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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Bismnrck und k^err Gladstone.

Wege, aber andrerseits waren England gegenüber gemeinsame Interessen der
beiden festländischen Nachbarn vorhanden, die schwerer wogen als Gefühle, und
ruhig überlegender Verstand gewann in der That, namentlich seit Gambettas
Tode, in den leitenden Kreisen Frankreichs allmählich die Oberhand. Man
begriff, daß ein gutes Verhältnis zu Deutschland, vorzüglich in den Fragen
der neuen französischen Kolonialpolitik, mehr Nutzen versprach als die Freund¬
schaft Englands, die allezeit eigennützig und habsüchtig sein wird. Das gute
Verhältnis Deutschlands zu Fraukreich ist hergestellt worden, und der Welt¬
friede, das unablässige Bemühen des deutschen Kanzlers, hat dadurch eine neue
hochwichtige Bürgschaft erhalten. Frankreich ist dabei nicht übel gefahren.
Gladstone aber hat bereits Ursache gehabt, seine Haltung vor zwei Jahren zu
bereuen. Es würde ihm nicht leicht fallen, wenn er, der damals Anknüpfungen
von sich wies, jetzt selbst solche mit Deutschland allein suchte. Dasselbe steht
eben nicht mehr allein. Die Dinge haben infolge jener Abweisung deS deutschen
Annäherungsversuches eine andre Gestalt angenommen, zunächst in der für
England bedeutungsvollen ägyptischen Angelegenheit. "Wollte die deutsche Re¬
gierung, so äußert sich die "Kölnische Zeitung" in einem offenbar inspirirter
Artikel, jetzt der Anwalt englischer Wünsche sein, so würde sie dadurch auf
Frankreich, Negierung und Volk, den Eindruck der Unstetigkeit und einer un¬
zuverlässigen Unterlage für politische Berechnungen machen." Sie erfreut sich
nicht mehr derselben Freiheit wie vor zwei Jahren, dem englischen Interesse
am Nil mit guten Diensten beizustehen; denn sie würde dann ihre Haltung
Frankreich gegenüber ändern müssen und dadurch dort verstimmen, was zu
ihren Bemühungen im Interesse des Friedens in keiner Weise passen würde.
Nicht der Haß Bismarcks gegen Gladstone oder gar gegen England also ist es, der
die Politik des deutschen Kabinets in den letzten Jahren bestimmt hat, vielmehr
hat Gladstone sich dieselbe infolge seines Übeln Willens und seiner Kurzsichtigkeit
selbst zuzuschreiben. Man wollte mit ihm gehen, fand aber kein Gehör, und
nahm nun im Interesse des Friedens den Arm eines andern.




Bismnrck und k^err Gladstone.

Wege, aber andrerseits waren England gegenüber gemeinsame Interessen der
beiden festländischen Nachbarn vorhanden, die schwerer wogen als Gefühle, und
ruhig überlegender Verstand gewann in der That, namentlich seit Gambettas
Tode, in den leitenden Kreisen Frankreichs allmählich die Oberhand. Man
begriff, daß ein gutes Verhältnis zu Deutschland, vorzüglich in den Fragen
der neuen französischen Kolonialpolitik, mehr Nutzen versprach als die Freund¬
schaft Englands, die allezeit eigennützig und habsüchtig sein wird. Das gute
Verhältnis Deutschlands zu Fraukreich ist hergestellt worden, und der Welt¬
friede, das unablässige Bemühen des deutschen Kanzlers, hat dadurch eine neue
hochwichtige Bürgschaft erhalten. Frankreich ist dabei nicht übel gefahren.
Gladstone aber hat bereits Ursache gehabt, seine Haltung vor zwei Jahren zu
bereuen. Es würde ihm nicht leicht fallen, wenn er, der damals Anknüpfungen
von sich wies, jetzt selbst solche mit Deutschland allein suchte. Dasselbe steht
eben nicht mehr allein. Die Dinge haben infolge jener Abweisung deS deutschen
Annäherungsversuches eine andre Gestalt angenommen, zunächst in der für
England bedeutungsvollen ägyptischen Angelegenheit. „Wollte die deutsche Re¬
gierung, so äußert sich die „Kölnische Zeitung" in einem offenbar inspirirter
Artikel, jetzt der Anwalt englischer Wünsche sein, so würde sie dadurch auf
Frankreich, Negierung und Volk, den Eindruck der Unstetigkeit und einer un¬
zuverlässigen Unterlage für politische Berechnungen machen." Sie erfreut sich
nicht mehr derselben Freiheit wie vor zwei Jahren, dem englischen Interesse
am Nil mit guten Diensten beizustehen; denn sie würde dann ihre Haltung
Frankreich gegenüber ändern müssen und dadurch dort verstimmen, was zu
ihren Bemühungen im Interesse des Friedens in keiner Weise passen würde.
Nicht der Haß Bismarcks gegen Gladstone oder gar gegen England also ist es, der
die Politik des deutschen Kabinets in den letzten Jahren bestimmt hat, vielmehr
hat Gladstone sich dieselbe infolge seines Übeln Willens und seiner Kurzsichtigkeit
selbst zuzuschreiben. Man wollte mit ihm gehen, fand aber kein Gehör, und
nahm nun im Interesse des Friedens den Arm eines andern.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/120>, abgerufen am 22.07.2024.