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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

feiten der ordentlichen Gerichtshöfe nach den Grundsätzen des strengen Rechtes
entschieden werde, das Eigentum also größeren Schutz bei den gerichtlichen als
bei demjenigen Verfahren fände, welches die Gesetze in besonders bestimmten
Fällen der Kognition administrativer Behörden überwiesen haben, da auch die
letzteren die zu ihrer Erörterung und Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisse
nicht nach Billigkeit, sondern ganz wie die Gerichtshöfe nach Recht zu ent¬
scheiden verpflichtet sind, und das Gesetz gewisse Gegenstände nnr dann und nnr
deshalb den ordentlichen Gerichten entzieht, wo und weil die Feststellung des
rechtlichen Gesichtspunktes wesentlich von der richtigen Beurteilung solcher Mo¬
mente abhängt, die in ihren Motiven und in allen ihren Details den Verwal¬
tungsbehörden gründlicher und vollständiger bekannt sind als den Gerichten."

Man ersieht hieraus, daß die Verwaltungsgcrichtsbarkeit in Preußen als
solche nicht etwa erst seit einem Jahrzehnt besteht, auch ergiebt sich das Gegen¬
teil aus vielen Beispielen, von denen wenigstens einige hier angeführt werden
mögen.

Zu den Zeiten des Großen Kurfürsten wurden die Leistungen für das
Militär an den Kaiser aufgebracht, nachdem durch den Kreistag eine Verteilung
dieser Lasten auf die Gutsherrschaften und die damals bestehenden Ämter statt¬
gefunden hatte. Hierbei kamen mancherlei Streitigkeiten vor zwischen der Ritter¬
schaft und den Ämtern, welche von dem 1604 eingesetzten Geheimen Rate ent¬
schieden wurden. Der Geheime Rat fungirte in diesen Angelegenheiten als
Verwaltnngsgerichtshof ebenso, wenn auch uicht in denselben Formen, wie noch
hente bestimmte Behörden bei der Entscheidung über Staats- und Kommuual-
steuerreklamationen. Die Reklamativuskommissivucn siud Verwaltungsgerichte
ebenso wie hinsichtlich der Kvmmnnalsteuerreklamationen die Kreis- und Bezirks¬
ausschüsse und das Oberverwaltungsgericht.

Auch in polizeilichen und militärischen Angelegenheiten kann man bei uns
schon im siebzehnten Jahrhundert von einer Verwaltungsjurisdiktivn sprechen,
weil die durch die kollegialisch formirter Aussichtsbehörden von Amtswegen
oder auf Beschwerde geübte Kontrole in ihren Formen dem Verfahren vor den
ordentlichen Gerichten durchaus nachgebildet war, sodaß hier wie dort die besten
Garantien einer korrekten Rechtsprechung gegeben waren. Erst später, als sich
bei den Verwaltungsbehörden das Präfektentum und die büreaukratische Arbeits¬
weise durch einzelne Dezernenten geltend machte, ergab sich das Bedürfnis nach
Schaffung neuer gerichtlicher Formen, und es entstanden die Vorschriften über
die Einsetzung militärischer Neklamationskommissiouen, deren Thätigkeit ebenso
eine verwaltungsgenchtliche ist, wie diejenige der Behörden, welche über die
Beschwerden und Klagen gegen polizeiliche Verfügungen und Zwangsbefugnisse
zu entscheiden haben.

In Postangelegenheiten haben wir eine Verwaltungsgerichtsbarkcit schon
seit König Friedrich dem Ersten, welcher durch ein Edikt vom 9. April 1703


Grenzboicn I. 1385. 16
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.

feiten der ordentlichen Gerichtshöfe nach den Grundsätzen des strengen Rechtes
entschieden werde, das Eigentum also größeren Schutz bei den gerichtlichen als
bei demjenigen Verfahren fände, welches die Gesetze in besonders bestimmten
Fällen der Kognition administrativer Behörden überwiesen haben, da auch die
letzteren die zu ihrer Erörterung und Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisse
nicht nach Billigkeit, sondern ganz wie die Gerichtshöfe nach Recht zu ent¬
scheiden verpflichtet sind, und das Gesetz gewisse Gegenstände nnr dann und nnr
deshalb den ordentlichen Gerichten entzieht, wo und weil die Feststellung des
rechtlichen Gesichtspunktes wesentlich von der richtigen Beurteilung solcher Mo¬
mente abhängt, die in ihren Motiven und in allen ihren Details den Verwal¬
tungsbehörden gründlicher und vollständiger bekannt sind als den Gerichten."

Man ersieht hieraus, daß die Verwaltungsgcrichtsbarkeit in Preußen als
solche nicht etwa erst seit einem Jahrzehnt besteht, auch ergiebt sich das Gegen¬
teil aus vielen Beispielen, von denen wenigstens einige hier angeführt werden
mögen.

Zu den Zeiten des Großen Kurfürsten wurden die Leistungen für das
Militär an den Kaiser aufgebracht, nachdem durch den Kreistag eine Verteilung
dieser Lasten auf die Gutsherrschaften und die damals bestehenden Ämter statt¬
gefunden hatte. Hierbei kamen mancherlei Streitigkeiten vor zwischen der Ritter¬
schaft und den Ämtern, welche von dem 1604 eingesetzten Geheimen Rate ent¬
schieden wurden. Der Geheime Rat fungirte in diesen Angelegenheiten als
Verwaltnngsgerichtshof ebenso, wenn auch uicht in denselben Formen, wie noch
hente bestimmte Behörden bei der Entscheidung über Staats- und Kommuual-
steuerreklamationen. Die Reklamativuskommissivucn siud Verwaltungsgerichte
ebenso wie hinsichtlich der Kvmmnnalsteuerreklamationen die Kreis- und Bezirks¬
ausschüsse und das Oberverwaltungsgericht.

Auch in polizeilichen und militärischen Angelegenheiten kann man bei uns
schon im siebzehnten Jahrhundert von einer Verwaltungsjurisdiktivn sprechen,
weil die durch die kollegialisch formirter Aussichtsbehörden von Amtswegen
oder auf Beschwerde geübte Kontrole in ihren Formen dem Verfahren vor den
ordentlichen Gerichten durchaus nachgebildet war, sodaß hier wie dort die besten
Garantien einer korrekten Rechtsprechung gegeben waren. Erst später, als sich
bei den Verwaltungsbehörden das Präfektentum und die büreaukratische Arbeits¬
weise durch einzelne Dezernenten geltend machte, ergab sich das Bedürfnis nach
Schaffung neuer gerichtlicher Formen, und es entstanden die Vorschriften über
die Einsetzung militärischer Neklamationskommissiouen, deren Thätigkeit ebenso
eine verwaltungsgenchtliche ist, wie diejenige der Behörden, welche über die
Beschwerden und Klagen gegen polizeiliche Verfügungen und Zwangsbefugnisse
zu entscheiden haben.

In Postangelegenheiten haben wir eine Verwaltungsgerichtsbarkcit schon
seit König Friedrich dem Ersten, welcher durch ein Edikt vom 9. April 1703


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[0133] Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen. feiten der ordentlichen Gerichtshöfe nach den Grundsätzen des strengen Rechtes entschieden werde, das Eigentum also größeren Schutz bei den gerichtlichen als bei demjenigen Verfahren fände, welches die Gesetze in besonders bestimmten Fällen der Kognition administrativer Behörden überwiesen haben, da auch die letzteren die zu ihrer Erörterung und Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisse nicht nach Billigkeit, sondern ganz wie die Gerichtshöfe nach Recht zu ent¬ scheiden verpflichtet sind, und das Gesetz gewisse Gegenstände nnr dann und nnr deshalb den ordentlichen Gerichten entzieht, wo und weil die Feststellung des rechtlichen Gesichtspunktes wesentlich von der richtigen Beurteilung solcher Mo¬ mente abhängt, die in ihren Motiven und in allen ihren Details den Verwal¬ tungsbehörden gründlicher und vollständiger bekannt sind als den Gerichten." Man ersieht hieraus, daß die Verwaltungsgcrichtsbarkeit in Preußen als solche nicht etwa erst seit einem Jahrzehnt besteht, auch ergiebt sich das Gegen¬ teil aus vielen Beispielen, von denen wenigstens einige hier angeführt werden mögen. Zu den Zeiten des Großen Kurfürsten wurden die Leistungen für das Militär an den Kaiser aufgebracht, nachdem durch den Kreistag eine Verteilung dieser Lasten auf die Gutsherrschaften und die damals bestehenden Ämter statt¬ gefunden hatte. Hierbei kamen mancherlei Streitigkeiten vor zwischen der Ritter¬ schaft und den Ämtern, welche von dem 1604 eingesetzten Geheimen Rate ent¬ schieden wurden. Der Geheime Rat fungirte in diesen Angelegenheiten als Verwaltnngsgerichtshof ebenso, wenn auch uicht in denselben Formen, wie noch hente bestimmte Behörden bei der Entscheidung über Staats- und Kommuual- steuerreklamationen. Die Reklamativuskommissivucn siud Verwaltungsgerichte ebenso wie hinsichtlich der Kvmmnnalsteuerreklamationen die Kreis- und Bezirks¬ ausschüsse und das Oberverwaltungsgericht. Auch in polizeilichen und militärischen Angelegenheiten kann man bei uns schon im siebzehnten Jahrhundert von einer Verwaltungsjurisdiktivn sprechen, weil die durch die kollegialisch formirter Aussichtsbehörden von Amtswegen oder auf Beschwerde geübte Kontrole in ihren Formen dem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten durchaus nachgebildet war, sodaß hier wie dort die besten Garantien einer korrekten Rechtsprechung gegeben waren. Erst später, als sich bei den Verwaltungsbehörden das Präfektentum und die büreaukratische Arbeits¬ weise durch einzelne Dezernenten geltend machte, ergab sich das Bedürfnis nach Schaffung neuer gerichtlicher Formen, und es entstanden die Vorschriften über die Einsetzung militärischer Neklamationskommissiouen, deren Thätigkeit ebenso eine verwaltungsgenchtliche ist, wie diejenige der Behörden, welche über die Beschwerden und Klagen gegen polizeiliche Verfügungen und Zwangsbefugnisse zu entscheiden haben. In Postangelegenheiten haben wir eine Verwaltungsgerichtsbarkcit schon seit König Friedrich dem Ersten, welcher durch ein Edikt vom 9. April 1703 Grenzboicn I. 1385. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/133>, abgerufen am 22.07.2024.