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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei.

er gefangen wird, welchen erdenklichen Nutzen kann es gewähren, wenn wir zu¬
gleich mit den laichenden Fischen auch die nicht im Laichgeschäfte begriffenen
sorgsam schonen? Im Gegenteil, bei der bekannten Vorliebe fast aller Fische
für den Laich der andern zwingen wir geradezu eine Menge derselben, denen bei
ven plötzlich unterbrochenen Fange ihrer Kameraden und der dadurch gesteigerten
Konkurrenz ihr sonstiges Futter zu knapp wird, sich mit der willkommenen leckern
Nachkommenschaft ihrer hochzeitlich gestimmten Verwandten zu mästen, ein Re¬
sultat, das denn doch kaum in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben dürfte.

So sind es denn gewichtige Bedenken, die man gegen diesen Punkt der
neuen Fischereigesetzgebung geltend machen kann und auch schon häufig geltend
gemacht hat. Die Regierung will wohl erst einige Zeit vergehen lassen, damit
sich die Meinungen klären und die Stimmen sammeln können. Möge denn
später wenigstens bei einer erneuten Revision des einschlagenden Gesetzes die
ersehnte Remedur nicht ausbleiben!

Sehr verdient würde sich der Staat auch machen, wenn es ihm gelänge,
auf internationalem Wege Maßregeln gegen eine verderbliche Raubfischerei zu¬
stande zu bringen. So wäre dies vor allem dringend wünschenswert gegenüber
der unerhörten Rücksichtslosigkeit, mit welcher die Holländer unsern Nheinlachs
schädigen. Versuche zur Abhilfe sind schon mehrfach gemacht worden, leider bis
jetzt vergeblich.

Aber ist denn wirklich die Hebung unsrer Binnenfischerei von solcher Be¬
deutung, daß energische Aktionen, wie die geforderten, sich lohnen würden?

Nach Metzgers statistischen Untersuchungen und Bcneckes Berechnungen dürfte
der Ertrag der Binnenfischerei in unsern wasserreichsten Provinzen, den Provinzen
Ost- und Westpreußen, etwa auf 1^ Millionen Mark anzuschlagen sein. In
Frankreich, wo Volk und Regierung sich in höherm Grade einer wirtschaftlichen
Ausbeutung der Gewässer zugewandt haben, betrug schon 1857 der Reingewinn
der Binnenfischerei etwa 20 Millionen! Wie hoch mag er zur Zeit sich ge¬
steigert haben, wie hoch könnten wir, bei größerm Wasserreichtum, den Ertrag
unsrer Fischerei noch steigern, jetzt, wo die Theorie der Bewirtschaftung so weit
gediehen ist! Aber Unternehmungsgeist müssen wir freilich besitzen, Unterneh¬
mungsgeist, der zugreift und nicht erwartet, daß ihm die gebratenen Tauben in
den Mund fliegen!

Wo Wasser ist, da ist auch Leben. In jedem Teiche, in jedem Tümpel
wimmelt es von Organismen aller Art, tausende und abertauscnde von Orga¬
nismen vollenden hier den Kreislauf ihres Daseins -- nutzlos für den Menschen.
Und doch lassen sie sich alle überleiten in den Strom der menschlichen Existenz,
wenn wir es nur verstehen, das Ungenießbare in genießbare Form zu verwan¬
deln. Das faulende Wasser ftagnirender Tümpel, die "us die Luft verpesten,
selbst dieses können wir uns nutzbar machen. Der Jrländer Walton verwan¬
delte schon vor Jahrhunderten in Frankreich sumpfige Strecken von Gewässern


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei.

er gefangen wird, welchen erdenklichen Nutzen kann es gewähren, wenn wir zu¬
gleich mit den laichenden Fischen auch die nicht im Laichgeschäfte begriffenen
sorgsam schonen? Im Gegenteil, bei der bekannten Vorliebe fast aller Fische
für den Laich der andern zwingen wir geradezu eine Menge derselben, denen bei
ven plötzlich unterbrochenen Fange ihrer Kameraden und der dadurch gesteigerten
Konkurrenz ihr sonstiges Futter zu knapp wird, sich mit der willkommenen leckern
Nachkommenschaft ihrer hochzeitlich gestimmten Verwandten zu mästen, ein Re¬
sultat, das denn doch kaum in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben dürfte.

So sind es denn gewichtige Bedenken, die man gegen diesen Punkt der
neuen Fischereigesetzgebung geltend machen kann und auch schon häufig geltend
gemacht hat. Die Regierung will wohl erst einige Zeit vergehen lassen, damit
sich die Meinungen klären und die Stimmen sammeln können. Möge denn
später wenigstens bei einer erneuten Revision des einschlagenden Gesetzes die
ersehnte Remedur nicht ausbleiben!

Sehr verdient würde sich der Staat auch machen, wenn es ihm gelänge,
auf internationalem Wege Maßregeln gegen eine verderbliche Raubfischerei zu¬
stande zu bringen. So wäre dies vor allem dringend wünschenswert gegenüber
der unerhörten Rücksichtslosigkeit, mit welcher die Holländer unsern Nheinlachs
schädigen. Versuche zur Abhilfe sind schon mehrfach gemacht worden, leider bis
jetzt vergeblich.

Aber ist denn wirklich die Hebung unsrer Binnenfischerei von solcher Be¬
deutung, daß energische Aktionen, wie die geforderten, sich lohnen würden?

Nach Metzgers statistischen Untersuchungen und Bcneckes Berechnungen dürfte
der Ertrag der Binnenfischerei in unsern wasserreichsten Provinzen, den Provinzen
Ost- und Westpreußen, etwa auf 1^ Millionen Mark anzuschlagen sein. In
Frankreich, wo Volk und Regierung sich in höherm Grade einer wirtschaftlichen
Ausbeutung der Gewässer zugewandt haben, betrug schon 1857 der Reingewinn
der Binnenfischerei etwa 20 Millionen! Wie hoch mag er zur Zeit sich ge¬
steigert haben, wie hoch könnten wir, bei größerm Wasserreichtum, den Ertrag
unsrer Fischerei noch steigern, jetzt, wo die Theorie der Bewirtschaftung so weit
gediehen ist! Aber Unternehmungsgeist müssen wir freilich besitzen, Unterneh¬
mungsgeist, der zugreift und nicht erwartet, daß ihm die gebratenen Tauben in
den Mund fliegen!

Wo Wasser ist, da ist auch Leben. In jedem Teiche, in jedem Tümpel
wimmelt es von Organismen aller Art, tausende und abertauscnde von Orga¬
nismen vollenden hier den Kreislauf ihres Daseins — nutzlos für den Menschen.
Und doch lassen sie sich alle überleiten in den Strom der menschlichen Existenz,
wenn wir es nur verstehen, das Ungenießbare in genießbare Form zu verwan¬
deln. Das faulende Wasser ftagnirender Tümpel, die »us die Luft verpesten,
selbst dieses können wir uns nutzbar machen. Der Jrländer Walton verwan¬
delte schon vor Jahrhunderten in Frankreich sumpfige Strecken von Gewässern


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[0550] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei. er gefangen wird, welchen erdenklichen Nutzen kann es gewähren, wenn wir zu¬ gleich mit den laichenden Fischen auch die nicht im Laichgeschäfte begriffenen sorgsam schonen? Im Gegenteil, bei der bekannten Vorliebe fast aller Fische für den Laich der andern zwingen wir geradezu eine Menge derselben, denen bei ven plötzlich unterbrochenen Fange ihrer Kameraden und der dadurch gesteigerten Konkurrenz ihr sonstiges Futter zu knapp wird, sich mit der willkommenen leckern Nachkommenschaft ihrer hochzeitlich gestimmten Verwandten zu mästen, ein Re¬ sultat, das denn doch kaum in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben dürfte. So sind es denn gewichtige Bedenken, die man gegen diesen Punkt der neuen Fischereigesetzgebung geltend machen kann und auch schon häufig geltend gemacht hat. Die Regierung will wohl erst einige Zeit vergehen lassen, damit sich die Meinungen klären und die Stimmen sammeln können. Möge denn später wenigstens bei einer erneuten Revision des einschlagenden Gesetzes die ersehnte Remedur nicht ausbleiben! Sehr verdient würde sich der Staat auch machen, wenn es ihm gelänge, auf internationalem Wege Maßregeln gegen eine verderbliche Raubfischerei zu¬ stande zu bringen. So wäre dies vor allem dringend wünschenswert gegenüber der unerhörten Rücksichtslosigkeit, mit welcher die Holländer unsern Nheinlachs schädigen. Versuche zur Abhilfe sind schon mehrfach gemacht worden, leider bis jetzt vergeblich. Aber ist denn wirklich die Hebung unsrer Binnenfischerei von solcher Be¬ deutung, daß energische Aktionen, wie die geforderten, sich lohnen würden? Nach Metzgers statistischen Untersuchungen und Bcneckes Berechnungen dürfte der Ertrag der Binnenfischerei in unsern wasserreichsten Provinzen, den Provinzen Ost- und Westpreußen, etwa auf 1^ Millionen Mark anzuschlagen sein. In Frankreich, wo Volk und Regierung sich in höherm Grade einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Gewässer zugewandt haben, betrug schon 1857 der Reingewinn der Binnenfischerei etwa 20 Millionen! Wie hoch mag er zur Zeit sich ge¬ steigert haben, wie hoch könnten wir, bei größerm Wasserreichtum, den Ertrag unsrer Fischerei noch steigern, jetzt, wo die Theorie der Bewirtschaftung so weit gediehen ist! Aber Unternehmungsgeist müssen wir freilich besitzen, Unterneh¬ mungsgeist, der zugreift und nicht erwartet, daß ihm die gebratenen Tauben in den Mund fliegen! Wo Wasser ist, da ist auch Leben. In jedem Teiche, in jedem Tümpel wimmelt es von Organismen aller Art, tausende und abertauscnde von Orga¬ nismen vollenden hier den Kreislauf ihres Daseins — nutzlos für den Menschen. Und doch lassen sie sich alle überleiten in den Strom der menschlichen Existenz, wenn wir es nur verstehen, das Ungenießbare in genießbare Form zu verwan¬ deln. Das faulende Wasser ftagnirender Tümpel, die »us die Luft verpesten, selbst dieses können wir uns nutzbar machen. Der Jrländer Walton verwan¬ delte schon vor Jahrhunderten in Frankreich sumpfige Strecken von Gewässern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/550>, abgerufen am 25.08.2024.