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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei,

massenhaft gefangenen Seesterne, die verderblichsten Feinde der Fischbrut und
der eßbaren Muscheln, werden ins Wasser zurückgeworfen, während sie bei bessern
Transportmitteln ans Land geschafft und an geeigneten! Orte mit den übrigen
zahllosen Abfüllen der Fischerei zu Dung verarbeitet jedenfalls etwas nützen
würden.

Schon bei dem jetzigen Bestände unsrer Gewässer würde das deutsche Kapital
reichlich seine Zinsen finden, aber was könnte es noch thun für eine künstliche
Hebung des Ertrages der See! Auf das vier- und fünffache ließe er sich
steigern. Noch verzehren tausende von Delphinen und Seehunden allein bei
Sylt und an unsrer Ostseeküste alljährlich gegen 32 Millionen Kilo Fische, die
doch eine energische Fischerei, unterstützt von emsiger Jagd auf die schädlichen
Tiere, zum großen Teile dem Menschen selbst gewinnen könnte. Jetzt lassen
wir Delphine und Seehunde gewähren, lassen ihnen Schonzeit angedeihen, ernten
dafür ein wenig Thran und befolgen so die Praxis von Leuten, welche etwa
auf Kosten ihrer Rinderherden Bärenzucht betreiben wollten!

Vernichtung also den zahllosen Räubern, aber sorgsame Pflege den kost¬
baren Geschöpfen, die uns die ungenießbaren Nahrungsmittel der Tiefen in
genießbare Form verwandeln! Wie lohnend würde die Einbürgerung gar mancher
vorteilhaften Muschelarten sein! Die mähr- und schmackhaften Kamm- und Herz¬
muscheln, die Seeschnecken, Scegcmielen und andre mehr bieten dem englischen
Volke in ungeheuern Massen gute und billige Nahrung. Warum können wir
uns uicht desselben Vorteils versichern, da auch an unsern Küsten zweifelsohne
die Tiere massenhaft ihr Fortkommen finden würde"? Frankreich allein hat
7000 künstliche Austernfcmus -- sollte die deutsche Küste, die doch die Auster
gleichfalls gedeihen läßt, der Anlegung solcher künstlichen Bänke sich spröde
entgegenstellen? Aller Anfang ist schwer, und wie eS scheint, bei uns ungeheuer
schwer. Hoffen wir, daß das deutsche Volk die pessimistische Ansicht, die ihm
die Kraft zu einem energischen Handeln ganz absprechen möchte, baldigst Lügen
strafe. Seit unser Kanzler uns gezeigt hat, daß man handeln kann, auch wenn
man in deutschen Landen geboren ist, statt bloß zu denken, ist die Aussicht
vorhanden, daß ihm, wie auf andern Gebieten des vielgestaltigen Lebens, so
auch auf dem der deutschen Hochseefischerei aus ihrem derzeitig erbärmlichen
Zustande thatkräftige Nachfolger erstehen werden. Und wie sehr wäre dies zu
wünschen! Kommt doch bei einer Hebung der Seefischerei nicht nur der gewerb¬
liche Nutzen einzelner, nicht einmal lediglich der materielle Gewinn, der der
ganzen Nation daraus erwachsen würde, in Betracht. Sie ist auch eine militärische
Frage. Die Abnahme unsrer seetüchtigen Bevölkerung, die leider keine bloße
Redensart mehr ist, und ihre Bedeutung für unsre Wehrkraft zur See zu er¬
örtern, ist hier nicht der Ort -- es genüge der Hinweis darauf; daß ihr aber
wirksam durch Hebung unsrer Fischerei gesteuert werden dürfte, ließe sich leicht
beweisen. Lohnende, ihren Mann ernährende Thätigkeit als Fischer ist der Port,


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei,

massenhaft gefangenen Seesterne, die verderblichsten Feinde der Fischbrut und
der eßbaren Muscheln, werden ins Wasser zurückgeworfen, während sie bei bessern
Transportmitteln ans Land geschafft und an geeigneten! Orte mit den übrigen
zahllosen Abfüllen der Fischerei zu Dung verarbeitet jedenfalls etwas nützen
würden.

Schon bei dem jetzigen Bestände unsrer Gewässer würde das deutsche Kapital
reichlich seine Zinsen finden, aber was könnte es noch thun für eine künstliche
Hebung des Ertrages der See! Auf das vier- und fünffache ließe er sich
steigern. Noch verzehren tausende von Delphinen und Seehunden allein bei
Sylt und an unsrer Ostseeküste alljährlich gegen 32 Millionen Kilo Fische, die
doch eine energische Fischerei, unterstützt von emsiger Jagd auf die schädlichen
Tiere, zum großen Teile dem Menschen selbst gewinnen könnte. Jetzt lassen
wir Delphine und Seehunde gewähren, lassen ihnen Schonzeit angedeihen, ernten
dafür ein wenig Thran und befolgen so die Praxis von Leuten, welche etwa
auf Kosten ihrer Rinderherden Bärenzucht betreiben wollten!

Vernichtung also den zahllosen Räubern, aber sorgsame Pflege den kost¬
baren Geschöpfen, die uns die ungenießbaren Nahrungsmittel der Tiefen in
genießbare Form verwandeln! Wie lohnend würde die Einbürgerung gar mancher
vorteilhaften Muschelarten sein! Die mähr- und schmackhaften Kamm- und Herz¬
muscheln, die Seeschnecken, Scegcmielen und andre mehr bieten dem englischen
Volke in ungeheuern Massen gute und billige Nahrung. Warum können wir
uns uicht desselben Vorteils versichern, da auch an unsern Küsten zweifelsohne
die Tiere massenhaft ihr Fortkommen finden würde»? Frankreich allein hat
7000 künstliche Austernfcmus — sollte die deutsche Küste, die doch die Auster
gleichfalls gedeihen läßt, der Anlegung solcher künstlichen Bänke sich spröde
entgegenstellen? Aller Anfang ist schwer, und wie eS scheint, bei uns ungeheuer
schwer. Hoffen wir, daß das deutsche Volk die pessimistische Ansicht, die ihm
die Kraft zu einem energischen Handeln ganz absprechen möchte, baldigst Lügen
strafe. Seit unser Kanzler uns gezeigt hat, daß man handeln kann, auch wenn
man in deutschen Landen geboren ist, statt bloß zu denken, ist die Aussicht
vorhanden, daß ihm, wie auf andern Gebieten des vielgestaltigen Lebens, so
auch auf dem der deutschen Hochseefischerei aus ihrem derzeitig erbärmlichen
Zustande thatkräftige Nachfolger erstehen werden. Und wie sehr wäre dies zu
wünschen! Kommt doch bei einer Hebung der Seefischerei nicht nur der gewerb¬
liche Nutzen einzelner, nicht einmal lediglich der materielle Gewinn, der der
ganzen Nation daraus erwachsen würde, in Betracht. Sie ist auch eine militärische
Frage. Die Abnahme unsrer seetüchtigen Bevölkerung, die leider keine bloße
Redensart mehr ist, und ihre Bedeutung für unsre Wehrkraft zur See zu er¬
örtern, ist hier nicht der Ort — es genüge der Hinweis darauf; daß ihr aber
wirksam durch Hebung unsrer Fischerei gesteuert werden dürfte, ließe sich leicht
beweisen. Lohnende, ihren Mann ernährende Thätigkeit als Fischer ist der Port,


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[0557] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei, massenhaft gefangenen Seesterne, die verderblichsten Feinde der Fischbrut und der eßbaren Muscheln, werden ins Wasser zurückgeworfen, während sie bei bessern Transportmitteln ans Land geschafft und an geeigneten! Orte mit den übrigen zahllosen Abfüllen der Fischerei zu Dung verarbeitet jedenfalls etwas nützen würden. Schon bei dem jetzigen Bestände unsrer Gewässer würde das deutsche Kapital reichlich seine Zinsen finden, aber was könnte es noch thun für eine künstliche Hebung des Ertrages der See! Auf das vier- und fünffache ließe er sich steigern. Noch verzehren tausende von Delphinen und Seehunden allein bei Sylt und an unsrer Ostseeküste alljährlich gegen 32 Millionen Kilo Fische, die doch eine energische Fischerei, unterstützt von emsiger Jagd auf die schädlichen Tiere, zum großen Teile dem Menschen selbst gewinnen könnte. Jetzt lassen wir Delphine und Seehunde gewähren, lassen ihnen Schonzeit angedeihen, ernten dafür ein wenig Thran und befolgen so die Praxis von Leuten, welche etwa auf Kosten ihrer Rinderherden Bärenzucht betreiben wollten! Vernichtung also den zahllosen Räubern, aber sorgsame Pflege den kost¬ baren Geschöpfen, die uns die ungenießbaren Nahrungsmittel der Tiefen in genießbare Form verwandeln! Wie lohnend würde die Einbürgerung gar mancher vorteilhaften Muschelarten sein! Die mähr- und schmackhaften Kamm- und Herz¬ muscheln, die Seeschnecken, Scegcmielen und andre mehr bieten dem englischen Volke in ungeheuern Massen gute und billige Nahrung. Warum können wir uns uicht desselben Vorteils versichern, da auch an unsern Küsten zweifelsohne die Tiere massenhaft ihr Fortkommen finden würde»? Frankreich allein hat 7000 künstliche Austernfcmus — sollte die deutsche Küste, die doch die Auster gleichfalls gedeihen läßt, der Anlegung solcher künstlichen Bänke sich spröde entgegenstellen? Aller Anfang ist schwer, und wie eS scheint, bei uns ungeheuer schwer. Hoffen wir, daß das deutsche Volk die pessimistische Ansicht, die ihm die Kraft zu einem energischen Handeln ganz absprechen möchte, baldigst Lügen strafe. Seit unser Kanzler uns gezeigt hat, daß man handeln kann, auch wenn man in deutschen Landen geboren ist, statt bloß zu denken, ist die Aussicht vorhanden, daß ihm, wie auf andern Gebieten des vielgestaltigen Lebens, so auch auf dem der deutschen Hochseefischerei aus ihrem derzeitig erbärmlichen Zustande thatkräftige Nachfolger erstehen werden. Und wie sehr wäre dies zu wünschen! Kommt doch bei einer Hebung der Seefischerei nicht nur der gewerb¬ liche Nutzen einzelner, nicht einmal lediglich der materielle Gewinn, der der ganzen Nation daraus erwachsen würde, in Betracht. Sie ist auch eine militärische Frage. Die Abnahme unsrer seetüchtigen Bevölkerung, die leider keine bloße Redensart mehr ist, und ihre Bedeutung für unsre Wehrkraft zur See zu er¬ örtern, ist hier nicht der Ort — es genüge der Hinweis darauf; daß ihr aber wirksam durch Hebung unsrer Fischerei gesteuert werden dürfte, ließe sich leicht beweisen. Lohnende, ihren Mann ernährende Thätigkeit als Fischer ist der Port,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/557>, abgerufen am 26.08.2024.