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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

i" der Pinselführung an. Sein Stoffgebiet ist daher auch dasselbe wie das¬
jenige seines Oheims: Kücheninterieurs, Märkte und biblische Szenen, auf welchen
das Volksgetümmel die biblische Staffage ganz in den Hintergrund drängt. So
sind z, B, ans einer "Schaustellung Christi durch Pilatus" in der Münchener
Pinakothek die Gemüsefrauen, welche mit ihren Körben auf dem Markte sitzen,
und die Käufer in ihrer Umgebung die Hauptsache, während die Halle mit dem
ausgestellten Christus daneben kaum in Betracht kommt. Die Architektur der
Renaissancepaläste, welche den Hintergrund bildet, zeigt uns, daß auch Bueckelacr
sich dem italienischen Einflüsse nicht entziehen konnte. Es scheint sogar, daß die
wohlhabenden Kunstliebhaber alles, was italienischen Anstrich hatte, bevorzugten
und die nationale Kunst darüber vernachlässigten. Nach dem Berichte van
Manders ist es den, armen Bncckelaer nämlich recht schlecht gegangen. Ab¬
gesehen, davon daß er für seine an Details ungemein reichen Bilder nur geringe
Preise erhielt, kam es gelegentlich auch vor, daß seine Auftraggeber, namentlich
bei Kücheninterieurs, eine Menge von Gegenständen in das Bild hineingepfropft
wissen wollten, sodaß er nach seinem eignen Geständnis "nicht seinen Käse und
sein Brot dabei verdiente." Und noch kurz vor seinem Tode klagte er darüber,
daß er sein Leben lang für einen zu geringen Lohn gearbeitet habe. Nichts¬
destoweniger muß Bueckelaer sich eines hohen Ansehens unter seinen Landsleuten
erfreut haben, sodaß selbst der Jesuit Carolus Scribcmus in seiner 1610 er¬
schienenen Beschreibung Antwerpens unsers Malers in ehrenvollen Ausdrücken
Erwähnung thut. "Varro erzählt, so schreibt er, daß er einen gewissen Pohls (?)
gekannt habe, von dem in Rom Trauben und Fische existirten, die so gemalt
seien, daß sie beim bloßen Sehen nicht von wirklichen unterschieden werden
konnten. Was würde er erst gesagt haben, wenn er eine Küche von Joachim
Bueckelaer gesehen hätte, in welcher Äpfel und andre Gartenfrüchte, Geflügel,
Fleisch, Fische so treu der Wirklichkeit nachgebildet sind, daß sie nicht bloß die
Köchin täuschen?" Von diesen Kllchenstücken ist uns nur eines vom Jahre
1562 in Antwerpener Privatbesitz erhalten, welches uns zugleich zeigt, in
welcher Weise Bueckelaer über seinen Lehrmeister hinausgekommen ist. Die
Küche ist hier nämlich so geräumig, daß sie der Familie als Speisezimmer dient.
Rechts sitzen an der gedeckten Tafel Mann und Frau, wie die andern lebens-
gwße Figuren, und ihnen gegenüber eine Magd mit einem Kinde auf dem Arm,
das mit erhabnen Armen nach der Bierkanne schreit, welche die Magd an den
Mund setzt. Hinter dem Tische steht noch eine zweite Magd, welche ein gefülltes
Weinglas über die Tafel reicht. Auf einem dreibeinigen Schemel zur Linken
steht man ein Stück rohes Fleisch, ein paar Würste und einige Gurken liegen.
Am. Herde steht die Köchin, welche ein Huhu am Spieße bratet. Zahlreiches
Küchengerät und Geschirr füllt die Wände und einen Schrank. An der Hinter¬
hand stehen zwei Thüren offen. Durch die eine blickt man in eine Kammer,
in welcher ein alter Mann am Tische eingeschlafen ist. In der andern erscheint


Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

i» der Pinselführung an. Sein Stoffgebiet ist daher auch dasselbe wie das¬
jenige seines Oheims: Kücheninterieurs, Märkte und biblische Szenen, auf welchen
das Volksgetümmel die biblische Staffage ganz in den Hintergrund drängt. So
sind z, B, ans einer „Schaustellung Christi durch Pilatus" in der Münchener
Pinakothek die Gemüsefrauen, welche mit ihren Körben auf dem Markte sitzen,
und die Käufer in ihrer Umgebung die Hauptsache, während die Halle mit dem
ausgestellten Christus daneben kaum in Betracht kommt. Die Architektur der
Renaissancepaläste, welche den Hintergrund bildet, zeigt uns, daß auch Bueckelacr
sich dem italienischen Einflüsse nicht entziehen konnte. Es scheint sogar, daß die
wohlhabenden Kunstliebhaber alles, was italienischen Anstrich hatte, bevorzugten
und die nationale Kunst darüber vernachlässigten. Nach dem Berichte van
Manders ist es den, armen Bncckelaer nämlich recht schlecht gegangen. Ab¬
gesehen, davon daß er für seine an Details ungemein reichen Bilder nur geringe
Preise erhielt, kam es gelegentlich auch vor, daß seine Auftraggeber, namentlich
bei Kücheninterieurs, eine Menge von Gegenständen in das Bild hineingepfropft
wissen wollten, sodaß er nach seinem eignen Geständnis „nicht seinen Käse und
sein Brot dabei verdiente." Und noch kurz vor seinem Tode klagte er darüber,
daß er sein Leben lang für einen zu geringen Lohn gearbeitet habe. Nichts¬
destoweniger muß Bueckelaer sich eines hohen Ansehens unter seinen Landsleuten
erfreut haben, sodaß selbst der Jesuit Carolus Scribcmus in seiner 1610 er¬
schienenen Beschreibung Antwerpens unsers Malers in ehrenvollen Ausdrücken
Erwähnung thut. „Varro erzählt, so schreibt er, daß er einen gewissen Pohls (?)
gekannt habe, von dem in Rom Trauben und Fische existirten, die so gemalt
seien, daß sie beim bloßen Sehen nicht von wirklichen unterschieden werden
konnten. Was würde er erst gesagt haben, wenn er eine Küche von Joachim
Bueckelaer gesehen hätte, in welcher Äpfel und andre Gartenfrüchte, Geflügel,
Fleisch, Fische so treu der Wirklichkeit nachgebildet sind, daß sie nicht bloß die
Köchin täuschen?" Von diesen Kllchenstücken ist uns nur eines vom Jahre
1562 in Antwerpener Privatbesitz erhalten, welches uns zugleich zeigt, in
welcher Weise Bueckelaer über seinen Lehrmeister hinausgekommen ist. Die
Küche ist hier nämlich so geräumig, daß sie der Familie als Speisezimmer dient.
Rechts sitzen an der gedeckten Tafel Mann und Frau, wie die andern lebens-
gwße Figuren, und ihnen gegenüber eine Magd mit einem Kinde auf dem Arm,
das mit erhabnen Armen nach der Bierkanne schreit, welche die Magd an den
Mund setzt. Hinter dem Tische steht noch eine zweite Magd, welche ein gefülltes
Weinglas über die Tafel reicht. Auf einem dreibeinigen Schemel zur Linken
steht man ein Stück rohes Fleisch, ein paar Würste und einige Gurken liegen.
Am. Herde steht die Köchin, welche ein Huhu am Spieße bratet. Zahlreiches
Küchengerät und Geschirr füllt die Wände und einen Schrank. An der Hinter¬
hand stehen zwei Thüren offen. Durch die eine blickt man in eine Kammer,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/669>, abgerufen am 22.07.2024.