Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes.

widerspruchslos voraussetzte. Daher schreibt sich die enorme äußerliche Thätig¬
keit des Weimarischen Hoftheaters, die ich oben wenigstens in einigen Zahlen
anzudeuten versucht habe.

Für die spätere Beurteilung der qualitativen Leistungen des Goethischen
Theaters ist es von besondern: Werte, die hauptsächlichsten finanziellen Funda¬
mente kennen zu lernen, auf denen das eminente Werk Goethes ruhte. Auch
da will ich meine statistischen Erhebungen teilweise zur Geltung bringen. Einige
Zahlen sollen uns erkennen lassen, mit wie geringen Mitteln Goethe Großes
erstrebte, Vollendetes erreichte.

Mehrere Jahre hindurch kostete das Weimarische Hoftheater einschließlich der
Erhaltung an den auswärtigen Stellen eine Kleinigkeit mehr als 10 000 Thaler,
und das höchste, was Goethe jährlich in der Blütezeit seines Instituts bedürfte,
überstieg die Summe von 20 000 Thalern nur um ein ganz geringes. Letztere
höchste Summe ist nur im Jahre 1814 nötig gewesen, aber mit dieser Summe
wurden uicht allein alle Bedürfnisse gedeckt, sondern man arbeitete sogar mit
Überschüssen, die im Jahre 1813 bei einem halbjährigen Rechnungsschluß über
4000 Thaler betrugen. Während die Beiträge des Hofes, später auch die der
Kammerkasse, höchst schwankend waren und halbjährlich von 8000 bis auf
1000 Thaler herabstiegen, erbrachte das Theater stets soviel, daß ein Defizit
so gut wie nicht vorhanden war. In der Regel glichen sich Einnahme und
Ausgabe völlig aus. Wenn Weber in seinen Beiträgen zur Geschichte des
Weimarischen Theaters die Behauptung aufstellt, Goethe sei bei Karl August
bezüglich der Bewilligung von Mitteln auf Widerstand gestoßen, so ist das
ein bedeutender Irrtum, der den finanziellen Standpunkt Goethes völlig verrückt.
Er ist nie mit exorbitanten Forderungen an den Weimarer Hof herangetreten;
arbeitete er mit Überschüssen, so reduzirten sich die Beiträge des Hofes von
selbst, und sie wurden planmäßig erhöht, wenn die Erträge des Theaters sich
nicht günstig gestellt hatten.

Für die Beurteilung der Wirksamkeit und des theatralischen Finanzwesens
ist es wesentlich, die Eigentümlichkeit der Orte festzustellen, wo Goethe seine
Hofbühne aufschlug.

Heute kann man von Weimar behaupten, daß in den verschiedensten Schichten
der Bevölkerung der Besuch des Theaters als unabweisbares Bedürfnis sich
herausgestellt hat. Zu verdanken ist dieser Umstand der stetigen Wirksamkeit
des Theaters, seinen hervorragenden Leistungen. Als Goethe mit seiner Thätig¬
keit einsetzte, war das völlig anders. Der Zudrang im Gründungsjahre war
nicht maßgebend. Schon im nächsten Jahre verhielt sich das Publikum kühler:
Weimar allein konnte die Existenz des Theaters nicht ermöglichen. Dagegen
zeigte sich alsbald, daß ein ständiges Publikum sich durch das Abonnement an
den Besuch des Theaters fesseln ließ, ein Umstand, der für die Belebung des
Interesses an der Schöpfung Goethes wie finanziell von Bedeutung war.


Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes.

widerspruchslos voraussetzte. Daher schreibt sich die enorme äußerliche Thätig¬
keit des Weimarischen Hoftheaters, die ich oben wenigstens in einigen Zahlen
anzudeuten versucht habe.

Für die spätere Beurteilung der qualitativen Leistungen des Goethischen
Theaters ist es von besondern: Werte, die hauptsächlichsten finanziellen Funda¬
mente kennen zu lernen, auf denen das eminente Werk Goethes ruhte. Auch
da will ich meine statistischen Erhebungen teilweise zur Geltung bringen. Einige
Zahlen sollen uns erkennen lassen, mit wie geringen Mitteln Goethe Großes
erstrebte, Vollendetes erreichte.

Mehrere Jahre hindurch kostete das Weimarische Hoftheater einschließlich der
Erhaltung an den auswärtigen Stellen eine Kleinigkeit mehr als 10 000 Thaler,
und das höchste, was Goethe jährlich in der Blütezeit seines Instituts bedürfte,
überstieg die Summe von 20 000 Thalern nur um ein ganz geringes. Letztere
höchste Summe ist nur im Jahre 1814 nötig gewesen, aber mit dieser Summe
wurden uicht allein alle Bedürfnisse gedeckt, sondern man arbeitete sogar mit
Überschüssen, die im Jahre 1813 bei einem halbjährigen Rechnungsschluß über
4000 Thaler betrugen. Während die Beiträge des Hofes, später auch die der
Kammerkasse, höchst schwankend waren und halbjährlich von 8000 bis auf
1000 Thaler herabstiegen, erbrachte das Theater stets soviel, daß ein Defizit
so gut wie nicht vorhanden war. In der Regel glichen sich Einnahme und
Ausgabe völlig aus. Wenn Weber in seinen Beiträgen zur Geschichte des
Weimarischen Theaters die Behauptung aufstellt, Goethe sei bei Karl August
bezüglich der Bewilligung von Mitteln auf Widerstand gestoßen, so ist das
ein bedeutender Irrtum, der den finanziellen Standpunkt Goethes völlig verrückt.
Er ist nie mit exorbitanten Forderungen an den Weimarer Hof herangetreten;
arbeitete er mit Überschüssen, so reduzirten sich die Beiträge des Hofes von
selbst, und sie wurden planmäßig erhöht, wenn die Erträge des Theaters sich
nicht günstig gestellt hatten.

Für die Beurteilung der Wirksamkeit und des theatralischen Finanzwesens
ist es wesentlich, die Eigentümlichkeit der Orte festzustellen, wo Goethe seine
Hofbühne aufschlug.

Heute kann man von Weimar behaupten, daß in den verschiedensten Schichten
der Bevölkerung der Besuch des Theaters als unabweisbares Bedürfnis sich
herausgestellt hat. Zu verdanken ist dieser Umstand der stetigen Wirksamkeit
des Theaters, seinen hervorragenden Leistungen. Als Goethe mit seiner Thätig¬
keit einsetzte, war das völlig anders. Der Zudrang im Gründungsjahre war
nicht maßgebend. Schon im nächsten Jahre verhielt sich das Publikum kühler:
Weimar allein konnte die Existenz des Theaters nicht ermöglichen. Dagegen
zeigte sich alsbald, daß ein ständiges Publikum sich durch das Abonnement an
den Besuch des Theaters fesseln ließ, ein Umstand, der für die Belebung des
Interesses an der Schöpfung Goethes wie finanziell von Bedeutung war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154964"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_255" prev="#ID_254"> widerspruchslos voraussetzte. Daher schreibt sich die enorme äußerliche Thätig¬<lb/>
keit des Weimarischen Hoftheaters, die ich oben wenigstens in einigen Zahlen<lb/>
anzudeuten versucht habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_256"> Für die spätere Beurteilung der qualitativen Leistungen des Goethischen<lb/>
Theaters ist es von besondern: Werte, die hauptsächlichsten finanziellen Funda¬<lb/>
mente kennen zu lernen, auf denen das eminente Werk Goethes ruhte. Auch<lb/>
da will ich meine statistischen Erhebungen teilweise zur Geltung bringen. Einige<lb/>
Zahlen sollen uns erkennen lassen, mit wie geringen Mitteln Goethe Großes<lb/>
erstrebte, Vollendetes erreichte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_257"> Mehrere Jahre hindurch kostete das Weimarische Hoftheater einschließlich der<lb/>
Erhaltung an den auswärtigen Stellen eine Kleinigkeit mehr als 10 000 Thaler,<lb/>
und das höchste, was Goethe jährlich in der Blütezeit seines Instituts bedürfte,<lb/>
überstieg die Summe von 20 000 Thalern nur um ein ganz geringes. Letztere<lb/>
höchste Summe ist nur im Jahre 1814 nötig gewesen, aber mit dieser Summe<lb/>
wurden uicht allein alle Bedürfnisse gedeckt, sondern man arbeitete sogar mit<lb/>
Überschüssen, die im Jahre 1813 bei einem halbjährigen Rechnungsschluß über<lb/>
4000 Thaler betrugen. Während die Beiträge des Hofes, später auch die der<lb/>
Kammerkasse, höchst schwankend waren und halbjährlich von 8000 bis auf<lb/>
1000 Thaler herabstiegen, erbrachte das Theater stets soviel, daß ein Defizit<lb/>
so gut wie nicht vorhanden war. In der Regel glichen sich Einnahme und<lb/>
Ausgabe völlig aus. Wenn Weber in seinen Beiträgen zur Geschichte des<lb/>
Weimarischen Theaters die Behauptung aufstellt, Goethe sei bei Karl August<lb/>
bezüglich der Bewilligung von Mitteln auf Widerstand gestoßen, so ist das<lb/>
ein bedeutender Irrtum, der den finanziellen Standpunkt Goethes völlig verrückt.<lb/>
Er ist nie mit exorbitanten Forderungen an den Weimarer Hof herangetreten;<lb/>
arbeitete er mit Überschüssen, so reduzirten sich die Beiträge des Hofes von<lb/>
selbst, und sie wurden planmäßig erhöht, wenn die Erträge des Theaters sich<lb/>
nicht günstig gestellt hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_258"> Für die Beurteilung der Wirksamkeit und des theatralischen Finanzwesens<lb/>
ist es wesentlich, die Eigentümlichkeit der Orte festzustellen, wo Goethe seine<lb/>
Hofbühne aufschlug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Heute kann man von Weimar behaupten, daß in den verschiedensten Schichten<lb/>
der Bevölkerung der Besuch des Theaters als unabweisbares Bedürfnis sich<lb/>
herausgestellt hat. Zu verdanken ist dieser Umstand der stetigen Wirksamkeit<lb/>
des Theaters, seinen hervorragenden Leistungen. Als Goethe mit seiner Thätig¬<lb/>
keit einsetzte, war das völlig anders. Der Zudrang im Gründungsjahre war<lb/>
nicht maßgebend. Schon im nächsten Jahre verhielt sich das Publikum kühler:<lb/>
Weimar allein konnte die Existenz des Theaters nicht ermöglichen. Dagegen<lb/>
zeigte sich alsbald, daß ein ständiges Publikum sich durch das Abonnement an<lb/>
den Besuch des Theaters fesseln ließ, ein Umstand, der für die Belebung des<lb/>
Interesses an der Schöpfung Goethes wie finanziell von Bedeutung war.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Zur Geschichte der Theaterleitung Goethes. widerspruchslos voraussetzte. Daher schreibt sich die enorme äußerliche Thätig¬ keit des Weimarischen Hoftheaters, die ich oben wenigstens in einigen Zahlen anzudeuten versucht habe. Für die spätere Beurteilung der qualitativen Leistungen des Goethischen Theaters ist es von besondern: Werte, die hauptsächlichsten finanziellen Funda¬ mente kennen zu lernen, auf denen das eminente Werk Goethes ruhte. Auch da will ich meine statistischen Erhebungen teilweise zur Geltung bringen. Einige Zahlen sollen uns erkennen lassen, mit wie geringen Mitteln Goethe Großes erstrebte, Vollendetes erreichte. Mehrere Jahre hindurch kostete das Weimarische Hoftheater einschließlich der Erhaltung an den auswärtigen Stellen eine Kleinigkeit mehr als 10 000 Thaler, und das höchste, was Goethe jährlich in der Blütezeit seines Instituts bedürfte, überstieg die Summe von 20 000 Thalern nur um ein ganz geringes. Letztere höchste Summe ist nur im Jahre 1814 nötig gewesen, aber mit dieser Summe wurden uicht allein alle Bedürfnisse gedeckt, sondern man arbeitete sogar mit Überschüssen, die im Jahre 1813 bei einem halbjährigen Rechnungsschluß über 4000 Thaler betrugen. Während die Beiträge des Hofes, später auch die der Kammerkasse, höchst schwankend waren und halbjährlich von 8000 bis auf 1000 Thaler herabstiegen, erbrachte das Theater stets soviel, daß ein Defizit so gut wie nicht vorhanden war. In der Regel glichen sich Einnahme und Ausgabe völlig aus. Wenn Weber in seinen Beiträgen zur Geschichte des Weimarischen Theaters die Behauptung aufstellt, Goethe sei bei Karl August bezüglich der Bewilligung von Mitteln auf Widerstand gestoßen, so ist das ein bedeutender Irrtum, der den finanziellen Standpunkt Goethes völlig verrückt. Er ist nie mit exorbitanten Forderungen an den Weimarer Hof herangetreten; arbeitete er mit Überschüssen, so reduzirten sich die Beiträge des Hofes von selbst, und sie wurden planmäßig erhöht, wenn die Erträge des Theaters sich nicht günstig gestellt hatten. Für die Beurteilung der Wirksamkeit und des theatralischen Finanzwesens ist es wesentlich, die Eigentümlichkeit der Orte festzustellen, wo Goethe seine Hofbühne aufschlug. Heute kann man von Weimar behaupten, daß in den verschiedensten Schichten der Bevölkerung der Besuch des Theaters als unabweisbares Bedürfnis sich herausgestellt hat. Zu verdanken ist dieser Umstand der stetigen Wirksamkeit des Theaters, seinen hervorragenden Leistungen. Als Goethe mit seiner Thätig¬ keit einsetzte, war das völlig anders. Der Zudrang im Gründungsjahre war nicht maßgebend. Schon im nächsten Jahre verhielt sich das Publikum kühler: Weimar allein konnte die Existenz des Theaters nicht ermöglichen. Dagegen zeigte sich alsbald, daß ein ständiges Publikum sich durch das Abonnement an den Besuch des Theaters fesseln ließ, ein Umstand, der für die Belebung des Interesses an der Schöpfung Goethes wie finanziell von Bedeutung war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/81>, abgerufen am 28.09.2024.