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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Lducn'd Laster.

Lobes. Daß man unserm Reichskanzler, vor dem die praktischen Amerikaner
einen so ungeheuern Respekt haben -- wir erinnern nur daran, daß schon
mehrere amerikanische Städte nach Bismarck genannt sind, aber noch keine nach
Laster --, daß man dem Reichskanzler, sagen wir, hier gelegentlich einen
Rippenstoß habe versetzen wollen, ist schwer zu denken. Und noch weniger zu
denken ist, daß die amerikanische Regierung sich zu einer Mitwirkung dabei
hätte bereit finden lassen. So aufgefaßt, ist die Kundgebung des Repräsen¬
tantenhauses eine völlig harmlose, konnte dann aber auch nicht von den Freunden
Lasters in ihrem Parteiinteresse verwertet werden.

Faßte man die Sache anders auf, nahm man an, das amerikanische Re¬
präsentantenhaus habe bei dieser Gelegenheit für Laster im Gegensatze zum
Fürsten Bismarck Partei ergreifen und letzterm die guten Eigenschaften und die
Bedeutung des Verstorbenen zu Gemüte führen wollen, dann mußte sich doch
bei jedem deutschen Manne in erster Linie die Frage regen: Was gehen denn
die Amerikaner unsre innern Parteistreitigkciten an? Mögen sie für Laster
oder für Bismarck, für Bebel oder für Windthorst Partei nehmen: sie haben
mit ihren Erklärungen zu Hause zu bleiben und nicht in unsre Verhältnisse
hineinzupfuschen!

Die deutsche liberale Presse zeigte aber hierfür wenig Empfindung -- eine
Bestätigung des vom Reichskanzler mitunter ausgesprochenen Satzes, daß dem
Deutschen die Fraktionspolitik oft näher stehe als das Gefühl für das ganze
Vaterland. Den Freunden Lasters war jene Kundgebung in ihrer lobpreisenden
Fassung gerade Wasser auf ihre Mühle, und sie waren eben im Begriff, das
Klapperwerk gegen den Reichskanzler losgehen zu lassen. Da schnitt letzterer
ihnen durch seine ablehnende Erklärung diesen Zufluß ab. Darüber natürlich
großer Zorn. Wer aber die Sache sich recht überlegen will, wird finden,
daß auch in diesem Falle wiederum der Reichskanzler es gewesen ist, welcher
die Selbständigkeit und Würde Deutschlands dem Auslande gegenüber gebüh¬
rend gewahrt hat. Indem er seine Ablehnung nicht, wie ihm wohl zugestanden
hätte, formell, sondern materiell motivirte, ist er gegen die Amerikaner fehr
höflich verfahren. Immerhin liegt aber für das Repräsentantenhaus in diesem
Vorgange die Lehre, welche ein altes deutsches Sprüchwort giebt: "Was deines
Amts nicht ist, da laß deinen Fürwitz."*)



In dein Augenblicke, wo wir diese Zeilen schließen, kommt uns ein gutgeschriebenes
Schriftchen zu Händen: Zur Erinnerung an Eduard Laster. Von Arthur Wolff.
Berlin, R. Pohl. 1884. Wir sehen mit Befriedigung, daß die darin gegebene Darstellung
der Wirksamkeit Lasters mit der unsrigen im wesentlichen übereinstimmt, aber auch noch
manche interessante Einzelheiten enthält.' Neu und treffend ist am Schlüsse die Bezugnahme
auf eine Stelle von Carlyle, welches darauf, hinweist!, wie seinerzeit dem Diktator Cromwell
eine Reihe von Männern gegenübergestanden, die man damals auch für sehr bedeutend ge¬
halten habe; wie dann aber in der Geschichte alle diese Namen verschwunden seien, und uur
Lducn'd Laster.

Lobes. Daß man unserm Reichskanzler, vor dem die praktischen Amerikaner
einen so ungeheuern Respekt haben — wir erinnern nur daran, daß schon
mehrere amerikanische Städte nach Bismarck genannt sind, aber noch keine nach
Laster —, daß man dem Reichskanzler, sagen wir, hier gelegentlich einen
Rippenstoß habe versetzen wollen, ist schwer zu denken. Und noch weniger zu
denken ist, daß die amerikanische Regierung sich zu einer Mitwirkung dabei
hätte bereit finden lassen. So aufgefaßt, ist die Kundgebung des Repräsen¬
tantenhauses eine völlig harmlose, konnte dann aber auch nicht von den Freunden
Lasters in ihrem Parteiinteresse verwertet werden.

Faßte man die Sache anders auf, nahm man an, das amerikanische Re¬
präsentantenhaus habe bei dieser Gelegenheit für Laster im Gegensatze zum
Fürsten Bismarck Partei ergreifen und letzterm die guten Eigenschaften und die
Bedeutung des Verstorbenen zu Gemüte führen wollen, dann mußte sich doch
bei jedem deutschen Manne in erster Linie die Frage regen: Was gehen denn
die Amerikaner unsre innern Parteistreitigkciten an? Mögen sie für Laster
oder für Bismarck, für Bebel oder für Windthorst Partei nehmen: sie haben
mit ihren Erklärungen zu Hause zu bleiben und nicht in unsre Verhältnisse
hineinzupfuschen!

Die deutsche liberale Presse zeigte aber hierfür wenig Empfindung — eine
Bestätigung des vom Reichskanzler mitunter ausgesprochenen Satzes, daß dem
Deutschen die Fraktionspolitik oft näher stehe als das Gefühl für das ganze
Vaterland. Den Freunden Lasters war jene Kundgebung in ihrer lobpreisenden
Fassung gerade Wasser auf ihre Mühle, und sie waren eben im Begriff, das
Klapperwerk gegen den Reichskanzler losgehen zu lassen. Da schnitt letzterer
ihnen durch seine ablehnende Erklärung diesen Zufluß ab. Darüber natürlich
großer Zorn. Wer aber die Sache sich recht überlegen will, wird finden,
daß auch in diesem Falle wiederum der Reichskanzler es gewesen ist, welcher
die Selbständigkeit und Würde Deutschlands dem Auslande gegenüber gebüh¬
rend gewahrt hat. Indem er seine Ablehnung nicht, wie ihm wohl zugestanden
hätte, formell, sondern materiell motivirte, ist er gegen die Amerikaner fehr
höflich verfahren. Immerhin liegt aber für das Repräsentantenhaus in diesem
Vorgange die Lehre, welche ein altes deutsches Sprüchwort giebt: „Was deines
Amts nicht ist, da laß deinen Fürwitz."*)



In dein Augenblicke, wo wir diese Zeilen schließen, kommt uns ein gutgeschriebenes
Schriftchen zu Händen: Zur Erinnerung an Eduard Laster. Von Arthur Wolff.
Berlin, R. Pohl. 1884. Wir sehen mit Befriedigung, daß die darin gegebene Darstellung
der Wirksamkeit Lasters mit der unsrigen im wesentlichen übereinstimmt, aber auch noch
manche interessante Einzelheiten enthält.' Neu und treffend ist am Schlüsse die Bezugnahme
auf eine Stelle von Carlyle, welches darauf, hinweist!, wie seinerzeit dem Diktator Cromwell
eine Reihe von Männern gegenübergestanden, die man damals auch für sehr bedeutend ge¬
halten habe; wie dann aber in der Geschichte alle diese Namen verschwunden seien, und uur
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[0602] Lducn'd Laster. Lobes. Daß man unserm Reichskanzler, vor dem die praktischen Amerikaner einen so ungeheuern Respekt haben — wir erinnern nur daran, daß schon mehrere amerikanische Städte nach Bismarck genannt sind, aber noch keine nach Laster —, daß man dem Reichskanzler, sagen wir, hier gelegentlich einen Rippenstoß habe versetzen wollen, ist schwer zu denken. Und noch weniger zu denken ist, daß die amerikanische Regierung sich zu einer Mitwirkung dabei hätte bereit finden lassen. So aufgefaßt, ist die Kundgebung des Repräsen¬ tantenhauses eine völlig harmlose, konnte dann aber auch nicht von den Freunden Lasters in ihrem Parteiinteresse verwertet werden. Faßte man die Sache anders auf, nahm man an, das amerikanische Re¬ präsentantenhaus habe bei dieser Gelegenheit für Laster im Gegensatze zum Fürsten Bismarck Partei ergreifen und letzterm die guten Eigenschaften und die Bedeutung des Verstorbenen zu Gemüte führen wollen, dann mußte sich doch bei jedem deutschen Manne in erster Linie die Frage regen: Was gehen denn die Amerikaner unsre innern Parteistreitigkciten an? Mögen sie für Laster oder für Bismarck, für Bebel oder für Windthorst Partei nehmen: sie haben mit ihren Erklärungen zu Hause zu bleiben und nicht in unsre Verhältnisse hineinzupfuschen! Die deutsche liberale Presse zeigte aber hierfür wenig Empfindung — eine Bestätigung des vom Reichskanzler mitunter ausgesprochenen Satzes, daß dem Deutschen die Fraktionspolitik oft näher stehe als das Gefühl für das ganze Vaterland. Den Freunden Lasters war jene Kundgebung in ihrer lobpreisenden Fassung gerade Wasser auf ihre Mühle, und sie waren eben im Begriff, das Klapperwerk gegen den Reichskanzler losgehen zu lassen. Da schnitt letzterer ihnen durch seine ablehnende Erklärung diesen Zufluß ab. Darüber natürlich großer Zorn. Wer aber die Sache sich recht überlegen will, wird finden, daß auch in diesem Falle wiederum der Reichskanzler es gewesen ist, welcher die Selbständigkeit und Würde Deutschlands dem Auslande gegenüber gebüh¬ rend gewahrt hat. Indem er seine Ablehnung nicht, wie ihm wohl zugestanden hätte, formell, sondern materiell motivirte, ist er gegen die Amerikaner fehr höflich verfahren. Immerhin liegt aber für das Repräsentantenhaus in diesem Vorgange die Lehre, welche ein altes deutsches Sprüchwort giebt: „Was deines Amts nicht ist, da laß deinen Fürwitz."*) In dein Augenblicke, wo wir diese Zeilen schließen, kommt uns ein gutgeschriebenes Schriftchen zu Händen: Zur Erinnerung an Eduard Laster. Von Arthur Wolff. Berlin, R. Pohl. 1884. Wir sehen mit Befriedigung, daß die darin gegebene Darstellung der Wirksamkeit Lasters mit der unsrigen im wesentlichen übereinstimmt, aber auch noch manche interessante Einzelheiten enthält.' Neu und treffend ist am Schlüsse die Bezugnahme auf eine Stelle von Carlyle, welches darauf, hinweist!, wie seinerzeit dem Diktator Cromwell eine Reihe von Männern gegenübergestanden, die man damals auch für sehr bedeutend ge¬ halten habe; wie dann aber in der Geschichte alle diese Namen verschwunden seien, und uur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/602>, abgerufen am 30.06.2024.