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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Ware, in deren Eigentümlichkeit es liegt, daß sie meist eine lange Aufspeicherung
nicht verträgt. Also feste Abschlüsse mit den Direktionen der Eisenbahnen, damit
Landung der Ware, Verpackung und Versendung Schlag auf Schlag einander
folgen! Im Jahre 1878 sind allein in Ost- und Westpreußen, also einem
Gebiete, dessen Ertrag um Fischfleisch gegen den zu erzielenden einer energisch
gehobenen Hochseefischerei bedeutend zurücksteht, 2 38S 926 Kilo Fische durch die
Eisenbahn verschickt worden. Solche Zahlen sind wohl geeignet, auch die Her¬
stellung besondrer, mit Kühlungsvorrichtungen versehener Wagen als lohnend
erscheinen zu lassen. In Amerika bedient man sich ihrer bereits seit Jahren in
ausgedehnter Weise, und sie kommen dort auch dem Transporte andrer Artikel,
welche kühle Versendung verlangen, wie Fleisch, Milch, Butter 7c., zu statten.
In den Städten des Binnenlandes endlich würden zahlreiche feste Verkaufs¬
stellen sür die Seefische zu errichten sein. In vorzüglich eingerichteten Eis¬
schränken -- deren Konstruktion man angegeben finden wird -- ließe sich die
Ware tagelang frisch und schmackhaft erhalten und das Vorurteil der großen
Menge gegen tote Fische, das schon zu schwinden beginnt, würde sich bald
gänzlich verlieren, um einer lebhaften Nachfrage Platz zu machen. Auch Her¬
stellung von Fischkonserven, nach Analogie der Behandlung der Hummer z. B.,
würde sich empfehlen, ebenso wie-auch eine Verfeinerung und weitere Ausbildung
der übrigen Konservativnsmethoden, wie Salzen, Räuchern, Trocknen und Mari¬
niren, sich notwendigerweise ergeben würde. Endlich würde sich auch das An¬
legen großer Behälter an den Orten des Fanges zur Aufbewahrung lebender
Fische, die Errichtung großer Eishäuser nach amerikanischem Muster reichlich
lohnen, da sie den, je nach den Fängen stark schwankenden Preis der Fischware,
der auf den Absatz nicht günstig wirkt, stabiler machen könnten. Das alles
klingt freilich, als ob es schier uubeschasfbar sei, aber für andre ist es doch
auch beschaffbar gewesen, wir brauche" ja nicht vorzumachen, wir sollen nur
nachahmen, was andre Nationen uns gezeigt haben!

Wenn man bedenkt, wie zahllose Mengen guter und bester Nahrungsmittel
oder doch Verbrauchsgegenstände täglich den Fluten der See entrissen und ihr
zurückgegeben oder doch in unerhört verschwenderischer Weise vergeudet werden
und zu deren zweckentsprechender Verwendung eine verhältnismäßig nur kleine
Kapitalanlage genügen würde, so begreift man kaum, daß sie bis heute noch
nicht gemacht ist.

So kann die Qnappenleber an vielen Orten (z. B. Ruß und Laiblein) im
Winter zentnerweise gewonnen und zu kostbaren Delikatessen verarbeitet werden.
Jetzt geht sie nutzlos zu Grunde. Findet sich niemand, der sie nutzbar macht?
Bei Eckernförde werfen die Fischer die Flundern, Platen und Dorsche in Massen
weg, weil sie aus Mangel an Transportmitteln nicht verwertet werden können,
und behalten nur die Goldbutten (Schollen). Sollte es ganz unmöglich sein,
den so vergeudeten kostbaren Nahrungsstoff nützlich zu verwenden? Die geradezu


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Ware, in deren Eigentümlichkeit es liegt, daß sie meist eine lange Aufspeicherung
nicht verträgt. Also feste Abschlüsse mit den Direktionen der Eisenbahnen, damit
Landung der Ware, Verpackung und Versendung Schlag auf Schlag einander
folgen! Im Jahre 1878 sind allein in Ost- und Westpreußen, also einem
Gebiete, dessen Ertrag um Fischfleisch gegen den zu erzielenden einer energisch
gehobenen Hochseefischerei bedeutend zurücksteht, 2 38S 926 Kilo Fische durch die
Eisenbahn verschickt worden. Solche Zahlen sind wohl geeignet, auch die Her¬
stellung besondrer, mit Kühlungsvorrichtungen versehener Wagen als lohnend
erscheinen zu lassen. In Amerika bedient man sich ihrer bereits seit Jahren in
ausgedehnter Weise, und sie kommen dort auch dem Transporte andrer Artikel,
welche kühle Versendung verlangen, wie Fleisch, Milch, Butter 7c., zu statten.
In den Städten des Binnenlandes endlich würden zahlreiche feste Verkaufs¬
stellen sür die Seefische zu errichten sein. In vorzüglich eingerichteten Eis¬
schränken — deren Konstruktion man angegeben finden wird — ließe sich die
Ware tagelang frisch und schmackhaft erhalten und das Vorurteil der großen
Menge gegen tote Fische, das schon zu schwinden beginnt, würde sich bald
gänzlich verlieren, um einer lebhaften Nachfrage Platz zu machen. Auch Her¬
stellung von Fischkonserven, nach Analogie der Behandlung der Hummer z. B.,
würde sich empfehlen, ebenso wie-auch eine Verfeinerung und weitere Ausbildung
der übrigen Konservativnsmethoden, wie Salzen, Räuchern, Trocknen und Mari¬
niren, sich notwendigerweise ergeben würde. Endlich würde sich auch das An¬
legen großer Behälter an den Orten des Fanges zur Aufbewahrung lebender
Fische, die Errichtung großer Eishäuser nach amerikanischem Muster reichlich
lohnen, da sie den, je nach den Fängen stark schwankenden Preis der Fischware,
der auf den Absatz nicht günstig wirkt, stabiler machen könnten. Das alles
klingt freilich, als ob es schier uubeschasfbar sei, aber für andre ist es doch
auch beschaffbar gewesen, wir brauche« ja nicht vorzumachen, wir sollen nur
nachahmen, was andre Nationen uns gezeigt haben!

Wenn man bedenkt, wie zahllose Mengen guter und bester Nahrungsmittel
oder doch Verbrauchsgegenstände täglich den Fluten der See entrissen und ihr
zurückgegeben oder doch in unerhört verschwenderischer Weise vergeudet werden
und zu deren zweckentsprechender Verwendung eine verhältnismäßig nur kleine
Kapitalanlage genügen würde, so begreift man kaum, daß sie bis heute noch
nicht gemacht ist.

So kann die Qnappenleber an vielen Orten (z. B. Ruß und Laiblein) im
Winter zentnerweise gewonnen und zu kostbaren Delikatessen verarbeitet werden.
Jetzt geht sie nutzlos zu Grunde. Findet sich niemand, der sie nutzbar macht?
Bei Eckernförde werfen die Fischer die Flundern, Platen und Dorsche in Massen
weg, weil sie aus Mangel an Transportmitteln nicht verwertet werden können,
und behalten nur die Goldbutten (Schollen). Sollte es ganz unmöglich sein,
den so vergeudeten kostbaren Nahrungsstoff nützlich zu verwenden? Die geradezu


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[0556] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei. Ware, in deren Eigentümlichkeit es liegt, daß sie meist eine lange Aufspeicherung nicht verträgt. Also feste Abschlüsse mit den Direktionen der Eisenbahnen, damit Landung der Ware, Verpackung und Versendung Schlag auf Schlag einander folgen! Im Jahre 1878 sind allein in Ost- und Westpreußen, also einem Gebiete, dessen Ertrag um Fischfleisch gegen den zu erzielenden einer energisch gehobenen Hochseefischerei bedeutend zurücksteht, 2 38S 926 Kilo Fische durch die Eisenbahn verschickt worden. Solche Zahlen sind wohl geeignet, auch die Her¬ stellung besondrer, mit Kühlungsvorrichtungen versehener Wagen als lohnend erscheinen zu lassen. In Amerika bedient man sich ihrer bereits seit Jahren in ausgedehnter Weise, und sie kommen dort auch dem Transporte andrer Artikel, welche kühle Versendung verlangen, wie Fleisch, Milch, Butter 7c., zu statten. In den Städten des Binnenlandes endlich würden zahlreiche feste Verkaufs¬ stellen sür die Seefische zu errichten sein. In vorzüglich eingerichteten Eis¬ schränken — deren Konstruktion man angegeben finden wird — ließe sich die Ware tagelang frisch und schmackhaft erhalten und das Vorurteil der großen Menge gegen tote Fische, das schon zu schwinden beginnt, würde sich bald gänzlich verlieren, um einer lebhaften Nachfrage Platz zu machen. Auch Her¬ stellung von Fischkonserven, nach Analogie der Behandlung der Hummer z. B., würde sich empfehlen, ebenso wie-auch eine Verfeinerung und weitere Ausbildung der übrigen Konservativnsmethoden, wie Salzen, Räuchern, Trocknen und Mari¬ niren, sich notwendigerweise ergeben würde. Endlich würde sich auch das An¬ legen großer Behälter an den Orten des Fanges zur Aufbewahrung lebender Fische, die Errichtung großer Eishäuser nach amerikanischem Muster reichlich lohnen, da sie den, je nach den Fängen stark schwankenden Preis der Fischware, der auf den Absatz nicht günstig wirkt, stabiler machen könnten. Das alles klingt freilich, als ob es schier uubeschasfbar sei, aber für andre ist es doch auch beschaffbar gewesen, wir brauche« ja nicht vorzumachen, wir sollen nur nachahmen, was andre Nationen uns gezeigt haben! Wenn man bedenkt, wie zahllose Mengen guter und bester Nahrungsmittel oder doch Verbrauchsgegenstände täglich den Fluten der See entrissen und ihr zurückgegeben oder doch in unerhört verschwenderischer Weise vergeudet werden und zu deren zweckentsprechender Verwendung eine verhältnismäßig nur kleine Kapitalanlage genügen würde, so begreift man kaum, daß sie bis heute noch nicht gemacht ist. So kann die Qnappenleber an vielen Orten (z. B. Ruß und Laiblein) im Winter zentnerweise gewonnen und zu kostbaren Delikatessen verarbeitet werden. Jetzt geht sie nutzlos zu Grunde. Findet sich niemand, der sie nutzbar macht? Bei Eckernförde werfen die Fischer die Flundern, Platen und Dorsche in Massen weg, weil sie aus Mangel an Transportmitteln nicht verwertet werden können, und behalten nur die Goldbutten (Schollen). Sollte es ganz unmöglich sein, den so vergeudeten kostbaren Nahrungsstoff nützlich zu verwenden? Die geradezu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/556>, abgerufen am 26.08.2024.