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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Rlmstdeukmäler,

mäßigen Hügel, unweit der durch ihre Zuckerfabriken berühmten Stadt Erms-
leben, die Konradsburg, ehemals ein Kloster, jetzt das Vorwerk einer Domäne.
Vou der alten Kirche ist vorzugsweise die Krypta bemerkenswert, die aus roma¬
nischer Zeit stammt, in allen kunstgeschichtlichen Büchern rühmend hervorgehoben
wird und vor geraumer Zeit stilgerecht erneuert worden ist. Bei einem Besuche,
den ich ihr vor wenigen Jahren abstattete, fand ich sie in völlig verwahrlostem
Zustande. Die obere Kirche, ein unbedeutender gothischer Ban, war in einen
Getreidespeicher umgewandelt worden, der Eingang zur Krypta war zerfalle",
ein Abstieg nur mit Gefahr möglich, die Fenster zerbrochen, Feuchtigkeit war
in Menge eingedrungen, und die kostbaren Sandsteinskulpturen hatten bereits
arg von der Nässe und dem Schwamm gelitten. Das Ganze bot ein Bild
traurigster Verwüstung. Auf meine Anzeige an zuständiger Stelle erfolgte
natürlich sofortige Abhilfe; aber wäre nicht ein interessirter Besucher zufällig
noch zur rechten Zeit dahin gekommen, so wären wir heute vielleicht um ein
schönes altes Denkmal ärmer. Und ein derartiger Vorgang war in der dicht¬
bevölkerten, hochkultivirten Provinz Sachsen möglich!

Es beweist das aufs deutlichste, wie man vor allem auf die Organisation
der Beaufsichtigung sein Augenmerk richten muß. Herr von Quast, der Sohn
des obenerwähnten Konservators, hat vor einigen Jahren im preußischen Abge-
ordnetenhause, unter allgemeinem Beifall, einen sehr geeigneten Vorschlag gemacht,
und es wäre hocherfreulich, wenn derselbe in Preußen und mit den entsprechenden
Änderungen auch anderswo zur Durchführung gelaugte. Der Vorschlag ging
dahin: Unter dem Generalkonservator, der zugleich die Stelle eines vortragenden
Rates im Ministerium bekleidet, ist für jede Provinz ein besondrer Bau- und
Regierungsrat einzusetzen, der in der Provinzialverwaltung etwa dieselbe Stelle
einnimmt, wie sein Vorgesetzter im Ministerium, und der sich ausschließlich der
Sache zu widmen hat. Da aber auch er nicht zu jeder Zeit überall zugegen
sein kann, so hat er sich mit den historischen Vereinen der Provinz und mit
sonstigen kenntnisreichen Persönlichkeiten in derselben in Verbindung zu setzen,
die als Mitarbeiter ihm zur Seite stehen, deren Aufgabe jedoch als ein Ehrenamt,
höchstens ein besoldetes Nebenamt, jedenfalls ohne autoritative Gewalt, zu
denken ist. Eine derartige Verwaltung ist wirksam und -- kostet nicht viel.
Deutschland wird kaum jemals in der Lage sein, soviel aufzuwenden wie Frank¬
reich, dessen Oonunission as" monuirnWt" nistoriguös jährlich drei Millionen
Franks ausgiebt und dessen glänzende Leistungen auf der letzten internationalen
Kunstausstellung zu München die größte Bewunderung erregten und die wohl¬
verdiente goldne Medaille erhielten. Deutschlands natürlicher Wohlstand ist
an und für sich nicht geringer, aber die vielen Kriege, die innern Streitigkeiten,
die verkehrte, durch den Zwiespalt bewirkte extreme Schutzzollpolitik und später
der extreme Freihandel haben den Wohlstand bei uns bisher nicht in gleichem
Maße sich entwickeln lassen wie bei unsern westlichen Nachbarn. Und für


Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Rlmstdeukmäler,

mäßigen Hügel, unweit der durch ihre Zuckerfabriken berühmten Stadt Erms-
leben, die Konradsburg, ehemals ein Kloster, jetzt das Vorwerk einer Domäne.
Vou der alten Kirche ist vorzugsweise die Krypta bemerkenswert, die aus roma¬
nischer Zeit stammt, in allen kunstgeschichtlichen Büchern rühmend hervorgehoben
wird und vor geraumer Zeit stilgerecht erneuert worden ist. Bei einem Besuche,
den ich ihr vor wenigen Jahren abstattete, fand ich sie in völlig verwahrlostem
Zustande. Die obere Kirche, ein unbedeutender gothischer Ban, war in einen
Getreidespeicher umgewandelt worden, der Eingang zur Krypta war zerfalle»,
ein Abstieg nur mit Gefahr möglich, die Fenster zerbrochen, Feuchtigkeit war
in Menge eingedrungen, und die kostbaren Sandsteinskulpturen hatten bereits
arg von der Nässe und dem Schwamm gelitten. Das Ganze bot ein Bild
traurigster Verwüstung. Auf meine Anzeige an zuständiger Stelle erfolgte
natürlich sofortige Abhilfe; aber wäre nicht ein interessirter Besucher zufällig
noch zur rechten Zeit dahin gekommen, so wären wir heute vielleicht um ein
schönes altes Denkmal ärmer. Und ein derartiger Vorgang war in der dicht¬
bevölkerten, hochkultivirten Provinz Sachsen möglich!

Es beweist das aufs deutlichste, wie man vor allem auf die Organisation
der Beaufsichtigung sein Augenmerk richten muß. Herr von Quast, der Sohn
des obenerwähnten Konservators, hat vor einigen Jahren im preußischen Abge-
ordnetenhause, unter allgemeinem Beifall, einen sehr geeigneten Vorschlag gemacht,
und es wäre hocherfreulich, wenn derselbe in Preußen und mit den entsprechenden
Änderungen auch anderswo zur Durchführung gelaugte. Der Vorschlag ging
dahin: Unter dem Generalkonservator, der zugleich die Stelle eines vortragenden
Rates im Ministerium bekleidet, ist für jede Provinz ein besondrer Bau- und
Regierungsrat einzusetzen, der in der Provinzialverwaltung etwa dieselbe Stelle
einnimmt, wie sein Vorgesetzter im Ministerium, und der sich ausschließlich der
Sache zu widmen hat. Da aber auch er nicht zu jeder Zeit überall zugegen
sein kann, so hat er sich mit den historischen Vereinen der Provinz und mit
sonstigen kenntnisreichen Persönlichkeiten in derselben in Verbindung zu setzen,
die als Mitarbeiter ihm zur Seite stehen, deren Aufgabe jedoch als ein Ehrenamt,
höchstens ein besoldetes Nebenamt, jedenfalls ohne autoritative Gewalt, zu
denken ist. Eine derartige Verwaltung ist wirksam und — kostet nicht viel.
Deutschland wird kaum jemals in der Lage sein, soviel aufzuwenden wie Frank¬
reich, dessen Oonunission as« monuirnWt« nistoriguös jährlich drei Millionen
Franks ausgiebt und dessen glänzende Leistungen auf der letzten internationalen
Kunstausstellung zu München die größte Bewunderung erregten und die wohl¬
verdiente goldne Medaille erhielten. Deutschlands natürlicher Wohlstand ist
an und für sich nicht geringer, aber die vielen Kriege, die innern Streitigkeiten,
die verkehrte, durch den Zwiespalt bewirkte extreme Schutzzollpolitik und später
der extreme Freihandel haben den Wohlstand bei uns bisher nicht in gleichem
Maße sich entwickeln lassen wie bei unsern westlichen Nachbarn. Und für


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[0096] Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Rlmstdeukmäler, mäßigen Hügel, unweit der durch ihre Zuckerfabriken berühmten Stadt Erms- leben, die Konradsburg, ehemals ein Kloster, jetzt das Vorwerk einer Domäne. Vou der alten Kirche ist vorzugsweise die Krypta bemerkenswert, die aus roma¬ nischer Zeit stammt, in allen kunstgeschichtlichen Büchern rühmend hervorgehoben wird und vor geraumer Zeit stilgerecht erneuert worden ist. Bei einem Besuche, den ich ihr vor wenigen Jahren abstattete, fand ich sie in völlig verwahrlostem Zustande. Die obere Kirche, ein unbedeutender gothischer Ban, war in einen Getreidespeicher umgewandelt worden, der Eingang zur Krypta war zerfalle», ein Abstieg nur mit Gefahr möglich, die Fenster zerbrochen, Feuchtigkeit war in Menge eingedrungen, und die kostbaren Sandsteinskulpturen hatten bereits arg von der Nässe und dem Schwamm gelitten. Das Ganze bot ein Bild traurigster Verwüstung. Auf meine Anzeige an zuständiger Stelle erfolgte natürlich sofortige Abhilfe; aber wäre nicht ein interessirter Besucher zufällig noch zur rechten Zeit dahin gekommen, so wären wir heute vielleicht um ein schönes altes Denkmal ärmer. Und ein derartiger Vorgang war in der dicht¬ bevölkerten, hochkultivirten Provinz Sachsen möglich! Es beweist das aufs deutlichste, wie man vor allem auf die Organisation der Beaufsichtigung sein Augenmerk richten muß. Herr von Quast, der Sohn des obenerwähnten Konservators, hat vor einigen Jahren im preußischen Abge- ordnetenhause, unter allgemeinem Beifall, einen sehr geeigneten Vorschlag gemacht, und es wäre hocherfreulich, wenn derselbe in Preußen und mit den entsprechenden Änderungen auch anderswo zur Durchführung gelaugte. Der Vorschlag ging dahin: Unter dem Generalkonservator, der zugleich die Stelle eines vortragenden Rates im Ministerium bekleidet, ist für jede Provinz ein besondrer Bau- und Regierungsrat einzusetzen, der in der Provinzialverwaltung etwa dieselbe Stelle einnimmt, wie sein Vorgesetzter im Ministerium, und der sich ausschließlich der Sache zu widmen hat. Da aber auch er nicht zu jeder Zeit überall zugegen sein kann, so hat er sich mit den historischen Vereinen der Provinz und mit sonstigen kenntnisreichen Persönlichkeiten in derselben in Verbindung zu setzen, die als Mitarbeiter ihm zur Seite stehen, deren Aufgabe jedoch als ein Ehrenamt, höchstens ein besoldetes Nebenamt, jedenfalls ohne autoritative Gewalt, zu denken ist. Eine derartige Verwaltung ist wirksam und — kostet nicht viel. Deutschland wird kaum jemals in der Lage sein, soviel aufzuwenden wie Frank¬ reich, dessen Oonunission as« monuirnWt« nistoriguös jährlich drei Millionen Franks ausgiebt und dessen glänzende Leistungen auf der letzten internationalen Kunstausstellung zu München die größte Bewunderung erregten und die wohl¬ verdiente goldne Medaille erhielten. Deutschlands natürlicher Wohlstand ist an und für sich nicht geringer, aber die vielen Kriege, die innern Streitigkeiten, die verkehrte, durch den Zwiespalt bewirkte extreme Schutzzollpolitik und später der extreme Freihandel haben den Wohlstand bei uns bisher nicht in gleichem Maße sich entwickeln lassen wie bei unsern westlichen Nachbarn. Und für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/96>, abgerufen am 24.08.2024.