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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

in einträgliche Muschelfarms, die alljährlich etwa eine Viertelmillion Franken
an Reingewinn ergeben sollen. Wieviel können wir durch Krebszucht, wieviel
durch die Zucht zahlreicher Fischarten auch aus den schlechtesten Gewässern noch
herauswirtschaften, wenn erst einmal die Wasserkultur sich aus den Anfängen,
in denen sie bei uns noch steckt, emporgearbeitet haben wird.

Schmerzlich ist es, zu erkennen, wieweit wir in der Pflege unsrer Gewässer
hinter andern Nationen zurückgeblieben sind, doppelt schmerzlich, wenn wir sehen,
daß die Entdeckung, auf welcher in erster Linie der kolossale Aufschwung, den
die rationelle Wasserkultur anderwärts genommen hat, von einem Deutschen ge¬
macht worden ist. Ich komme auf die künstliche Befruchtung des Fischlaichs
und damit auf die künstliche Fischzucht. Es war der Landwirt und Leutnant
Stephan Ludwig Jacobi, der schou im Jahre 1725 zuerst die künstliche Be¬
fruchtung des Forellenlaichs vornahm, und dessen Entdeckung in erster Linie
Amerikaner, Engländer und Franzosen sich zu Nutze gemacht haben. Endlich
haben anch wir, dank dem Eifer der unermüdlichen, leider nur viel zu wenig
materiell unterstützten Fischereivcreine, angefangen, sie zu verwerten. Die in
Hüningen im Elsaß gelegene, von Napoleon III. gegründete, nunmehr kaiserlich
deutsche Fischbrutanstalt und zahlreiche Privatunternehmen arbeiten daran, zu
der so wünschenswerten Bevölkerung unsrer Gewässer das Ihre zu thun.

Ohne Wirkung sind diese Bestrebungen auch bei uns nicht geblieben, doch
ist sie noch gering. Wie weit ist dagegen in Amerika die künstliche Fischzucht
gediehen! Seth Green, so berichtet Beta, ließ vor einigen Jahren hundert
Millionen befruchtete Aloseneier in den einzigen Conneeticutfluß säen. Der ähn¬
lich bestellte Lorenzostrom lieferte in einem Jahre für 600000, der Hudson für
eine Million Dollars dieser beliebten snaäs. Im Adirondackson züchtet man
Lachsforellen und erntet sie bis vierzig Pfund schwer. Forcllcnzuchtciustalten
erblühten in wahrhaft amerikanischer Fülle. Ainsworth wurde der Anreger für
mehr als hundert Forellenteiche allein im Staate Newhork. Dabei hat sich
ergeben, daß jedes Quellflttßchen mit nur einem Zoll Wasser für je hundert
Geviertzoll Raum, daß es nur immer fließt, jährlich bis 600000 Forellen¬
eier ausbrüten kann. Das Tausend kostet aber oft schon 100 Dollars, und so
zog Ainsworth aus einem vorher verachteten Flüßchen wirklich in einem Jahre
60000 Dollars!

Ließe sich ein ähnlicher Erfolg nicht auch in Deutschland erzielen? Was
ist der Grund, daß bei uns dergleichen nie gehen soll? In Irland legte man
l8S6 im Ballisodareflusse drei Lachslcitern an, Einrichtungen, welche dazu
dienen, den zum Laichen stromaufwärts steigenden Lachsen über zu hohe Gefälle,
die sie nicht zu überspringen vermögen, hinwegzuhelfen, während man ihn
gleichzeitig mit Lachsbrut besetzte. Im Jahre 1870 wurden bereits 9750 Lachse
im Werte von 300 Pfund Sterling gefangen. Die Anlage der Leitern kostete
etwa 1000 Pfd. Se., und heute bringt allein die Angelzucht 5- bis 6000 Pfd. Se.


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

in einträgliche Muschelfarms, die alljährlich etwa eine Viertelmillion Franken
an Reingewinn ergeben sollen. Wieviel können wir durch Krebszucht, wieviel
durch die Zucht zahlreicher Fischarten auch aus den schlechtesten Gewässern noch
herauswirtschaften, wenn erst einmal die Wasserkultur sich aus den Anfängen,
in denen sie bei uns noch steckt, emporgearbeitet haben wird.

Schmerzlich ist es, zu erkennen, wieweit wir in der Pflege unsrer Gewässer
hinter andern Nationen zurückgeblieben sind, doppelt schmerzlich, wenn wir sehen,
daß die Entdeckung, auf welcher in erster Linie der kolossale Aufschwung, den
die rationelle Wasserkultur anderwärts genommen hat, von einem Deutschen ge¬
macht worden ist. Ich komme auf die künstliche Befruchtung des Fischlaichs
und damit auf die künstliche Fischzucht. Es war der Landwirt und Leutnant
Stephan Ludwig Jacobi, der schou im Jahre 1725 zuerst die künstliche Be¬
fruchtung des Forellenlaichs vornahm, und dessen Entdeckung in erster Linie
Amerikaner, Engländer und Franzosen sich zu Nutze gemacht haben. Endlich
haben anch wir, dank dem Eifer der unermüdlichen, leider nur viel zu wenig
materiell unterstützten Fischereivcreine, angefangen, sie zu verwerten. Die in
Hüningen im Elsaß gelegene, von Napoleon III. gegründete, nunmehr kaiserlich
deutsche Fischbrutanstalt und zahlreiche Privatunternehmen arbeiten daran, zu
der so wünschenswerten Bevölkerung unsrer Gewässer das Ihre zu thun.

Ohne Wirkung sind diese Bestrebungen auch bei uns nicht geblieben, doch
ist sie noch gering. Wie weit ist dagegen in Amerika die künstliche Fischzucht
gediehen! Seth Green, so berichtet Beta, ließ vor einigen Jahren hundert
Millionen befruchtete Aloseneier in den einzigen Conneeticutfluß säen. Der ähn¬
lich bestellte Lorenzostrom lieferte in einem Jahre für 600000, der Hudson für
eine Million Dollars dieser beliebten snaäs. Im Adirondackson züchtet man
Lachsforellen und erntet sie bis vierzig Pfund schwer. Forcllcnzuchtciustalten
erblühten in wahrhaft amerikanischer Fülle. Ainsworth wurde der Anreger für
mehr als hundert Forellenteiche allein im Staate Newhork. Dabei hat sich
ergeben, daß jedes Quellflttßchen mit nur einem Zoll Wasser für je hundert
Geviertzoll Raum, daß es nur immer fließt, jährlich bis 600000 Forellen¬
eier ausbrüten kann. Das Tausend kostet aber oft schon 100 Dollars, und so
zog Ainsworth aus einem vorher verachteten Flüßchen wirklich in einem Jahre
60000 Dollars!

Ließe sich ein ähnlicher Erfolg nicht auch in Deutschland erzielen? Was
ist der Grund, daß bei uns dergleichen nie gehen soll? In Irland legte man
l8S6 im Ballisodareflusse drei Lachslcitern an, Einrichtungen, welche dazu
dienen, den zum Laichen stromaufwärts steigenden Lachsen über zu hohe Gefälle,
die sie nicht zu überspringen vermögen, hinwegzuhelfen, während man ihn
gleichzeitig mit Lachsbrut besetzte. Im Jahre 1870 wurden bereits 9750 Lachse
im Werte von 300 Pfund Sterling gefangen. Die Anlage der Leitern kostete
etwa 1000 Pfd. Se., und heute bringt allein die Angelzucht 5- bis 6000 Pfd. Se.


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[0551] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei. in einträgliche Muschelfarms, die alljährlich etwa eine Viertelmillion Franken an Reingewinn ergeben sollen. Wieviel können wir durch Krebszucht, wieviel durch die Zucht zahlreicher Fischarten auch aus den schlechtesten Gewässern noch herauswirtschaften, wenn erst einmal die Wasserkultur sich aus den Anfängen, in denen sie bei uns noch steckt, emporgearbeitet haben wird. Schmerzlich ist es, zu erkennen, wieweit wir in der Pflege unsrer Gewässer hinter andern Nationen zurückgeblieben sind, doppelt schmerzlich, wenn wir sehen, daß die Entdeckung, auf welcher in erster Linie der kolossale Aufschwung, den die rationelle Wasserkultur anderwärts genommen hat, von einem Deutschen ge¬ macht worden ist. Ich komme auf die künstliche Befruchtung des Fischlaichs und damit auf die künstliche Fischzucht. Es war der Landwirt und Leutnant Stephan Ludwig Jacobi, der schou im Jahre 1725 zuerst die künstliche Be¬ fruchtung des Forellenlaichs vornahm, und dessen Entdeckung in erster Linie Amerikaner, Engländer und Franzosen sich zu Nutze gemacht haben. Endlich haben anch wir, dank dem Eifer der unermüdlichen, leider nur viel zu wenig materiell unterstützten Fischereivcreine, angefangen, sie zu verwerten. Die in Hüningen im Elsaß gelegene, von Napoleon III. gegründete, nunmehr kaiserlich deutsche Fischbrutanstalt und zahlreiche Privatunternehmen arbeiten daran, zu der so wünschenswerten Bevölkerung unsrer Gewässer das Ihre zu thun. Ohne Wirkung sind diese Bestrebungen auch bei uns nicht geblieben, doch ist sie noch gering. Wie weit ist dagegen in Amerika die künstliche Fischzucht gediehen! Seth Green, so berichtet Beta, ließ vor einigen Jahren hundert Millionen befruchtete Aloseneier in den einzigen Conneeticutfluß säen. Der ähn¬ lich bestellte Lorenzostrom lieferte in einem Jahre für 600000, der Hudson für eine Million Dollars dieser beliebten snaäs. Im Adirondackson züchtet man Lachsforellen und erntet sie bis vierzig Pfund schwer. Forcllcnzuchtciustalten erblühten in wahrhaft amerikanischer Fülle. Ainsworth wurde der Anreger für mehr als hundert Forellenteiche allein im Staate Newhork. Dabei hat sich ergeben, daß jedes Quellflttßchen mit nur einem Zoll Wasser für je hundert Geviertzoll Raum, daß es nur immer fließt, jährlich bis 600000 Forellen¬ eier ausbrüten kann. Das Tausend kostet aber oft schon 100 Dollars, und so zog Ainsworth aus einem vorher verachteten Flüßchen wirklich in einem Jahre 60000 Dollars! Ließe sich ein ähnlicher Erfolg nicht auch in Deutschland erzielen? Was ist der Grund, daß bei uns dergleichen nie gehen soll? In Irland legte man l8S6 im Ballisodareflusse drei Lachslcitern an, Einrichtungen, welche dazu dienen, den zum Laichen stromaufwärts steigenden Lachsen über zu hohe Gefälle, die sie nicht zu überspringen vermögen, hinwegzuhelfen, während man ihn gleichzeitig mit Lachsbrut besetzte. Im Jahre 1870 wurden bereits 9750 Lachse im Werte von 300 Pfund Sterling gefangen. Die Anlage der Leitern kostete etwa 1000 Pfd. Se., und heute bringt allein die Angelzucht 5- bis 6000 Pfd. Se.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/551>, abgerufen am 25.08.2024.