Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Runstdenkmäler.

habenden Folianten und dem Oktavband, vor dem es den Vorzug hat, daß
größere Tafeln leicht beigefügt werden können. Wichtiger als diese äußerliche
Frage ist die nach der Zeit, die das Werk umspannen soll. Nach der oben
gegebenen Auseinandersetzung über die kunstgeschichtliche Entwicklung in Deutsch¬
land kann als Zeitpunkt, bis zu welchem Denkmäler aufgenommen werden, rund
gerechnet nur das Jahr 1800 gewählt werden. Denn am Ende des vorigen Jahr¬
hunderts versiechte allmählich die freie, selbstschöpferische, künstlerische Thätigkeit,
es erstarb die bisherige Entwicklung, und es erstand eine Zeit, deren Knnst-
streben sich vorzugsweise auf Reflexion und geschichtlicher Forschung aufbaute.
In dieser Zeit stehen wir noch mitten inne, sie ist im vollen Sinn des Wortes
modern und wird daher nicht in dieses Werk gehören. Die von der Kommission
der Provinz Sachsen getroffene Grenzbestimmung, das Jahr 1700, erklärt sich
wohl- nur aus der ästhetischen Abneigung, die man beim Beginn der Arbeiten
vielfach gegen den Barock- und Rokokostil hegte, schneidet aber mitten in die
künstlerische Entwicklung ein und hat bisher auch schon zweimal überschritten
werden müssen. Auf der andern Seite werden die prähistorischen Funde, die
Landwehren u. s. w., die von. der Provinz Hessen mit aufgenommen sind, im
allgemeinen auszuschließen sein. Die Anschauungen über die sogenannten vor¬
geschichtlichen Altertümer schwanken noch sehr hin und her. Das Material ist
ein sehr umfangreiches und eintöniges; der gegenwärtige Bestand bietet durchaus
keinen sichern Anhaltepunkt, er wird und muß sich noch bedeutend vervollständigen;
die Arbeiten aber, die dazu nötig sind, verursachen übermäßigen Aufwand, denn
die meisten hierher gehörigen Gegenstände liegen im Schoße der Erde verborgen,
ihre Entdeckung kann immer nur eine zufällige fein, eine planmäßige Erforschung
lrißt sich garnicht durchführen. Allerdings sind unter den Funden mitunter
Arbeiten, die kunstgeschichtlich wichtig und von Bedeutung sind. Aber man wird
sie in den Jnventarisationen deshalb missen können, weil sie nicht an Ort und
Stelle bleiben, sondern den Museen einverleibt werden. Alles Prähistorische
wird also, dem Vorbilde der Provinz Sachsen entsprechend, besondern Arbeiten
vorzubehalten sein. Im übrigen aber hat sich die Aufnahme über alles zu er¬
strecken, was nur einigermaßen Streben nach künstlerischer Vollendung zeigt oder
was historisch von greifbarer Bedeutung ist, also über die sämtlichen Erzeug¬
nisse der Kunst und des Kunstgewerbes, ferner über die Stadtbefestigungen,
Warttürme u. dergl. Das Kunstgewerbe läßt sich so wenig ausscheiden, daß es
vielmehr als eine Hauptaufgabe der Jnventarisation bezeichnet werden muß, die
alten Teppiche, Gewänder, Gerätschaften u. f. w. ans Licht zu bringen; gerade
von diesen Sachen wird sich am ehesten unbekanntes finden. Auszuschließen
wiederum dürften diejenigen Gegenstände sein, welche in Museen verwahrt werden;
dafür ist es ein dringendes Bedürfnis, daß alle deutschen Sammlungen dem
Beispiel, welches u. a. die königlichen Museen zu Berlin gegeben haben, nachfolgen
und baldmöglichst genaue wissenschaftliche Verzeichnisse herstellen.


Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Runstdenkmäler.

habenden Folianten und dem Oktavband, vor dem es den Vorzug hat, daß
größere Tafeln leicht beigefügt werden können. Wichtiger als diese äußerliche
Frage ist die nach der Zeit, die das Werk umspannen soll. Nach der oben
gegebenen Auseinandersetzung über die kunstgeschichtliche Entwicklung in Deutsch¬
land kann als Zeitpunkt, bis zu welchem Denkmäler aufgenommen werden, rund
gerechnet nur das Jahr 1800 gewählt werden. Denn am Ende des vorigen Jahr¬
hunderts versiechte allmählich die freie, selbstschöpferische, künstlerische Thätigkeit,
es erstarb die bisherige Entwicklung, und es erstand eine Zeit, deren Knnst-
streben sich vorzugsweise auf Reflexion und geschichtlicher Forschung aufbaute.
In dieser Zeit stehen wir noch mitten inne, sie ist im vollen Sinn des Wortes
modern und wird daher nicht in dieses Werk gehören. Die von der Kommission
der Provinz Sachsen getroffene Grenzbestimmung, das Jahr 1700, erklärt sich
wohl- nur aus der ästhetischen Abneigung, die man beim Beginn der Arbeiten
vielfach gegen den Barock- und Rokokostil hegte, schneidet aber mitten in die
künstlerische Entwicklung ein und hat bisher auch schon zweimal überschritten
werden müssen. Auf der andern Seite werden die prähistorischen Funde, die
Landwehren u. s. w., die von. der Provinz Hessen mit aufgenommen sind, im
allgemeinen auszuschließen sein. Die Anschauungen über die sogenannten vor¬
geschichtlichen Altertümer schwanken noch sehr hin und her. Das Material ist
ein sehr umfangreiches und eintöniges; der gegenwärtige Bestand bietet durchaus
keinen sichern Anhaltepunkt, er wird und muß sich noch bedeutend vervollständigen;
die Arbeiten aber, die dazu nötig sind, verursachen übermäßigen Aufwand, denn
die meisten hierher gehörigen Gegenstände liegen im Schoße der Erde verborgen,
ihre Entdeckung kann immer nur eine zufällige fein, eine planmäßige Erforschung
lrißt sich garnicht durchführen. Allerdings sind unter den Funden mitunter
Arbeiten, die kunstgeschichtlich wichtig und von Bedeutung sind. Aber man wird
sie in den Jnventarisationen deshalb missen können, weil sie nicht an Ort und
Stelle bleiben, sondern den Museen einverleibt werden. Alles Prähistorische
wird also, dem Vorbilde der Provinz Sachsen entsprechend, besondern Arbeiten
vorzubehalten sein. Im übrigen aber hat sich die Aufnahme über alles zu er¬
strecken, was nur einigermaßen Streben nach künstlerischer Vollendung zeigt oder
was historisch von greifbarer Bedeutung ist, also über die sämtlichen Erzeug¬
nisse der Kunst und des Kunstgewerbes, ferner über die Stadtbefestigungen,
Warttürme u. dergl. Das Kunstgewerbe läßt sich so wenig ausscheiden, daß es
vielmehr als eine Hauptaufgabe der Jnventarisation bezeichnet werden muß, die
alten Teppiche, Gewänder, Gerätschaften u. f. w. ans Licht zu bringen; gerade
von diesen Sachen wird sich am ehesten unbekanntes finden. Auszuschließen
wiederum dürften diejenigen Gegenstände sein, welche in Museen verwahrt werden;
dafür ist es ein dringendes Bedürfnis, daß alle deutschen Sammlungen dem
Beispiel, welches u. a. die königlichen Museen zu Berlin gegeben haben, nachfolgen
und baldmöglichst genaue wissenschaftliche Verzeichnisse herstellen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154976"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Runstdenkmäler.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_297" prev="#ID_296"> habenden Folianten und dem Oktavband, vor dem es den Vorzug hat, daß<lb/>
größere Tafeln leicht beigefügt werden können. Wichtiger als diese äußerliche<lb/>
Frage ist die nach der Zeit, die das Werk umspannen soll. Nach der oben<lb/>
gegebenen Auseinandersetzung über die kunstgeschichtliche Entwicklung in Deutsch¬<lb/>
land kann als Zeitpunkt, bis zu welchem Denkmäler aufgenommen werden, rund<lb/>
gerechnet nur das Jahr 1800 gewählt werden. Denn am Ende des vorigen Jahr¬<lb/>
hunderts versiechte allmählich die freie, selbstschöpferische, künstlerische Thätigkeit,<lb/>
es erstarb die bisherige Entwicklung, und es erstand eine Zeit, deren Knnst-<lb/>
streben sich vorzugsweise auf Reflexion und geschichtlicher Forschung aufbaute.<lb/>
In dieser Zeit stehen wir noch mitten inne, sie ist im vollen Sinn des Wortes<lb/>
modern und wird daher nicht in dieses Werk gehören. Die von der Kommission<lb/>
der Provinz Sachsen getroffene Grenzbestimmung, das Jahr 1700, erklärt sich<lb/>
wohl- nur aus der ästhetischen Abneigung, die man beim Beginn der Arbeiten<lb/>
vielfach gegen den Barock- und Rokokostil hegte, schneidet aber mitten in die<lb/>
künstlerische Entwicklung ein und hat bisher auch schon zweimal überschritten<lb/>
werden müssen. Auf der andern Seite werden die prähistorischen Funde, die<lb/>
Landwehren u. s. w., die von. der Provinz Hessen mit aufgenommen sind, im<lb/>
allgemeinen auszuschließen sein. Die Anschauungen über die sogenannten vor¬<lb/>
geschichtlichen Altertümer schwanken noch sehr hin und her. Das Material ist<lb/>
ein sehr umfangreiches und eintöniges; der gegenwärtige Bestand bietet durchaus<lb/>
keinen sichern Anhaltepunkt, er wird und muß sich noch bedeutend vervollständigen;<lb/>
die Arbeiten aber, die dazu nötig sind, verursachen übermäßigen Aufwand, denn<lb/>
die meisten hierher gehörigen Gegenstände liegen im Schoße der Erde verborgen,<lb/>
ihre Entdeckung kann immer nur eine zufällige fein, eine planmäßige Erforschung<lb/>
lrißt sich garnicht durchführen. Allerdings sind unter den Funden mitunter<lb/>
Arbeiten, die kunstgeschichtlich wichtig und von Bedeutung sind. Aber man wird<lb/>
sie in den Jnventarisationen deshalb missen können, weil sie nicht an Ort und<lb/>
Stelle bleiben, sondern den Museen einverleibt werden. Alles Prähistorische<lb/>
wird also, dem Vorbilde der Provinz Sachsen entsprechend, besondern Arbeiten<lb/>
vorzubehalten sein. Im übrigen aber hat sich die Aufnahme über alles zu er¬<lb/>
strecken, was nur einigermaßen Streben nach künstlerischer Vollendung zeigt oder<lb/>
was historisch von greifbarer Bedeutung ist, also über die sämtlichen Erzeug¬<lb/>
nisse der Kunst und des Kunstgewerbes, ferner über die Stadtbefestigungen,<lb/>
Warttürme u. dergl. Das Kunstgewerbe läßt sich so wenig ausscheiden, daß es<lb/>
vielmehr als eine Hauptaufgabe der Jnventarisation bezeichnet werden muß, die<lb/>
alten Teppiche, Gewänder, Gerätschaften u. f. w. ans Licht zu bringen; gerade<lb/>
von diesen Sachen wird sich am ehesten unbekanntes finden. Auszuschließen<lb/>
wiederum dürften diejenigen Gegenstände sein, welche in Museen verwahrt werden;<lb/>
dafür ist es ein dringendes Bedürfnis, daß alle deutschen Sammlungen dem<lb/>
Beispiel, welches u. a. die königlichen Museen zu Berlin gegeben haben, nachfolgen<lb/>
und baldmöglichst genaue wissenschaftliche Verzeichnisse herstellen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] Die Erhaltung und Wiederherstellung älterer Bau- und Runstdenkmäler. habenden Folianten und dem Oktavband, vor dem es den Vorzug hat, daß größere Tafeln leicht beigefügt werden können. Wichtiger als diese äußerliche Frage ist die nach der Zeit, die das Werk umspannen soll. Nach der oben gegebenen Auseinandersetzung über die kunstgeschichtliche Entwicklung in Deutsch¬ land kann als Zeitpunkt, bis zu welchem Denkmäler aufgenommen werden, rund gerechnet nur das Jahr 1800 gewählt werden. Denn am Ende des vorigen Jahr¬ hunderts versiechte allmählich die freie, selbstschöpferische, künstlerische Thätigkeit, es erstarb die bisherige Entwicklung, und es erstand eine Zeit, deren Knnst- streben sich vorzugsweise auf Reflexion und geschichtlicher Forschung aufbaute. In dieser Zeit stehen wir noch mitten inne, sie ist im vollen Sinn des Wortes modern und wird daher nicht in dieses Werk gehören. Die von der Kommission der Provinz Sachsen getroffene Grenzbestimmung, das Jahr 1700, erklärt sich wohl- nur aus der ästhetischen Abneigung, die man beim Beginn der Arbeiten vielfach gegen den Barock- und Rokokostil hegte, schneidet aber mitten in die künstlerische Entwicklung ein und hat bisher auch schon zweimal überschritten werden müssen. Auf der andern Seite werden die prähistorischen Funde, die Landwehren u. s. w., die von. der Provinz Hessen mit aufgenommen sind, im allgemeinen auszuschließen sein. Die Anschauungen über die sogenannten vor¬ geschichtlichen Altertümer schwanken noch sehr hin und her. Das Material ist ein sehr umfangreiches und eintöniges; der gegenwärtige Bestand bietet durchaus keinen sichern Anhaltepunkt, er wird und muß sich noch bedeutend vervollständigen; die Arbeiten aber, die dazu nötig sind, verursachen übermäßigen Aufwand, denn die meisten hierher gehörigen Gegenstände liegen im Schoße der Erde verborgen, ihre Entdeckung kann immer nur eine zufällige fein, eine planmäßige Erforschung lrißt sich garnicht durchführen. Allerdings sind unter den Funden mitunter Arbeiten, die kunstgeschichtlich wichtig und von Bedeutung sind. Aber man wird sie in den Jnventarisationen deshalb missen können, weil sie nicht an Ort und Stelle bleiben, sondern den Museen einverleibt werden. Alles Prähistorische wird also, dem Vorbilde der Provinz Sachsen entsprechend, besondern Arbeiten vorzubehalten sein. Im übrigen aber hat sich die Aufnahme über alles zu er¬ strecken, was nur einigermaßen Streben nach künstlerischer Vollendung zeigt oder was historisch von greifbarer Bedeutung ist, also über die sämtlichen Erzeug¬ nisse der Kunst und des Kunstgewerbes, ferner über die Stadtbefestigungen, Warttürme u. dergl. Das Kunstgewerbe läßt sich so wenig ausscheiden, daß es vielmehr als eine Hauptaufgabe der Jnventarisation bezeichnet werden muß, die alten Teppiche, Gewänder, Gerätschaften u. f. w. ans Licht zu bringen; gerade von diesen Sachen wird sich am ehesten unbekanntes finden. Auszuschließen wiederum dürften diejenigen Gegenstände sein, welche in Museen verwahrt werden; dafür ist es ein dringendes Bedürfnis, daß alle deutschen Sammlungen dem Beispiel, welches u. a. die königlichen Museen zu Berlin gegeben haben, nachfolgen und baldmöglichst genaue wissenschaftliche Verzeichnisse herstellen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/93
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/93>, abgerufen am 25.08.2024.