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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

Unterschieden zwischen den verschiednen Gerichten zu beschäftigen hätte, denn die
Folge dieses ersten Schrittes zur wahrhaften Vereinfachung des gerichtliche"
Behördenorganismus, zur Wiederherstellung des natürlichen Zustandes aller
Gerichtsbarkeit im Staate würde die sein, daß auch verschiedne andre Spezial¬
gerichte aufhörten. Hieraus würde sich dann ferner die Notwendigkeit ergeben,
die jetzigen Vcrwaltungsstreitsachen den Landgerichten, beziehungsweise Amts¬
gerichten zu überweisen, sodaß den Bezirksansschüsseu, den Kreis- (Stadt-) Aus¬
schüssen und in den vereinzelten Füllen den Magistraten nnr die landesgesetzlich
auszuscheidenden eigentlichen Beschlußsachen verblieben. Die damit wegfallende
Mitwirkung der Laien bei deu Entscheidungen der Selbstverwaltungsgerichte
wäre leicht zu ersetzen dnrch -ra Kop heranzuziehende oder auch ein- für allemal
zu bestimmende Sachverständige, wie dies ja auch hänfig genug in privatrecht¬
lichen Prozessen erforderlich werde. Vor einer solchen wahrhaften Vereinfachung
müßten alle übrigen bisherige" Experimente die Segel streichen, und der recht¬
suchenden Bevölkerung wäre mit einem Schlage geholfen. Dadurch würden auch
noch ganz andre Schwierigkeiten beseitigt, denn mit dem Bestreben, den Ver¬
waltungsgerichten eine würdige, selbständige Aufgabe zu schaffen, sei man immer
noch auf halbem Wege stehen geblieben, und man werde sich schließlich doch ge¬
nötigt sehen, das Ressort der Verwaltungsgerichte dahin auszudehnen, daß von
ihnen jede privatrechtliche Frage, welche in den bei ihnen einmal anhängig ge¬
wordenen Streitsachen vorkommt, zu entscheiden ist, damit in derselben Sache
das Hin- und Herschicken des Publikums von einem Gerichte zum andern auf¬
höre. Wenn -- so sagt mau weiter -- infolge einer solchen tiefeingreifenden
Veränderung die Zahl der Richterstcllen erheblich vermehrt werden müßte, so
wäre dies kein Schade, denn teils würde diese Vermehrung im Interesse des
besser organisirten Rechtsschutzes geschehen, teils würde dem durch unsre so¬
zialen Verhältnisse wohl erklärlichen Zudrange der Jugend zu dem juristischen
Studium durch Eröffnung besserer Aussichten entsprochen, während vielleicht
viele Unberufene dnrch die erhöhten Anforderungen bei Zeiten von dieser Lauf¬
bahn abgehalten würden, teils endlich würden die doch vielfach nur als eine
Last empfundenen Ehrenämter bei den beiden vvrinstanzlichen Verwaltungs¬
gerichten entbehrlich werden, und vielleicht auch eine Anzahl von Negierungsrüten
und Assessoren, deren Thätigkeit jetzt durch die Vcrwaltuugsgerichtsbarteit in
Anspruch genommen werde u. s. w."

Allein alle diese Gründe fallen doch in nichts zusammen vor den oben
bereits mitgeteilten Erwägungen, welche für die Herstellung einer besondern
Verwaltuugsgcrichtsbarkeit einst maßgebend gewesen sind; auch läßt sich der
zuerst angeführte, dem Interesse der rechtsuchcnden Bevölkerung dienende Grund
ohne Schädigung der besondern Verwaltungsgerichtsbarleit ans eine viel ein¬
fachere Weise erreichen, und darüber mögen hier zum Schlüsse uoch einige Be¬
merkungen gestattet sein.


Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

Unterschieden zwischen den verschiednen Gerichten zu beschäftigen hätte, denn die
Folge dieses ersten Schrittes zur wahrhaften Vereinfachung des gerichtliche»
Behördenorganismus, zur Wiederherstellung des natürlichen Zustandes aller
Gerichtsbarkeit im Staate würde die sein, daß auch verschiedne andre Spezial¬
gerichte aufhörten. Hieraus würde sich dann ferner die Notwendigkeit ergeben,
die jetzigen Vcrwaltungsstreitsachen den Landgerichten, beziehungsweise Amts¬
gerichten zu überweisen, sodaß den Bezirksansschüsseu, den Kreis- (Stadt-) Aus¬
schüssen und in den vereinzelten Füllen den Magistraten nnr die landesgesetzlich
auszuscheidenden eigentlichen Beschlußsachen verblieben. Die damit wegfallende
Mitwirkung der Laien bei deu Entscheidungen der Selbstverwaltungsgerichte
wäre leicht zu ersetzen dnrch -ra Kop heranzuziehende oder auch ein- für allemal
zu bestimmende Sachverständige, wie dies ja auch hänfig genug in privatrecht¬
lichen Prozessen erforderlich werde. Vor einer solchen wahrhaften Vereinfachung
müßten alle übrigen bisherige» Experimente die Segel streichen, und der recht¬
suchenden Bevölkerung wäre mit einem Schlage geholfen. Dadurch würden auch
noch ganz andre Schwierigkeiten beseitigt, denn mit dem Bestreben, den Ver¬
waltungsgerichten eine würdige, selbständige Aufgabe zu schaffen, sei man immer
noch auf halbem Wege stehen geblieben, und man werde sich schließlich doch ge¬
nötigt sehen, das Ressort der Verwaltungsgerichte dahin auszudehnen, daß von
ihnen jede privatrechtliche Frage, welche in den bei ihnen einmal anhängig ge¬
wordenen Streitsachen vorkommt, zu entscheiden ist, damit in derselben Sache
das Hin- und Herschicken des Publikums von einem Gerichte zum andern auf¬
höre. Wenn — so sagt mau weiter — infolge einer solchen tiefeingreifenden
Veränderung die Zahl der Richterstcllen erheblich vermehrt werden müßte, so
wäre dies kein Schade, denn teils würde diese Vermehrung im Interesse des
besser organisirten Rechtsschutzes geschehen, teils würde dem durch unsre so¬
zialen Verhältnisse wohl erklärlichen Zudrange der Jugend zu dem juristischen
Studium durch Eröffnung besserer Aussichten entsprochen, während vielleicht
viele Unberufene dnrch die erhöhten Anforderungen bei Zeiten von dieser Lauf¬
bahn abgehalten würden, teils endlich würden die doch vielfach nur als eine
Last empfundenen Ehrenämter bei den beiden vvrinstanzlichen Verwaltungs¬
gerichten entbehrlich werden, und vielleicht auch eine Anzahl von Negierungsrüten
und Assessoren, deren Thätigkeit jetzt durch die Vcrwaltuugsgerichtsbarteit in
Anspruch genommen werde u. s. w."

Allein alle diese Gründe fallen doch in nichts zusammen vor den oben
bereits mitgeteilten Erwägungen, welche für die Herstellung einer besondern
Verwaltuugsgcrichtsbarkeit einst maßgebend gewesen sind; auch läßt sich der
zuerst angeführte, dem Interesse der rechtsuchcnden Bevölkerung dienende Grund
ohne Schädigung der besondern Verwaltungsgerichtsbarleit ans eine viel ein¬
fachere Weise erreichen, und darüber mögen hier zum Schlüsse uoch einige Be¬
merkungen gestattet sein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/139>, abgerufen am 22.07.2024.