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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Arabische Kriegführung,

Hoffnung auf Beute unter der Fahne eines siegreichen Rebellen gesammelt
hatten und dort von der ansteckenden Begeisterung religiöser Schwärmerei fest¬
gehalten wurden. Jene Schaar war eine Armee im vollen Sinne des Wortes,
zwar gering an Zahl, aber in allen Stücken gut ausgestattet, sie bewegte sich,
ordnete sich, gliederte sich durchaus uach den Grundsätzen der militärischen
Wissenschaft und focht genau nach den Vorschriften derselben. Der Schwarm
der Gegner aber war keine Armee, sondern ein Zusammenlauf wandernder
Araber und herumziehender Neger in ein gemeinsames Lager, den die irrlicht¬
artige Erscheinung eines Abenteurers und dessen Erfolge hervorgerufen hatten,
und der sich bei der ersten bedeutenden Schlappe wieder in die kleinen Gruppen
von Nomaden auflöse" mußte, aus denen er bestand. Daß die wilde Glaubens¬
glut dieser Menschenmasse und ihre Begier nach Beute sie bisher zu furchtbaren
Gegnern für solche Truppen machte, wie sie die ägyptische Regierung zur Ver¬
fügung hatte, ist bei El Obeid, Kaschgil und im ersten Treffen bei Teb fest¬
gestellt worden, aber das zweite hat mit nicht geringerer Klarheit gezeigt, daß
alle persönliche Todesverachtung jener Wüstensohne, all ihr ritterlicher Mut
nichts ausrichtet, wenn ihnen die stramme Entschlossenheit und Geschlossenheit
wohldisziplinirter Truppen, geführt von tüchtigen Offizieren, gegenübertritt und
die modernen Schußwaffen in geschickten Händen ihre Wirkung thun.

Immerhin eignen sich diese Araber, gleichviel, ob sie Beduinen oder Städte¬
bewohner sind, durch ihren nationalen Charakter, durch ihre physische Anlage
und durch ihre Lebensgewohnheiten vorzüglich zum Waffen Handwerke und geben,
wenn sie gut eingeübt sind, ausgezeichnete Soldaten ab. Als Plänkler und
leichte Reiter stehen sie in Asien und Afrika kaum andern Stämmen nach, und
als Hilfstruppen einer regelmäßigen Streitmacht, bestimmt, die Verbindungen
des Gegners zu bedrohen und zu stören, dem Feinde durch plötzlich erscheinende
und rasch wieder verschwindende Reiterzüge Abbruch zu thu", Nachzügler ab¬
zuschneiden und das gegnerische Lager fortwährend in Spannung und Aufregung
zu erhalten, sind sie unbedingt ohne Rivalen. Sieht man sie in ihrem Heimats-
lande, so fällt einem die außerordentliche Monotonie ihrer Gesichtszüge auf.
Der Weiße kennt im Ausdruck der Gesichter nur wenige Unterschiede. Bisweilen
begegnet uns ein Typus, der halb Stumpfheit, halb Wildheit ausprägt, aber
in der Regel herrscht in den Zügen der Beduinen der Ton grimmer Selbst¬
genügsamkeit vor, an dessen Stelle im Alter oder in hoher Stellung ein sehr
würdevoller Blick tritt. Die Gewohnheit, draußen im Freien die Augen halb
geschlossen zu halten, eine Gewohnheit, die teils gegen Flugsand und grellen
Sonnenschein schützen soll, teils von der steten Wachsamkeit herrührt, mit welcher
der mißtrauische Beduine nach dem Horizonte hinspäht, giebt dem Gesicht einen
unheimliche!, Ausdruck, während die stets gerunzelte Stirn, die sich auf dieselben
Ursachen zurückführen läßt, das Antlitz des Wüstcnbewvhners vor der Zeit mit
Falten furcht. Abgesehen hiervon ist der echte Wüstenarabcr genau das, was


Arabische Kriegführung,

Hoffnung auf Beute unter der Fahne eines siegreichen Rebellen gesammelt
hatten und dort von der ansteckenden Begeisterung religiöser Schwärmerei fest¬
gehalten wurden. Jene Schaar war eine Armee im vollen Sinne des Wortes,
zwar gering an Zahl, aber in allen Stücken gut ausgestattet, sie bewegte sich,
ordnete sich, gliederte sich durchaus uach den Grundsätzen der militärischen
Wissenschaft und focht genau nach den Vorschriften derselben. Der Schwarm
der Gegner aber war keine Armee, sondern ein Zusammenlauf wandernder
Araber und herumziehender Neger in ein gemeinsames Lager, den die irrlicht¬
artige Erscheinung eines Abenteurers und dessen Erfolge hervorgerufen hatten,
und der sich bei der ersten bedeutenden Schlappe wieder in die kleinen Gruppen
von Nomaden auflöse» mußte, aus denen er bestand. Daß die wilde Glaubens¬
glut dieser Menschenmasse und ihre Begier nach Beute sie bisher zu furchtbaren
Gegnern für solche Truppen machte, wie sie die ägyptische Regierung zur Ver¬
fügung hatte, ist bei El Obeid, Kaschgil und im ersten Treffen bei Teb fest¬
gestellt worden, aber das zweite hat mit nicht geringerer Klarheit gezeigt, daß
alle persönliche Todesverachtung jener Wüstensohne, all ihr ritterlicher Mut
nichts ausrichtet, wenn ihnen die stramme Entschlossenheit und Geschlossenheit
wohldisziplinirter Truppen, geführt von tüchtigen Offizieren, gegenübertritt und
die modernen Schußwaffen in geschickten Händen ihre Wirkung thun.

Immerhin eignen sich diese Araber, gleichviel, ob sie Beduinen oder Städte¬
bewohner sind, durch ihren nationalen Charakter, durch ihre physische Anlage
und durch ihre Lebensgewohnheiten vorzüglich zum Waffen Handwerke und geben,
wenn sie gut eingeübt sind, ausgezeichnete Soldaten ab. Als Plänkler und
leichte Reiter stehen sie in Asien und Afrika kaum andern Stämmen nach, und
als Hilfstruppen einer regelmäßigen Streitmacht, bestimmt, die Verbindungen
des Gegners zu bedrohen und zu stören, dem Feinde durch plötzlich erscheinende
und rasch wieder verschwindende Reiterzüge Abbruch zu thu», Nachzügler ab¬
zuschneiden und das gegnerische Lager fortwährend in Spannung und Aufregung
zu erhalten, sind sie unbedingt ohne Rivalen. Sieht man sie in ihrem Heimats-
lande, so fällt einem die außerordentliche Monotonie ihrer Gesichtszüge auf.
Der Weiße kennt im Ausdruck der Gesichter nur wenige Unterschiede. Bisweilen
begegnet uns ein Typus, der halb Stumpfheit, halb Wildheit ausprägt, aber
in der Regel herrscht in den Zügen der Beduinen der Ton grimmer Selbst¬
genügsamkeit vor, an dessen Stelle im Alter oder in hoher Stellung ein sehr
würdevoller Blick tritt. Die Gewohnheit, draußen im Freien die Augen halb
geschlossen zu halten, eine Gewohnheit, die teils gegen Flugsand und grellen
Sonnenschein schützen soll, teils von der steten Wachsamkeit herrührt, mit welcher
der mißtrauische Beduine nach dem Horizonte hinspäht, giebt dem Gesicht einen
unheimliche!, Ausdruck, während die stets gerunzelte Stirn, die sich auf dieselben
Ursachen zurückführen läßt, das Antlitz des Wüstcnbewvhners vor der Zeit mit
Falten furcht. Abgesehen hiervon ist der echte Wüstenarabcr genau das, was


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[0628] Arabische Kriegführung, Hoffnung auf Beute unter der Fahne eines siegreichen Rebellen gesammelt hatten und dort von der ansteckenden Begeisterung religiöser Schwärmerei fest¬ gehalten wurden. Jene Schaar war eine Armee im vollen Sinne des Wortes, zwar gering an Zahl, aber in allen Stücken gut ausgestattet, sie bewegte sich, ordnete sich, gliederte sich durchaus uach den Grundsätzen der militärischen Wissenschaft und focht genau nach den Vorschriften derselben. Der Schwarm der Gegner aber war keine Armee, sondern ein Zusammenlauf wandernder Araber und herumziehender Neger in ein gemeinsames Lager, den die irrlicht¬ artige Erscheinung eines Abenteurers und dessen Erfolge hervorgerufen hatten, und der sich bei der ersten bedeutenden Schlappe wieder in die kleinen Gruppen von Nomaden auflöse» mußte, aus denen er bestand. Daß die wilde Glaubens¬ glut dieser Menschenmasse und ihre Begier nach Beute sie bisher zu furchtbaren Gegnern für solche Truppen machte, wie sie die ägyptische Regierung zur Ver¬ fügung hatte, ist bei El Obeid, Kaschgil und im ersten Treffen bei Teb fest¬ gestellt worden, aber das zweite hat mit nicht geringerer Klarheit gezeigt, daß alle persönliche Todesverachtung jener Wüstensohne, all ihr ritterlicher Mut nichts ausrichtet, wenn ihnen die stramme Entschlossenheit und Geschlossenheit wohldisziplinirter Truppen, geführt von tüchtigen Offizieren, gegenübertritt und die modernen Schußwaffen in geschickten Händen ihre Wirkung thun. Immerhin eignen sich diese Araber, gleichviel, ob sie Beduinen oder Städte¬ bewohner sind, durch ihren nationalen Charakter, durch ihre physische Anlage und durch ihre Lebensgewohnheiten vorzüglich zum Waffen Handwerke und geben, wenn sie gut eingeübt sind, ausgezeichnete Soldaten ab. Als Plänkler und leichte Reiter stehen sie in Asien und Afrika kaum andern Stämmen nach, und als Hilfstruppen einer regelmäßigen Streitmacht, bestimmt, die Verbindungen des Gegners zu bedrohen und zu stören, dem Feinde durch plötzlich erscheinende und rasch wieder verschwindende Reiterzüge Abbruch zu thu», Nachzügler ab¬ zuschneiden und das gegnerische Lager fortwährend in Spannung und Aufregung zu erhalten, sind sie unbedingt ohne Rivalen. Sieht man sie in ihrem Heimats- lande, so fällt einem die außerordentliche Monotonie ihrer Gesichtszüge auf. Der Weiße kennt im Ausdruck der Gesichter nur wenige Unterschiede. Bisweilen begegnet uns ein Typus, der halb Stumpfheit, halb Wildheit ausprägt, aber in der Regel herrscht in den Zügen der Beduinen der Ton grimmer Selbst¬ genügsamkeit vor, an dessen Stelle im Alter oder in hoher Stellung ein sehr würdevoller Blick tritt. Die Gewohnheit, draußen im Freien die Augen halb geschlossen zu halten, eine Gewohnheit, die teils gegen Flugsand und grellen Sonnenschein schützen soll, teils von der steten Wachsamkeit herrührt, mit welcher der mißtrauische Beduine nach dem Horizonte hinspäht, giebt dem Gesicht einen unheimliche!, Ausdruck, während die stets gerunzelte Stirn, die sich auf dieselben Ursachen zurückführen läßt, das Antlitz des Wüstcnbewvhners vor der Zeit mit Falten furcht. Abgesehen hiervon ist der echte Wüstenarabcr genau das, was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/628>, abgerufen am 01.07.2024.