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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Weges nach den Zentralgegenden Afrikas mitzuwirken. Wir haben direkte Ver¬
pflichtungen gegen die Betschunuen und können sie nicht verlassen. Endlich
aber, was die Hauptfrage, Kapstadt und Simons Bah, betrifft, so sind das
Besitzungen, die wir nicht herausgeben dürfen, weil die alte Wasserstraße nach
Indien . . , noch heute um das berühmte Vorgebirge führt wie einst, als der
erste portugiesische Seefahrer hier seinen Kiel von Süden nach Osten hin steuerte.
Wir haben genug gelitten von Zweifeln an unsrer Entschlossenheit und Macht,
das britische Weltreich aufrecht zu erhalte". Wenn es wahr ist, daß die Süd¬
afrikaner jetzt solche Zweifel hegen, so müssen diese unverzüglich und gründlich
beseitigt werden."

Darstellungen der Sache in diesem Lichte beruhen in allem wesentlichen
auf Heuchelei und Verdrehung oder Verschweigung derjenigen Thatsachen, welche
hier in Betracht kommen. Worauf die britische Politik hinzielen würde, wenn
es ihr gelänge, die Boers in Südafrika unschädlich zu machen, sehen wir an
ihrem Verfahren in Natal, wo die schwarze Bevölkerung weit überwiegt, und wo
die englischen Pflanzer dieselbe zwar nicht als Leibeigne behandeln dürfen, dafür
aber Kukis einführen, die als gezwungne Knechte statt jener Kaffern für sie
arbeiten. Bezwingen die Engländer die "Südafrikanische Republik," so werden
sie die besten Gegenden derselben in Plantagen verwandeln, sie mit englischen
Kolonisten und Kukis besetzen und dann von hier aus die Eroberung von
Zentralafrika mit Einschluß der Becken der großen West- und ostwärts fließenden
Ströme versuchen, um auf diese Weise die bessere Hülste des schwarzen Kontinents
allmählich dem britischen Handel tributpflichtig zu macheu. Das Land der Boers und
der Betschumien wird als Operationsbasis hierzu erstrebt. Die Engländer würden
mit ihrem langsamen Vordringen nach Norden eine Flankenbewegung gegen die Eu¬
ropäer macheu, die bisher sich um Anteil am zentralafrikanischeil Handel bemühten.
Bis dahin wird man vielerlei von deu Missethaten der Boers zu hören be¬
kommen, aber nichts von der Aushungerung der Kaffern durch den Import
chinesischer und malayischer Knechte, die alles von Sklaven haben, nur nicht
den Namen. Irgendein andres Opfer gern zu bringen, ausgenommen das
Interesse andrer Leute, liegt nicht in den Gewohnheiten der britischen Kauf¬
mannspolitik, und ihre Bekämpfung der Sklaverei, ihre Behauptung, es sei
England in Südafrika um philanthropische Zwecke, Verbreitung von Zivilisation
und dergleichen zu thun, ihre schonen Reden von Freiheit und Gleichheit aller Rassen
sind in den letzten Jahren, wenn überhaupt etwas andres, nur Speck gewesen,
mit dem man Mänse fängt. Man sehe, wie sie es mit den Interessen des Volkes
von Britisch-Columbia machten, wo sie ebenfalls fortwährend chinesische Zwangs¬
arbeiter einführen, und zwar gegen die einmütiger Bitten und Einsprüche der
eingebornen Bevölkerung, die dadurch um allen Verdienst gebracht wird. Jene
Politik faßt sich in drei Worte zusammen: Eroberung, Beraubung und Ausschluß
derer, die früher kamen und sich mit schweren Mühen und Opfern eine neue


Weges nach den Zentralgegenden Afrikas mitzuwirken. Wir haben direkte Ver¬
pflichtungen gegen die Betschunuen und können sie nicht verlassen. Endlich
aber, was die Hauptfrage, Kapstadt und Simons Bah, betrifft, so sind das
Besitzungen, die wir nicht herausgeben dürfen, weil die alte Wasserstraße nach
Indien . . , noch heute um das berühmte Vorgebirge führt wie einst, als der
erste portugiesische Seefahrer hier seinen Kiel von Süden nach Osten hin steuerte.
Wir haben genug gelitten von Zweifeln an unsrer Entschlossenheit und Macht,
das britische Weltreich aufrecht zu erhalte». Wenn es wahr ist, daß die Süd¬
afrikaner jetzt solche Zweifel hegen, so müssen diese unverzüglich und gründlich
beseitigt werden."

Darstellungen der Sache in diesem Lichte beruhen in allem wesentlichen
auf Heuchelei und Verdrehung oder Verschweigung derjenigen Thatsachen, welche
hier in Betracht kommen. Worauf die britische Politik hinzielen würde, wenn
es ihr gelänge, die Boers in Südafrika unschädlich zu machen, sehen wir an
ihrem Verfahren in Natal, wo die schwarze Bevölkerung weit überwiegt, und wo
die englischen Pflanzer dieselbe zwar nicht als Leibeigne behandeln dürfen, dafür
aber Kukis einführen, die als gezwungne Knechte statt jener Kaffern für sie
arbeiten. Bezwingen die Engländer die „Südafrikanische Republik," so werden
sie die besten Gegenden derselben in Plantagen verwandeln, sie mit englischen
Kolonisten und Kukis besetzen und dann von hier aus die Eroberung von
Zentralafrika mit Einschluß der Becken der großen West- und ostwärts fließenden
Ströme versuchen, um auf diese Weise die bessere Hülste des schwarzen Kontinents
allmählich dem britischen Handel tributpflichtig zu macheu. Das Land der Boers und
der Betschumien wird als Operationsbasis hierzu erstrebt. Die Engländer würden
mit ihrem langsamen Vordringen nach Norden eine Flankenbewegung gegen die Eu¬
ropäer macheu, die bisher sich um Anteil am zentralafrikanischeil Handel bemühten.
Bis dahin wird man vielerlei von deu Missethaten der Boers zu hören be¬
kommen, aber nichts von der Aushungerung der Kaffern durch den Import
chinesischer und malayischer Knechte, die alles von Sklaven haben, nur nicht
den Namen. Irgendein andres Opfer gern zu bringen, ausgenommen das
Interesse andrer Leute, liegt nicht in den Gewohnheiten der britischen Kauf¬
mannspolitik, und ihre Bekämpfung der Sklaverei, ihre Behauptung, es sei
England in Südafrika um philanthropische Zwecke, Verbreitung von Zivilisation
und dergleichen zu thun, ihre schonen Reden von Freiheit und Gleichheit aller Rassen
sind in den letzten Jahren, wenn überhaupt etwas andres, nur Speck gewesen,
mit dem man Mänse fängt. Man sehe, wie sie es mit den Interessen des Volkes
von Britisch-Columbia machten, wo sie ebenfalls fortwährend chinesische Zwangs¬
arbeiter einführen, und zwar gegen die einmütiger Bitten und Einsprüche der
eingebornen Bevölkerung, die dadurch um allen Verdienst gebracht wird. Jene
Politik faßt sich in drei Worte zusammen: Eroberung, Beraubung und Ausschluß
derer, die früher kamen und sich mit schweren Mühen und Opfern eine neue


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[0129] Weges nach den Zentralgegenden Afrikas mitzuwirken. Wir haben direkte Ver¬ pflichtungen gegen die Betschunuen und können sie nicht verlassen. Endlich aber, was die Hauptfrage, Kapstadt und Simons Bah, betrifft, so sind das Besitzungen, die wir nicht herausgeben dürfen, weil die alte Wasserstraße nach Indien . . , noch heute um das berühmte Vorgebirge führt wie einst, als der erste portugiesische Seefahrer hier seinen Kiel von Süden nach Osten hin steuerte. Wir haben genug gelitten von Zweifeln an unsrer Entschlossenheit und Macht, das britische Weltreich aufrecht zu erhalte». Wenn es wahr ist, daß die Süd¬ afrikaner jetzt solche Zweifel hegen, so müssen diese unverzüglich und gründlich beseitigt werden." Darstellungen der Sache in diesem Lichte beruhen in allem wesentlichen auf Heuchelei und Verdrehung oder Verschweigung derjenigen Thatsachen, welche hier in Betracht kommen. Worauf die britische Politik hinzielen würde, wenn es ihr gelänge, die Boers in Südafrika unschädlich zu machen, sehen wir an ihrem Verfahren in Natal, wo die schwarze Bevölkerung weit überwiegt, und wo die englischen Pflanzer dieselbe zwar nicht als Leibeigne behandeln dürfen, dafür aber Kukis einführen, die als gezwungne Knechte statt jener Kaffern für sie arbeiten. Bezwingen die Engländer die „Südafrikanische Republik," so werden sie die besten Gegenden derselben in Plantagen verwandeln, sie mit englischen Kolonisten und Kukis besetzen und dann von hier aus die Eroberung von Zentralafrika mit Einschluß der Becken der großen West- und ostwärts fließenden Ströme versuchen, um auf diese Weise die bessere Hülste des schwarzen Kontinents allmählich dem britischen Handel tributpflichtig zu macheu. Das Land der Boers und der Betschumien wird als Operationsbasis hierzu erstrebt. Die Engländer würden mit ihrem langsamen Vordringen nach Norden eine Flankenbewegung gegen die Eu¬ ropäer macheu, die bisher sich um Anteil am zentralafrikanischeil Handel bemühten. Bis dahin wird man vielerlei von deu Missethaten der Boers zu hören be¬ kommen, aber nichts von der Aushungerung der Kaffern durch den Import chinesischer und malayischer Knechte, die alles von Sklaven haben, nur nicht den Namen. Irgendein andres Opfer gern zu bringen, ausgenommen das Interesse andrer Leute, liegt nicht in den Gewohnheiten der britischen Kauf¬ mannspolitik, und ihre Bekämpfung der Sklaverei, ihre Behauptung, es sei England in Südafrika um philanthropische Zwecke, Verbreitung von Zivilisation und dergleichen zu thun, ihre schonen Reden von Freiheit und Gleichheit aller Rassen sind in den letzten Jahren, wenn überhaupt etwas andres, nur Speck gewesen, mit dem man Mänse fängt. Man sehe, wie sie es mit den Interessen des Volkes von Britisch-Columbia machten, wo sie ebenfalls fortwährend chinesische Zwangs¬ arbeiter einführen, und zwar gegen die einmütiger Bitten und Einsprüche der eingebornen Bevölkerung, die dadurch um allen Verdienst gebracht wird. Jene Politik faßt sich in drei Worte zusammen: Eroberung, Beraubung und Ausschluß derer, die früher kamen und sich mit schweren Mühen und Opfern eine neue

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/129>, abgerufen am 25.08.2024.