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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

ein Knabe, welcher in die Küche blickt. Van den Brander, welcher uns von
diesem Bilde Kenntnis gegeben hat, hebt hervor, daß die Perspektive besonders
wohlgelungen sei. Ein andres Genrebild von Bueckelaer, die Fachverkäufer,
besitzt die Münchener Pinakothek. Hier sind auf einem Tische Fässer und
andre Gefäße mit Fischen aufgestellt, und dahinter stehen zwei Frauen und ein
Manu, welcher sich mit der einen einen Scherz erlaubt. Max Rooses hat in
seiner "Geschichte der Antwerpener Malerschule" diesen Zug mit Recht betont,
weil er ein neues Element in diese Darstellungen bringt, den Humor, freilich
von jener derben Art, welche man als "vlämisch" zu bezeichnen sich gewöhnt
hat. Die groben Späße der Bauern und Marktleute treten auf den Schilderungen
des Volkslebens immermehr in den Vordergrund, und um die Mitte des Jahr¬
hunderts blühte jener Meister, welcher wegen seiner komischen Schilderungen
des Lebens der Landleute "Bcmcrnbrueghel" oder "Viezen-Brueghel," d. h. der
närrische Brueghel, genannt worden ist.

Pieter Brueghel der ältere (etwa 1525--1569) ist das Haupt einer
Künstlerfamilie, welche in drei Generationen thätig war. Nächst Rubens und
Teniers ist kein andrer niederländischer Künstlername in öffentlichen und Privat¬
versammlungen so häufig vertreten wie derjenige der Brueghel, und man wird
schwerlich eine öffentliche Galerie namhaft machen können, in welcher nicht
wenigstens ein Bild auf den Namen Brueghel getauft wäre. Um die ver-
schiednen Glieder dieser Familie von einander zu unterscheiden, hat man ihnen
Beinamen gegeben, welche ihre Hauptthätigkeit charakterisiren sollen. Man hat
einen Bauern-, einen Höllen- und einen Sammetbrueghel; aber daneben giebt
es noch drei Brueghel, von welchen uns Werke erhalten sind, Jan den jüngern,
Pieter den dritten und Ambrosius, und von drei andern wird wenigstens be¬
richtet, daß sie Maler gewesen. Sie malten alle Genrebilder aus dem Bauern-
leben, Landschaften, Blumen und Früchte, und es ist daher in vielen Fällen
nicht leicht, die Werke des einen von denen des andern zu unterscheiden; be¬
sonders bei Jan Brueghel dem ältern und dem jüngern begegnet es großen
Schwierigkeiten.

Pieter Brueghel der ältere war kein Pfadfinder, kein bahnbrechender
Künstler, sondern nur ein Talent, welches eine große Aneignungsfähigkeit mit
einer ebenso großen Leichtigkeit des Schaffens vereinigte. Er machte sich alles
zu nutze, was originelle Meister vor ihm geleistet hatten, und unter ihnen
war es vornehmlich Hieronhmus Bosch, dessen zwiespältige Neigung zu phan¬
tastischen und realistischen Stoffen ihn am meisten anzog. Dann muß aber
auch Cornelis Massijs, der zweite Sohn von Quintin, auf ihn von Einfluß
gewesen sein. Des letztern Bilder sind außerordentlich selten, oder wenigstens
noch nicht aus dem Dunkel der Anonymität hervorgezogen. Ein mit seinem
Monogramm versehenes, welches die Jahreszahl 1543 trägt, besitzt die Berliner
Galerie. Auf einer Dorfstraße fährt ein Fuhrmann mit seinem Planwagen.


Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

ein Knabe, welcher in die Küche blickt. Van den Brander, welcher uns von
diesem Bilde Kenntnis gegeben hat, hebt hervor, daß die Perspektive besonders
wohlgelungen sei. Ein andres Genrebild von Bueckelaer, die Fachverkäufer,
besitzt die Münchener Pinakothek. Hier sind auf einem Tische Fässer und
andre Gefäße mit Fischen aufgestellt, und dahinter stehen zwei Frauen und ein
Manu, welcher sich mit der einen einen Scherz erlaubt. Max Rooses hat in
seiner „Geschichte der Antwerpener Malerschule" diesen Zug mit Recht betont,
weil er ein neues Element in diese Darstellungen bringt, den Humor, freilich
von jener derben Art, welche man als „vlämisch" zu bezeichnen sich gewöhnt
hat. Die groben Späße der Bauern und Marktleute treten auf den Schilderungen
des Volkslebens immermehr in den Vordergrund, und um die Mitte des Jahr¬
hunderts blühte jener Meister, welcher wegen seiner komischen Schilderungen
des Lebens der Landleute „Bcmcrnbrueghel" oder „Viezen-Brueghel," d. h. der
närrische Brueghel, genannt worden ist.

Pieter Brueghel der ältere (etwa 1525—1569) ist das Haupt einer
Künstlerfamilie, welche in drei Generationen thätig war. Nächst Rubens und
Teniers ist kein andrer niederländischer Künstlername in öffentlichen und Privat¬
versammlungen so häufig vertreten wie derjenige der Brueghel, und man wird
schwerlich eine öffentliche Galerie namhaft machen können, in welcher nicht
wenigstens ein Bild auf den Namen Brueghel getauft wäre. Um die ver-
schiednen Glieder dieser Familie von einander zu unterscheiden, hat man ihnen
Beinamen gegeben, welche ihre Hauptthätigkeit charakterisiren sollen. Man hat
einen Bauern-, einen Höllen- und einen Sammetbrueghel; aber daneben giebt
es noch drei Brueghel, von welchen uns Werke erhalten sind, Jan den jüngern,
Pieter den dritten und Ambrosius, und von drei andern wird wenigstens be¬
richtet, daß sie Maler gewesen. Sie malten alle Genrebilder aus dem Bauern-
leben, Landschaften, Blumen und Früchte, und es ist daher in vielen Fällen
nicht leicht, die Werke des einen von denen des andern zu unterscheiden; be¬
sonders bei Jan Brueghel dem ältern und dem jüngern begegnet es großen
Schwierigkeiten.

Pieter Brueghel der ältere war kein Pfadfinder, kein bahnbrechender
Künstler, sondern nur ein Talent, welches eine große Aneignungsfähigkeit mit
einer ebenso großen Leichtigkeit des Schaffens vereinigte. Er machte sich alles
zu nutze, was originelle Meister vor ihm geleistet hatten, und unter ihnen
war es vornehmlich Hieronhmus Bosch, dessen zwiespältige Neigung zu phan¬
tastischen und realistischen Stoffen ihn am meisten anzog. Dann muß aber
auch Cornelis Massijs, der zweite Sohn von Quintin, auf ihn von Einfluß
gewesen sein. Des letztern Bilder sind außerordentlich selten, oder wenigstens
noch nicht aus dem Dunkel der Anonymität hervorgezogen. Ein mit seinem
Monogramm versehenes, welches die Jahreszahl 1543 trägt, besitzt die Berliner
Galerie. Auf einer Dorfstraße fährt ein Fuhrmann mit seinem Planwagen.


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[0670] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei. ein Knabe, welcher in die Küche blickt. Van den Brander, welcher uns von diesem Bilde Kenntnis gegeben hat, hebt hervor, daß die Perspektive besonders wohlgelungen sei. Ein andres Genrebild von Bueckelaer, die Fachverkäufer, besitzt die Münchener Pinakothek. Hier sind auf einem Tische Fässer und andre Gefäße mit Fischen aufgestellt, und dahinter stehen zwei Frauen und ein Manu, welcher sich mit der einen einen Scherz erlaubt. Max Rooses hat in seiner „Geschichte der Antwerpener Malerschule" diesen Zug mit Recht betont, weil er ein neues Element in diese Darstellungen bringt, den Humor, freilich von jener derben Art, welche man als „vlämisch" zu bezeichnen sich gewöhnt hat. Die groben Späße der Bauern und Marktleute treten auf den Schilderungen des Volkslebens immermehr in den Vordergrund, und um die Mitte des Jahr¬ hunderts blühte jener Meister, welcher wegen seiner komischen Schilderungen des Lebens der Landleute „Bcmcrnbrueghel" oder „Viezen-Brueghel," d. h. der närrische Brueghel, genannt worden ist. Pieter Brueghel der ältere (etwa 1525—1569) ist das Haupt einer Künstlerfamilie, welche in drei Generationen thätig war. Nächst Rubens und Teniers ist kein andrer niederländischer Künstlername in öffentlichen und Privat¬ versammlungen so häufig vertreten wie derjenige der Brueghel, und man wird schwerlich eine öffentliche Galerie namhaft machen können, in welcher nicht wenigstens ein Bild auf den Namen Brueghel getauft wäre. Um die ver- schiednen Glieder dieser Familie von einander zu unterscheiden, hat man ihnen Beinamen gegeben, welche ihre Hauptthätigkeit charakterisiren sollen. Man hat einen Bauern-, einen Höllen- und einen Sammetbrueghel; aber daneben giebt es noch drei Brueghel, von welchen uns Werke erhalten sind, Jan den jüngern, Pieter den dritten und Ambrosius, und von drei andern wird wenigstens be¬ richtet, daß sie Maler gewesen. Sie malten alle Genrebilder aus dem Bauern- leben, Landschaften, Blumen und Früchte, und es ist daher in vielen Fällen nicht leicht, die Werke des einen von denen des andern zu unterscheiden; be¬ sonders bei Jan Brueghel dem ältern und dem jüngern begegnet es großen Schwierigkeiten. Pieter Brueghel der ältere war kein Pfadfinder, kein bahnbrechender Künstler, sondern nur ein Talent, welches eine große Aneignungsfähigkeit mit einer ebenso großen Leichtigkeit des Schaffens vereinigte. Er machte sich alles zu nutze, was originelle Meister vor ihm geleistet hatten, und unter ihnen war es vornehmlich Hieronhmus Bosch, dessen zwiespältige Neigung zu phan¬ tastischen und realistischen Stoffen ihn am meisten anzog. Dann muß aber auch Cornelis Massijs, der zweite Sohn von Quintin, auf ihn von Einfluß gewesen sein. Des letztern Bilder sind außerordentlich selten, oder wenigstens noch nicht aus dem Dunkel der Anonymität hervorgezogen. Ein mit seinem Monogramm versehenes, welches die Jahreszahl 1543 trägt, besitzt die Berliner Galerie. Auf einer Dorfstraße fährt ein Fuhrmann mit seinem Planwagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/670>, abgerufen am 22.07.2024.