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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Der erste wissenschaftlich": Sozialist.

malen Grund und Boden und das Nationalprodnkt bis dahin, wo letzteres sich
als Einkommen verteilt, als Gesamteigentum dem Staat überläßt, begründet
es doch ein so echtes Eigentum, als jemals eins prinzipiell sanktionirt worden
ist. "Denn es knüpft die Portion materieller Güter, die es für jedes Indivi¬
duum einschließt, an den heiligsten Rechtsanspruch, den es giebt, an die Arbeit,
und zwar an genau dieselbe Quantität Mühe und Arbeit, mit der sich das Indivi¬
duum an der gemeinschaftlichen Herstellung des Nationaleinkommens beteiligthat."

Auf die Frage, wie die nationale Arbeit zu leiten und deren Erzeugnis
zu verteilen sein würde, antwortet Rodbertus: "Es würde an der Spitze jeder
Produktionswirtschnft statt des heutigen Privatunternehmers ein Beamter der
menschlichen Gesellschaft stehen und mit dem in der Unternehmung befindlichen
Teile des Gesellschaftskapitals nach einem vom Staate vorher entworfenen all¬
gemeinen Bedürfnisetat produziren, anstatt daß dies wie heute der Privat¬
unternehmer nach der von ihm gemachten Erforschung des gesellschaftlichen
Bedürfnisses mit seinem Kapitale thut. Es bedürfte dann nur einer Anordnung
der volkswirtschaftlichen Behörde, um das in der Produktion begriffene und
immer noch im Besitze der Gesellschaft befindliche Gut von einem Abschnitte und
Orte der Produktion zum andern und zuletzt an den Wohnort des Konsumenten
schaffen zu lassen. Jene Behörde hätte auch dafür zu sorgen, daß in einem
Teile des Nationalprodukts stets der Ersatz des bei der Produktion verbrauchten
Kapitals geschaffen, in dem übrigen erst das Nationaleinkommen, d. h. das un¬
mittelbar zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse notwendige Produkt,
hergestellt würde. Die Produktion jedes Gutes zerfiele in mehrere Teile, in
verschiedene GeWerke oder Produktionswirtschaften, die sich, weil das Produkt
bis zu seiner Vollendung durch alle hindurchgehen muß, als ebensoviele Pro-
duktionsstufen darstellen, auf welchen allen zugleich gearbeitet wird. Hiernach
ist auch das Nationalkapital verteilt. In jeder Produktionswirtschaft finden
sich sowohl die Werkzeuge, mit denen, als das Material, aus dem produzirt
wird. Der letztere Teil des Nationalkapitals nimmt aber die Gestalt an, daß,
je näher die Produktionsstufe der Vollendung des Gutes steht, desto vorge¬
schrittener das Material ist, weil es durch desto mehr Stufen hindurchgegangen
ist, sodaß auf der letzten nur noch die Arbeit an ihm nötig wird, die es zum
vollendeten Gute macht, während auf der ersten das roheste Material erst der
Erde abzugewinnen ist. Zugleich indessen existirt, da diese Reihe von Produk¬
tionsstufen nur Einkommensgüter schafft, eine Nebenreihe von Gewerken, die
stets die unter der Arbeit abgenutzten Werkzeuge zu ersetzen hat. Die Ver¬
teilung des Nationaleinkommens vollzieht sich in der Weise, daß der Wert jedes
Produkts nach der darauf verwendeten Arbeitszeit bestimmt wird. Jeder Teil¬
nehmer an der nationalen Produktion erhält in einer Bescheinigung über die
von ihm geleistete Arbeitszeit die Anweisung auf einen gleichen Wert beliebiger
Einkommensgüter, die ihm gegen Abgabe jener Anweisung aus deu Staats-


"Arenzlwtm I. 1884. S
Der erste wissenschaftlich«: Sozialist.

malen Grund und Boden und das Nationalprodnkt bis dahin, wo letzteres sich
als Einkommen verteilt, als Gesamteigentum dem Staat überläßt, begründet
es doch ein so echtes Eigentum, als jemals eins prinzipiell sanktionirt worden
ist. „Denn es knüpft die Portion materieller Güter, die es für jedes Indivi¬
duum einschließt, an den heiligsten Rechtsanspruch, den es giebt, an die Arbeit,
und zwar an genau dieselbe Quantität Mühe und Arbeit, mit der sich das Indivi¬
duum an der gemeinschaftlichen Herstellung des Nationaleinkommens beteiligthat."

Auf die Frage, wie die nationale Arbeit zu leiten und deren Erzeugnis
zu verteilen sein würde, antwortet Rodbertus: „Es würde an der Spitze jeder
Produktionswirtschnft statt des heutigen Privatunternehmers ein Beamter der
menschlichen Gesellschaft stehen und mit dem in der Unternehmung befindlichen
Teile des Gesellschaftskapitals nach einem vom Staate vorher entworfenen all¬
gemeinen Bedürfnisetat produziren, anstatt daß dies wie heute der Privat¬
unternehmer nach der von ihm gemachten Erforschung des gesellschaftlichen
Bedürfnisses mit seinem Kapitale thut. Es bedürfte dann nur einer Anordnung
der volkswirtschaftlichen Behörde, um das in der Produktion begriffene und
immer noch im Besitze der Gesellschaft befindliche Gut von einem Abschnitte und
Orte der Produktion zum andern und zuletzt an den Wohnort des Konsumenten
schaffen zu lassen. Jene Behörde hätte auch dafür zu sorgen, daß in einem
Teile des Nationalprodukts stets der Ersatz des bei der Produktion verbrauchten
Kapitals geschaffen, in dem übrigen erst das Nationaleinkommen, d. h. das un¬
mittelbar zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse notwendige Produkt,
hergestellt würde. Die Produktion jedes Gutes zerfiele in mehrere Teile, in
verschiedene GeWerke oder Produktionswirtschaften, die sich, weil das Produkt
bis zu seiner Vollendung durch alle hindurchgehen muß, als ebensoviele Pro-
duktionsstufen darstellen, auf welchen allen zugleich gearbeitet wird. Hiernach
ist auch das Nationalkapital verteilt. In jeder Produktionswirtschaft finden
sich sowohl die Werkzeuge, mit denen, als das Material, aus dem produzirt
wird. Der letztere Teil des Nationalkapitals nimmt aber die Gestalt an, daß,
je näher die Produktionsstufe der Vollendung des Gutes steht, desto vorge¬
schrittener das Material ist, weil es durch desto mehr Stufen hindurchgegangen
ist, sodaß auf der letzten nur noch die Arbeit an ihm nötig wird, die es zum
vollendeten Gute macht, während auf der ersten das roheste Material erst der
Erde abzugewinnen ist. Zugleich indessen existirt, da diese Reihe von Produk¬
tionsstufen nur Einkommensgüter schafft, eine Nebenreihe von Gewerken, die
stets die unter der Arbeit abgenutzten Werkzeuge zu ersetzen hat. Die Ver¬
teilung des Nationaleinkommens vollzieht sich in der Weise, daß der Wert jedes
Produkts nach der darauf verwendeten Arbeitszeit bestimmt wird. Jeder Teil¬
nehmer an der nationalen Produktion erhält in einer Bescheinigung über die
von ihm geleistete Arbeitszeit die Anweisung auf einen gleichen Wert beliebiger
Einkommensgüter, die ihm gegen Abgabe jener Anweisung aus deu Staats-


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[0075] Der erste wissenschaftlich«: Sozialist. malen Grund und Boden und das Nationalprodnkt bis dahin, wo letzteres sich als Einkommen verteilt, als Gesamteigentum dem Staat überläßt, begründet es doch ein so echtes Eigentum, als jemals eins prinzipiell sanktionirt worden ist. „Denn es knüpft die Portion materieller Güter, die es für jedes Indivi¬ duum einschließt, an den heiligsten Rechtsanspruch, den es giebt, an die Arbeit, und zwar an genau dieselbe Quantität Mühe und Arbeit, mit der sich das Indivi¬ duum an der gemeinschaftlichen Herstellung des Nationaleinkommens beteiligthat." Auf die Frage, wie die nationale Arbeit zu leiten und deren Erzeugnis zu verteilen sein würde, antwortet Rodbertus: „Es würde an der Spitze jeder Produktionswirtschnft statt des heutigen Privatunternehmers ein Beamter der menschlichen Gesellschaft stehen und mit dem in der Unternehmung befindlichen Teile des Gesellschaftskapitals nach einem vom Staate vorher entworfenen all¬ gemeinen Bedürfnisetat produziren, anstatt daß dies wie heute der Privat¬ unternehmer nach der von ihm gemachten Erforschung des gesellschaftlichen Bedürfnisses mit seinem Kapitale thut. Es bedürfte dann nur einer Anordnung der volkswirtschaftlichen Behörde, um das in der Produktion begriffene und immer noch im Besitze der Gesellschaft befindliche Gut von einem Abschnitte und Orte der Produktion zum andern und zuletzt an den Wohnort des Konsumenten schaffen zu lassen. Jene Behörde hätte auch dafür zu sorgen, daß in einem Teile des Nationalprodukts stets der Ersatz des bei der Produktion verbrauchten Kapitals geschaffen, in dem übrigen erst das Nationaleinkommen, d. h. das un¬ mittelbar zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse notwendige Produkt, hergestellt würde. Die Produktion jedes Gutes zerfiele in mehrere Teile, in verschiedene GeWerke oder Produktionswirtschaften, die sich, weil das Produkt bis zu seiner Vollendung durch alle hindurchgehen muß, als ebensoviele Pro- duktionsstufen darstellen, auf welchen allen zugleich gearbeitet wird. Hiernach ist auch das Nationalkapital verteilt. In jeder Produktionswirtschaft finden sich sowohl die Werkzeuge, mit denen, als das Material, aus dem produzirt wird. Der letztere Teil des Nationalkapitals nimmt aber die Gestalt an, daß, je näher die Produktionsstufe der Vollendung des Gutes steht, desto vorge¬ schrittener das Material ist, weil es durch desto mehr Stufen hindurchgegangen ist, sodaß auf der letzten nur noch die Arbeit an ihm nötig wird, die es zum vollendeten Gute macht, während auf der ersten das roheste Material erst der Erde abzugewinnen ist. Zugleich indessen existirt, da diese Reihe von Produk¬ tionsstufen nur Einkommensgüter schafft, eine Nebenreihe von Gewerken, die stets die unter der Arbeit abgenutzten Werkzeuge zu ersetzen hat. Die Ver¬ teilung des Nationaleinkommens vollzieht sich in der Weise, daß der Wert jedes Produkts nach der darauf verwendeten Arbeitszeit bestimmt wird. Jeder Teil¬ nehmer an der nationalen Produktion erhält in einer Bescheinigung über die von ihm geleistete Arbeitszeit die Anweisung auf einen gleichen Wert beliebiger Einkommensgüter, die ihm gegen Abgabe jener Anweisung aus deu Staats- «Arenzlwtm I. 1884. S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/75>, abgerufen am 25.08.2024.