Städte, welche Stadtkreise
nicht bilden, könnte man dadurch gerecht werden, daß die betreffenden Bürger¬
meister ihre Bescheide bei dem Landrate einzureichen hätten, und daß auch
diesem dann das Recht der Anfechtung bei der Regierung eingeräumt würde.

Als Gehilfe des Landrates wäre der "Kreissyndikus" jedenfalls der ge¬
eignetste Mann.

Bei den Regierungen wäre eine besondre Abteilung für Verwaltungs¬
streitsachen unter dem Vorsitze eines Oberregierungsrates zu bilden, zu welcher
sämtliche Justitiarien und ebensoviele Kameralisten zu gehören hätten, wobei es
dem Präsidenten unbenommen bliebe, den Vorsitz selbst zu übernehmen. Die
Garantie für die Unabhängigkeit und Objektivität dieser Regierungsabteiluugeu
wäre dann lediglich in der Ehrenhaftigkeit der Mitglieder zu suchen. Zweifel
an diesen Eigenschaften sind ihnen gegenüber ebenso unschicklich wie gegenüber
den Mitgliedern der ordentlichen Gerichte. Beide Arten von Beamten sollten
nach demselben Disziplinargesetze beurteilt werden, um auch in dieser Beziehung
jeden Unterschied zu beseitigen. Mißtrauen gegen die Objektivität der bei den
Regierungen und deren Abteilungen beschäftigten Räte und Assessoren wäre dann
jedenfalls weniger begründet, als das Mißtrauen gegen die Leistungsfähigkeit
der bei den jetzigen Selbstverwaltungsgerichten als Ehrenbeamte fungirenden
Laien, für deren dauernde Bereitwilligkeit zur Fortführung der lästigen Neben¬
beschäftigung nach den gemachten Erfahrungen gar leine Garantien geboten sind.

Will man den Einfluß des Provinzialausschusfes auf die Besetzung der
richterlichen Stellen bei den Regierungen durchaus nicht missen, so kann man
denselben, obwohl er sich thatsächlich längst als ein illusorischer herausgestellt
hat, und obgleich das vor Augen schwebende Ziel des "Rechtswächteramtes"
ein verfehltes ist, in irgendeiner schicklichen Form, dnrch welche das hoheitlichc
Anstellungsrecht am wenigsten geschädigt wird, auch beibehalten.

Die Besorgnis, daß mit der hier vorgeschlagenen abermaligen Umgestaltung
uur die alten Kammcrjustizdeputationen wiederhergestellt werden würden, ist un¬
begründet, denn dieselben hatten, wie jeder Sachkenner weiß, ein ganz andres
Gebiet zu bearbeiten als unsre heutigen Verwaltungsgerichte.


Die vermaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

Weshalb für das Verwaltungsstreitvcrfahren (von den Beschlußsachen ist
hier zunächst nicht die Rede) gerade drei Instanzen notwendig sein sollen, ist
nicht recht einzusehen, zumal da das Reich in den ihm zugewiesenen Angelegen¬
heiten doch auch nur deren zwei fordert. Demgemäß würde es wohl genügen,
wenn an die Stelle der jetzigen erstinstanzlichen Entscheidungen der Kreis- und
Stadtausschüsse oder der Magistrate ein einfacher mvtivirter Bescheid des
Landrates oder des Bürgermeisters (anch in den kleinen Städten) träte, und
wenn dagegen lediglich die Klage an die Negierung und sodann das Rechtsmittel
der Berufung an das Oberverwaltungsgericht gegeben würde, vielleicht auch in
geeigneten Füllen die Revision, wie dies schon jetzt mehrfach der Fall ist. Den
Aufsichtsbefugnissen des Landrates hinsichtlich der Städte, welche Stadtkreise
nicht bilden, könnte man dadurch gerecht werden, daß die betreffenden Bürger¬
meister ihre Bescheide bei dem Landrate einzureichen hätten, und daß auch
diesem dann das Recht der Anfechtung bei der Regierung eingeräumt würde.

Als Gehilfe des Landrates wäre der „Kreissyndikus" jedenfalls der ge¬
eignetste Mann.

Bei den Regierungen wäre eine besondre Abteilung für Verwaltungs¬
streitsachen unter dem Vorsitze eines Oberregierungsrates zu bilden, zu welcher
sämtliche Justitiarien und ebensoviele Kameralisten zu gehören hätten, wobei es
dem Präsidenten unbenommen bliebe, den Vorsitz selbst zu übernehmen. Die
Garantie für die Unabhängigkeit und Objektivität dieser Regierungsabteiluugeu
wäre dann lediglich in der Ehrenhaftigkeit der Mitglieder zu suchen. Zweifel
an diesen Eigenschaften sind ihnen gegenüber ebenso unschicklich wie gegenüber
den Mitgliedern der ordentlichen Gerichte. Beide Arten von Beamten sollten
nach demselben Disziplinargesetze beurteilt werden, um auch in dieser Beziehung
jeden Unterschied zu beseitigen. Mißtrauen gegen die Objektivität der bei den
Regierungen und deren Abteilungen beschäftigten Räte und Assessoren wäre dann
jedenfalls weniger begründet, als das Mißtrauen gegen die Leistungsfähigkeit
der bei den jetzigen Selbstverwaltungsgerichten als Ehrenbeamte fungirenden
Laien, für deren dauernde Bereitwilligkeit zur Fortführung der lästigen Neben¬
beschäftigung nach den gemachten Erfahrungen gar leine Garantien geboten sind.

Will man den Einfluß des Provinzialausschusfes auf die Besetzung der
richterlichen Stellen bei den Regierungen durchaus nicht missen, so kann man
denselben, obwohl er sich thatsächlich längst als ein illusorischer herausgestellt
hat, und obgleich das vor Augen schwebende Ziel des „Rechtswächteramtes"
ein verfehltes ist, in irgendeiner schicklichen Form, dnrch welche das hoheitlichc
Anstellungsrecht am wenigsten geschädigt wird, auch beibehalten.

Die Besorgnis, daß mit der hier vorgeschlagenen abermaligen Umgestaltung
uur die alten Kammcrjustizdeputationen wiederhergestellt werden würden, ist un¬
begründet, denn dieselben hatten, wie jeder Sachkenner weiß, ein ganz andres
Gebiet zu bearbeiten als unsre heutigen Verwaltungsgerichte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/140>, abgerufen am 22.07.2024.