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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Erhaltung und Wiederherstellung alterer Bau- und Ruustdenkmäler,

heit begründete Notwendigkeit, die Niederreißung der Nürnberger Stadtmauern
dagegen fast durchweg ein Akt ärgster Barbarei,

Die durchgreifende Restauration einzelner der klassifizirten oder uichtklassi-
fizirten Denkmäler wird sich wiederum nach den vorhandenen Mitteln richten,
nach dem speziellen Interesse, das ein Staat, eine Gemeinde oder eine Privat¬
person gerade daran nimmt. Im Falle der Gefahr wird der Staat einzuschreiten,
widerwillig": Besitzer zu zwingen und im Unvermögensfalle ihnen aus den jähr¬
lich zur Verfügung gestellten Mitteln beizuspringen haben. Vor jeder Restau¬
ration aber sind die Pläne von einer höheren, sachverständigen Behörde zu
prüfen und zu genehmigen, damit in Zukunft so arge Verstöße und so stilwidrige
Arbeiten, wie sie hie und da vorgekommen sind, nach Möglichkeit vermieden
werden. Gut wäre es, wenn von jetzt an an möglichst vielen Orten weniger
ans völligen Ausbau einzelner Denkmäler, als auf Sauberkeit und Ordnung,
ans Fernhaltung allen Gerllmpels, auf Beseitigung der Überpinselung u. dergl.
Gewicht gelegt würde. Dadurch wird der allgemeine Geschmack und die Freude
an guter Arbeit viel eher gehoben werden, und zu völligen Restaurationen ist
es später immer noch Zeit. Mehr als bisher verdienen auch die weltlichen
Bauten Berücksichtigung. Die zahlreichen Renaissaneeschlösser und -Häuser sind
zum Teil in unglaublich schlechtem Zustande, und gerade aus ihren Dekvrations-
mvtiven werden unsre Handwerker viel lernen können. Die schönen Sandstein¬
skulpturen am Torgauer Schloß hat man erst vor einigen Jahren noch mit
dicker Ölfarbe überpinselt!

Von den kunstgewerblichen Gegenständen gehören diejenigen, welche von
einzigem Werte sind, in die Museen zu Berlin, München, Dresden; dafür können
me bisherigen Besitzer außer dem etwaigen Kaufpreis galvanoplastische Nach¬
bildungen erhalten -- ein Verfahren, das z. B. schon bei dem Verkauf des
Lüneburger Ratssilberzeugs angewandt worden ist. Beiläufig bemerkt, würde
eine Änderung unsers Museumswesens nichts schaden, insofern auch hierbei eine
größere Planmäßigkeit und gegenseitige Vereinbarung innerhalb Deutschlands sehr
Vonnöten wäre. Nach französischem Vorbilde sollten alle Erzeugnisse, die einzig
in ihrer Art oder von ganz besondrer Wichtigkeit sind, an die Zentralstelle ab¬
geliefert werden, genaue Nachahmungen davon, sowie alle doppelt vorhandenen
oder weniger wertvollen Sachen hätten den -- zum Teil erst noch zu grün¬
denden -- Provinzialmuseen zu verbleiben.

Die dringendste Frage wird aber nach wie vor die Aufsicht über die im
Lande verstreuten Denkmäler sein, und sie muß zugleich mit der Jnventarisation
je eher je lieber in Angriff genommen werden. Was nützt es, ein Gotteshaus,
ein Schloß in einem abgelegnen Orte mit großen Kosten neu herzustellen und
zu schmücken, wenn demselben fortwährend doch wieder Unverstand und Leicht¬
sinn Schaden bringen können? Folgendes Beispiel aus meiner persönlichen
Erfahrung möge das erläutern. Am Ostabhange des Harzes liegt auf einem


Die Erhaltung und Wiederherstellung alterer Bau- und Ruustdenkmäler,

heit begründete Notwendigkeit, die Niederreißung der Nürnberger Stadtmauern
dagegen fast durchweg ein Akt ärgster Barbarei,

Die durchgreifende Restauration einzelner der klassifizirten oder uichtklassi-
fizirten Denkmäler wird sich wiederum nach den vorhandenen Mitteln richten,
nach dem speziellen Interesse, das ein Staat, eine Gemeinde oder eine Privat¬
person gerade daran nimmt. Im Falle der Gefahr wird der Staat einzuschreiten,
widerwillig«: Besitzer zu zwingen und im Unvermögensfalle ihnen aus den jähr¬
lich zur Verfügung gestellten Mitteln beizuspringen haben. Vor jeder Restau¬
ration aber sind die Pläne von einer höheren, sachverständigen Behörde zu
prüfen und zu genehmigen, damit in Zukunft so arge Verstöße und so stilwidrige
Arbeiten, wie sie hie und da vorgekommen sind, nach Möglichkeit vermieden
werden. Gut wäre es, wenn von jetzt an an möglichst vielen Orten weniger
ans völligen Ausbau einzelner Denkmäler, als auf Sauberkeit und Ordnung,
ans Fernhaltung allen Gerllmpels, auf Beseitigung der Überpinselung u. dergl.
Gewicht gelegt würde. Dadurch wird der allgemeine Geschmack und die Freude
an guter Arbeit viel eher gehoben werden, und zu völligen Restaurationen ist
es später immer noch Zeit. Mehr als bisher verdienen auch die weltlichen
Bauten Berücksichtigung. Die zahlreichen Renaissaneeschlösser und -Häuser sind
zum Teil in unglaublich schlechtem Zustande, und gerade aus ihren Dekvrations-
mvtiven werden unsre Handwerker viel lernen können. Die schönen Sandstein¬
skulpturen am Torgauer Schloß hat man erst vor einigen Jahren noch mit
dicker Ölfarbe überpinselt!

Von den kunstgewerblichen Gegenständen gehören diejenigen, welche von
einzigem Werte sind, in die Museen zu Berlin, München, Dresden; dafür können
me bisherigen Besitzer außer dem etwaigen Kaufpreis galvanoplastische Nach¬
bildungen erhalten — ein Verfahren, das z. B. schon bei dem Verkauf des
Lüneburger Ratssilberzeugs angewandt worden ist. Beiläufig bemerkt, würde
eine Änderung unsers Museumswesens nichts schaden, insofern auch hierbei eine
größere Planmäßigkeit und gegenseitige Vereinbarung innerhalb Deutschlands sehr
Vonnöten wäre. Nach französischem Vorbilde sollten alle Erzeugnisse, die einzig
in ihrer Art oder von ganz besondrer Wichtigkeit sind, an die Zentralstelle ab¬
geliefert werden, genaue Nachahmungen davon, sowie alle doppelt vorhandenen
oder weniger wertvollen Sachen hätten den — zum Teil erst noch zu grün¬
denden — Provinzialmuseen zu verbleiben.

Die dringendste Frage wird aber nach wie vor die Aufsicht über die im
Lande verstreuten Denkmäler sein, und sie muß zugleich mit der Jnventarisation
je eher je lieber in Angriff genommen werden. Was nützt es, ein Gotteshaus,
ein Schloß in einem abgelegnen Orte mit großen Kosten neu herzustellen und
zu schmücken, wenn demselben fortwährend doch wieder Unverstand und Leicht¬
sinn Schaden bringen können? Folgendes Beispiel aus meiner persönlichen
Erfahrung möge das erläutern. Am Ostabhange des Harzes liegt auf einem


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[0095] Die Erhaltung und Wiederherstellung alterer Bau- und Ruustdenkmäler, heit begründete Notwendigkeit, die Niederreißung der Nürnberger Stadtmauern dagegen fast durchweg ein Akt ärgster Barbarei, Die durchgreifende Restauration einzelner der klassifizirten oder uichtklassi- fizirten Denkmäler wird sich wiederum nach den vorhandenen Mitteln richten, nach dem speziellen Interesse, das ein Staat, eine Gemeinde oder eine Privat¬ person gerade daran nimmt. Im Falle der Gefahr wird der Staat einzuschreiten, widerwillig«: Besitzer zu zwingen und im Unvermögensfalle ihnen aus den jähr¬ lich zur Verfügung gestellten Mitteln beizuspringen haben. Vor jeder Restau¬ ration aber sind die Pläne von einer höheren, sachverständigen Behörde zu prüfen und zu genehmigen, damit in Zukunft so arge Verstöße und so stilwidrige Arbeiten, wie sie hie und da vorgekommen sind, nach Möglichkeit vermieden werden. Gut wäre es, wenn von jetzt an an möglichst vielen Orten weniger ans völligen Ausbau einzelner Denkmäler, als auf Sauberkeit und Ordnung, ans Fernhaltung allen Gerllmpels, auf Beseitigung der Überpinselung u. dergl. Gewicht gelegt würde. Dadurch wird der allgemeine Geschmack und die Freude an guter Arbeit viel eher gehoben werden, und zu völligen Restaurationen ist es später immer noch Zeit. Mehr als bisher verdienen auch die weltlichen Bauten Berücksichtigung. Die zahlreichen Renaissaneeschlösser und -Häuser sind zum Teil in unglaublich schlechtem Zustande, und gerade aus ihren Dekvrations- mvtiven werden unsre Handwerker viel lernen können. Die schönen Sandstein¬ skulpturen am Torgauer Schloß hat man erst vor einigen Jahren noch mit dicker Ölfarbe überpinselt! Von den kunstgewerblichen Gegenständen gehören diejenigen, welche von einzigem Werte sind, in die Museen zu Berlin, München, Dresden; dafür können me bisherigen Besitzer außer dem etwaigen Kaufpreis galvanoplastische Nach¬ bildungen erhalten — ein Verfahren, das z. B. schon bei dem Verkauf des Lüneburger Ratssilberzeugs angewandt worden ist. Beiläufig bemerkt, würde eine Änderung unsers Museumswesens nichts schaden, insofern auch hierbei eine größere Planmäßigkeit und gegenseitige Vereinbarung innerhalb Deutschlands sehr Vonnöten wäre. Nach französischem Vorbilde sollten alle Erzeugnisse, die einzig in ihrer Art oder von ganz besondrer Wichtigkeit sind, an die Zentralstelle ab¬ geliefert werden, genaue Nachahmungen davon, sowie alle doppelt vorhandenen oder weniger wertvollen Sachen hätten den — zum Teil erst noch zu grün¬ denden — Provinzialmuseen zu verbleiben. Die dringendste Frage wird aber nach wie vor die Aufsicht über die im Lande verstreuten Denkmäler sein, und sie muß zugleich mit der Jnventarisation je eher je lieber in Angriff genommen werden. Was nützt es, ein Gotteshaus, ein Schloß in einem abgelegnen Orte mit großen Kosten neu herzustellen und zu schmücken, wenn demselben fortwährend doch wieder Unverstand und Leicht¬ sinn Schaden bringen können? Folgendes Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung möge das erläutern. Am Ostabhange des Harzes liegt auf einem

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/95>, abgerufen am 25.08.2024.