Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Der literarische verein in Stuttgart. spenden, die ihm denn auch von der fachmännischer Kritik wiederholt ausge¬ Unter der Rubrik "Sittengeschichte" sührt Keller mehrere Publikationen Unter den deutschen Reichsstädten hat neben Augsburg entschieden Nürn¬ Der literarische verein in Stuttgart. spenden, die ihm denn auch von der fachmännischer Kritik wiederholt ausge¬ Unter der Rubrik „Sittengeschichte" sührt Keller mehrere Publikationen Unter den deutschen Reichsstädten hat neben Augsburg entschieden Nürn¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155452"/> <fw type="header" place="top"> Der literarische verein in Stuttgart.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2282" prev="#ID_2281"> spenden, die ihm denn auch von der fachmännischer Kritik wiederholt ausge¬<lb/> sprochen worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2283"> Unter der Rubrik „Sittengeschichte" sührt Keller mehrere Publikationen<lb/> auf, welche besser als alle sogenannten kulturhistorischen Schilderungen einen<lb/> wirklichen Einblick in das Leben und Treiben des Mittelalters gewähren. Dahin<lb/> gehört z. B. Ein Buch von guter Speise, d. h. eine Sammlung von<lb/> Küchenrezepten, welche einer jetzt auf der Universitätsbibliothek zu München be¬<lb/> findlichen Würzburger Pergameuthcmdschrift entnommen ist. Wenn auch unsre<lb/> Hausfrauen jetzt nicht mehr in der Lage sein dürften, diese Küchenrezepte, so<lb/> wie sie vorliegen, zur Ausführung zu bringen, so gewährt es doch ein eignes<lb/> Interesse, zu wissen, wie der Mönch und der Ritter des Mittelalters, ja sogar<lb/> der Sarazene aßen. „Daher, so meint der Herausgeber, nimmt vielleicht auch<lb/> manche Hausfrau den Band in die Hand, der diese Bogen enthält, und wird<lb/> dadurch mit der Herausgabe so längst veralteter Sachen, oder, was noch wichtiger<lb/> ist, damit versöhnt, daß Solcherlei Bücher von dem Eheherrn als öArkg'in suxeälöx<lb/> betrachtet und daher zur Vermehrung seiner Liberey angeschafft werden, welches<lb/> Anschaffen nicht immer von beiden Parteien ratifizirt zu werden pflegt."</p><lb/> <p xml:id="ID_2284"> Unter den deutschen Reichsstädten hat neben Augsburg entschieden Nürn¬<lb/> berg die reichste Entwicklung gehabt, sodaß diese Stadt als Repräsentantin des<lb/> deutschen Städtewesens und der sozialen Zustände derselben überhaupt gelten<lb/> kann. Unter diesem Gesichtspunkte gewinnen die von Joseph Baader ver¬<lb/> öffentlichten Nürnberger Polizeiordnnngen aus dem 13., 14. und 15.<lb/> Jahrhundert besondre Bedeutung. Das gleiche gilt von Endres Tuchers<lb/> Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464—1475), dessen Herausgabe<lb/> wir Matthias Lexer verdanken und das Friedrich von Weech mit einer<lb/> gehaltvollen Einleitung und sachlichen Anmerkungen versehen hat. „Das Bau¬<lb/> meisterbuch von Endres Tucher," heißt es hier, „im Jahre 1464 begonnen,<lb/> 1470 abgeschlossen, mit Nachträgen bis 1475 bereichert, ist eine wichtige Quelle<lb/> zur Kenntnis der bis in das kleinste Detail ausgebildeten Organisation, deren<lb/> sich schon im 15. Jahrhundert das Gemeinwesen Nürnbergs erfreute, umso<lb/> wichtiger, als die Beziehungen des Baumeisters zu hundert Dingen, deren Zu¬<lb/> sammenhang mit dem Baumeisteramte unser bureaukratisch geschulter Sinn kaum<lb/> einsieht, einen Einblick in die verschiedensten Verhältnisse der alten Reichsstadt<lb/> gewähren." Endres Tucher verfolgte jedoch bei seinen Aufzeichnungen gleich¬<lb/> zeitig eine praktische Tendenz, nämlich die, seinen Nachfolgern damit eine An¬<lb/> leitung zu geben, nach der sie sich künstig richten könnten. Er hat daher mitten<lb/> unter die trockene, weitschweifige Aufzählung der verschiednen Funktionen des<lb/> Baumeisters zahlreiche Ratschläge eingeflochten zu Nutz und Frommen des<lb/> späteren Geschlechts, und gerade das ist es, wie Weech hervorhebt, was der<lb/> Aufzeichnung einen eigentümlichen Reiz verleiht: außer dem pflichtgetreuen Be¬<lb/> amten lernt man auch auf jeder Seite des Buches den kernhaften Menschen kennen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Der literarische verein in Stuttgart.
spenden, die ihm denn auch von der fachmännischer Kritik wiederholt ausge¬
sprochen worden ist.
Unter der Rubrik „Sittengeschichte" sührt Keller mehrere Publikationen
auf, welche besser als alle sogenannten kulturhistorischen Schilderungen einen
wirklichen Einblick in das Leben und Treiben des Mittelalters gewähren. Dahin
gehört z. B. Ein Buch von guter Speise, d. h. eine Sammlung von
Küchenrezepten, welche einer jetzt auf der Universitätsbibliothek zu München be¬
findlichen Würzburger Pergameuthcmdschrift entnommen ist. Wenn auch unsre
Hausfrauen jetzt nicht mehr in der Lage sein dürften, diese Küchenrezepte, so
wie sie vorliegen, zur Ausführung zu bringen, so gewährt es doch ein eignes
Interesse, zu wissen, wie der Mönch und der Ritter des Mittelalters, ja sogar
der Sarazene aßen. „Daher, so meint der Herausgeber, nimmt vielleicht auch
manche Hausfrau den Band in die Hand, der diese Bogen enthält, und wird
dadurch mit der Herausgabe so längst veralteter Sachen, oder, was noch wichtiger
ist, damit versöhnt, daß Solcherlei Bücher von dem Eheherrn als öArkg'in suxeälöx
betrachtet und daher zur Vermehrung seiner Liberey angeschafft werden, welches
Anschaffen nicht immer von beiden Parteien ratifizirt zu werden pflegt."
Unter den deutschen Reichsstädten hat neben Augsburg entschieden Nürn¬
berg die reichste Entwicklung gehabt, sodaß diese Stadt als Repräsentantin des
deutschen Städtewesens und der sozialen Zustände derselben überhaupt gelten
kann. Unter diesem Gesichtspunkte gewinnen die von Joseph Baader ver¬
öffentlichten Nürnberger Polizeiordnnngen aus dem 13., 14. und 15.
Jahrhundert besondre Bedeutung. Das gleiche gilt von Endres Tuchers
Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464—1475), dessen Herausgabe
wir Matthias Lexer verdanken und das Friedrich von Weech mit einer
gehaltvollen Einleitung und sachlichen Anmerkungen versehen hat. „Das Bau¬
meisterbuch von Endres Tucher," heißt es hier, „im Jahre 1464 begonnen,
1470 abgeschlossen, mit Nachträgen bis 1475 bereichert, ist eine wichtige Quelle
zur Kenntnis der bis in das kleinste Detail ausgebildeten Organisation, deren
sich schon im 15. Jahrhundert das Gemeinwesen Nürnbergs erfreute, umso
wichtiger, als die Beziehungen des Baumeisters zu hundert Dingen, deren Zu¬
sammenhang mit dem Baumeisteramte unser bureaukratisch geschulter Sinn kaum
einsieht, einen Einblick in die verschiedensten Verhältnisse der alten Reichsstadt
gewähren." Endres Tucher verfolgte jedoch bei seinen Aufzeichnungen gleich¬
zeitig eine praktische Tendenz, nämlich die, seinen Nachfolgern damit eine An¬
leitung zu geben, nach der sie sich künstig richten könnten. Er hat daher mitten
unter die trockene, weitschweifige Aufzählung der verschiednen Funktionen des
Baumeisters zahlreiche Ratschläge eingeflochten zu Nutz und Frommen des
späteren Geschlechts, und gerade das ist es, wie Weech hervorhebt, was der
Aufzeichnung einen eigentümlichen Reiz verleiht: außer dem pflichtgetreuen Be¬
amten lernt man auch auf jeder Seite des Buches den kernhaften Menschen kennen
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