Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Die niederländische Genre- und Limdschastsmalerei. fluß auf die Antwerpener Schule gewonnen, welcher für eine gewisse Richtung Die niederländische Genre- und Limdschastsmalerei. fluß auf die Antwerpener Schule gewonnen, welcher für eine gewisse Richtung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0664" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155547"/> <fw type="header" place="top"> Die niederländische Genre- und Limdschastsmalerei.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2591" prev="#ID_2590" next="#ID_2592"> fluß auf die Antwerpener Schule gewonnen, welcher für eine gewisse Richtung<lb/> der Genre- und Stilllebenmalerei, die Kucheninterieurs mit Gerätschaften und<lb/> Eßwaren, sogar sehr nachhaltig gewesen ist. Karel van Mander erzählt, daß<lb/> Aertseus Vater, ein armer Strumpfwirker, den Sohn für sein Handwerk bestimmt<lb/> hatte, obwohl dieser bereits eine Neigung zur Malerei zeigte. Aber seiue Mutter<lb/> erklärte: „Und sollte ich das Geld dazu durch Spinnen verdienen müssen, er soll<lb/> malen lernen!", und so wurde der kleine Peter zu einem Amsterdamer Maler<lb/> namens Allart Claasz in die Lehre gegeben, welcher noch der mittelalterlichen<lb/> Richtung folgte. Als er siebzehn Jahre alt geworden war, begab er sich mit<lb/> einem Empfehlungsbriefe des Schultheißen von Amsterdam nach dem Haus<lb/> te Bossu im Hennegau, welches eine kostbare Gemäldesammlung besaß, um dort<lb/> weitere Studien zu machen, und von da wandte er sich nach Antwerpen, wo er<lb/> sich an seinen Landsmann Jan Mandijn (1502—1560) anschloß. Dieser Mandijn,<lb/> aus Harlem gebürtig, war ein Schüler oder Nachahmer des Hieronymus Bosch.<lb/> In dessen Geschmack malte er wenigstens phantastische Darstellungen und Szenen<lb/> aus dem Volksleben, und dieser realistischen Seite seiner Kunst folgte auch Pieter<lb/> Aertscu, welcher im Jahre 1635 unter dem Namen „Lcmghe Peter" als Frei-<lb/> meister in die Lukasgilde von Antwerpen aufgenommen wurde. Seine auf die<lb/> Schilderung des Volkslebens gerichtete Thätigkeit ist eine doppelte: einmal nahm<lb/> er nach dem Vorgänge von Lukas von Leyden und Hieronymus Bosch Momente<lb/> aus der heiligen Geschichte zum Vorwande, um das Treiben des Volkes zum<lb/> Gegenstände einer figurenreichen Darstellung zu machen; auf der andern Seite<lb/> stellte er lebensgroße Figuren in Küchen und auf Marktplätzen dar, umgeben<lb/> von Körben mit Gemüse und Früchten. Damit bringt er ein neues Element<lb/> in die niederländische Genremalerei, welches von seinen Zeitgenossen auch schnell<lb/> anerkannt und geschätzt wurde. Lebensgröße Halbfiguren in Jnnenrciumen hatte<lb/> schon Quinten Massijs dargestellt. Pieter Aertsen eröffnete aber einen neuen<lb/> Stoffkreis und ging noch energischer ans die Wiedergabe des täglichen Lebens<lb/> los. Wie Massijs, bevorzugte er in seiner Malweise vollwirkende Lokaltöne,<lb/> besonders rot, dann auch blau und weiß bei einem bräunlichen Fleischton. Die<lb/> Auffassung seiner Figuren ist eine derb naturalistische, als ob es ihm nur um<lb/> die Abschrift des Lebens zu thun gewesen wäre. Ein Hauptwerk dieser Art be¬<lb/> sitzt das Brüsseler Museum: eine holländische Küche, in welcher die Köchin mit<lb/> einem Kohlkopfe unter dem Arme an dem mächtigen Herde steht, auf welchem<lb/> eine Ende am Spieß bratet. El» Knabe mit einem Hunde auf dem Schoß,<lb/> welcher auf der Erde hockt, dreht den Spieß. Im Mittelgrunde sehen wir eine<lb/> Magd, welche ein Gefäß aus rotem Thon auf einen Schrank stellt. Der Kvhl-<lb/> kopf sowohl wie die Ente und die Küchengerätschaften verraten in ihrer sorg¬<lb/> fältigen Behandlung ein genaues Modellstudium. Damit ist wiederum ein wei¬<lb/> terer Schritt zum Stillleben gethan. Eine Marktszcne, ebenfalls mit lebensgroßen<lb/> Figuren, befindet sich in Privatbesitz in Antwerpen. Zwei kräftige Bauern halten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0664]
Die niederländische Genre- und Limdschastsmalerei.
fluß auf die Antwerpener Schule gewonnen, welcher für eine gewisse Richtung
der Genre- und Stilllebenmalerei, die Kucheninterieurs mit Gerätschaften und
Eßwaren, sogar sehr nachhaltig gewesen ist. Karel van Mander erzählt, daß
Aertseus Vater, ein armer Strumpfwirker, den Sohn für sein Handwerk bestimmt
hatte, obwohl dieser bereits eine Neigung zur Malerei zeigte. Aber seiue Mutter
erklärte: „Und sollte ich das Geld dazu durch Spinnen verdienen müssen, er soll
malen lernen!", und so wurde der kleine Peter zu einem Amsterdamer Maler
namens Allart Claasz in die Lehre gegeben, welcher noch der mittelalterlichen
Richtung folgte. Als er siebzehn Jahre alt geworden war, begab er sich mit
einem Empfehlungsbriefe des Schultheißen von Amsterdam nach dem Haus
te Bossu im Hennegau, welches eine kostbare Gemäldesammlung besaß, um dort
weitere Studien zu machen, und von da wandte er sich nach Antwerpen, wo er
sich an seinen Landsmann Jan Mandijn (1502—1560) anschloß. Dieser Mandijn,
aus Harlem gebürtig, war ein Schüler oder Nachahmer des Hieronymus Bosch.
In dessen Geschmack malte er wenigstens phantastische Darstellungen und Szenen
aus dem Volksleben, und dieser realistischen Seite seiner Kunst folgte auch Pieter
Aertscu, welcher im Jahre 1635 unter dem Namen „Lcmghe Peter" als Frei-
meister in die Lukasgilde von Antwerpen aufgenommen wurde. Seine auf die
Schilderung des Volkslebens gerichtete Thätigkeit ist eine doppelte: einmal nahm
er nach dem Vorgänge von Lukas von Leyden und Hieronymus Bosch Momente
aus der heiligen Geschichte zum Vorwande, um das Treiben des Volkes zum
Gegenstände einer figurenreichen Darstellung zu machen; auf der andern Seite
stellte er lebensgroße Figuren in Küchen und auf Marktplätzen dar, umgeben
von Körben mit Gemüse und Früchten. Damit bringt er ein neues Element
in die niederländische Genremalerei, welches von seinen Zeitgenossen auch schnell
anerkannt und geschätzt wurde. Lebensgröße Halbfiguren in Jnnenrciumen hatte
schon Quinten Massijs dargestellt. Pieter Aertsen eröffnete aber einen neuen
Stoffkreis und ging noch energischer ans die Wiedergabe des täglichen Lebens
los. Wie Massijs, bevorzugte er in seiner Malweise vollwirkende Lokaltöne,
besonders rot, dann auch blau und weiß bei einem bräunlichen Fleischton. Die
Auffassung seiner Figuren ist eine derb naturalistische, als ob es ihm nur um
die Abschrift des Lebens zu thun gewesen wäre. Ein Hauptwerk dieser Art be¬
sitzt das Brüsseler Museum: eine holländische Küche, in welcher die Köchin mit
einem Kohlkopfe unter dem Arme an dem mächtigen Herde steht, auf welchem
eine Ende am Spieß bratet. El» Knabe mit einem Hunde auf dem Schoß,
welcher auf der Erde hockt, dreht den Spieß. Im Mittelgrunde sehen wir eine
Magd, welche ein Gefäß aus rotem Thon auf einen Schrank stellt. Der Kvhl-
kopf sowohl wie die Ente und die Küchengerätschaften verraten in ihrer sorg¬
fältigen Behandlung ein genaues Modellstudium. Damit ist wiederum ein wei¬
terer Schritt zum Stillleben gethan. Eine Marktszcne, ebenfalls mit lebensgroßen
Figuren, befindet sich in Privatbesitz in Antwerpen. Zwei kräftige Bauern halten
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