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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei.

Erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit hat man wieder angefangen, auch in
Deutschland der ungeheuern volkswirtschaftlichen Bedeutung einer rationellen
Fischerei, ja der Fischerei überhaupt Beachtung zu schenken. stetig sich mehrende
Klagen über den Rückgang der Fischerträge, vornehmlich der Binnenfischerei,
gaben wohl den ersten Anlaß dazu und haben dadurch einen in mancher Be¬
ziehung vielleicht zu konstatirenden Mangel in ihrer Berechtigung reichlich auf¬
gewogen.

In frühern Zeiten, so hört man klagen, hatten die Fischer überreichlicher
Gewinn. Zum Beweise wird angeführt, daß man vordem oft den Ertrag eines
einzigen glücklichen Fischzuges nicht habe verwerten können. Noch vor einigen
Jahrzehnten seien Lachse z. B. in so ungeheurer Menge gefangen worden, daß
man sie geradezu habe vergraben müssen, und was dergleichen mehr ist. Die
Klagenden bedenken aber nicht, wie ungeheuer sich gerade in der neuesten Zeit
alle Verhältnisse geändert haben, und daß dies naturgemäß auch bei denen der
Fall ist, die sich auf die Fischerei beziehen.

Vor noch nicht langer Zeit blieb bei der vielfach noch mangelhaften
Technik in der Konservirung, bei den so äußerst unzulänglichen Verkehrs- und
Transportmitteln die Konsumtion des meist frisch genossenen Fischfleisches vor¬
wiegend auf die Bewohner der nächstumliegeudcn Distrikte beschränkt, und es
stellte sich einem großen Angebote eine verhältnismäßig geringe Nachfrage ent¬
gegen. Wie sehr ist jetzt die Sachlage geändert! Die Fischereibevölkerung, damals
von ihrem Gewerbe reichlich sich nährend, hat sich wie jede andre im Laufe der
Zeit vermehrt, stellenweise ist sie auf das Doppelte gestiegen, und eine im übrigen
gleichgebliebene Ausbeute muß sich auf mehrere Partizipienten verteilen. Ver¬
besserte PostVerbindungen, Dampfer und Eisenbahnen machen auch der Binncn-
bcvölkerung den Genuß frischen Fischfleisches möglich; gehen doch die Lachse
unsrer nördlichsten Gewässer bis nach Paris! So hat sich die Nachfrage
wesentlich erhöht, und es ist leicht erklärlich, wem" dieser gesteigerten Nachfrage
gegenüber auch ein in der That sich gleichgebliebenes Angebot als vermindert
erscheint.

Die Klagen über den Rückgang der Fischerei sind auch keineswegs neu.
Schon im sechzehnten Jahrhundert kann man ihnen begegnen, und 1784 sagt
Bock in seiner Naturgeschichte: "Daß der Segen von Fischen allhier abnehme,
bestätigen alle, welche eine fünfzigjährige Erfahrung hinter sich haben." Es
dürfte somit die "gute alte Zeit" bei diesen Klagen wohl auch die Hand im
Spiele haben. Ferne jedoch sei es mir, deshalb die große Berechtigung der¬
selben etwa in Abrede stellen zu wollen. Das vertrüge sich mit den That¬
sachen schlecht.

Infolge einer unsinnigen Raubsischerei, mit welcher die Fischer zum Teil
in ihr eignes Fleisch wüten, haben sich einzelne Fischgattungen in erschreckender
Weise vermindert, was kaum zu verwundern ist. Mußte doch nach einer Notiz


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei.

Erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit hat man wieder angefangen, auch in
Deutschland der ungeheuern volkswirtschaftlichen Bedeutung einer rationellen
Fischerei, ja der Fischerei überhaupt Beachtung zu schenken. stetig sich mehrende
Klagen über den Rückgang der Fischerträge, vornehmlich der Binnenfischerei,
gaben wohl den ersten Anlaß dazu und haben dadurch einen in mancher Be¬
ziehung vielleicht zu konstatirenden Mangel in ihrer Berechtigung reichlich auf¬
gewogen.

In frühern Zeiten, so hört man klagen, hatten die Fischer überreichlicher
Gewinn. Zum Beweise wird angeführt, daß man vordem oft den Ertrag eines
einzigen glücklichen Fischzuges nicht habe verwerten können. Noch vor einigen
Jahrzehnten seien Lachse z. B. in so ungeheurer Menge gefangen worden, daß
man sie geradezu habe vergraben müssen, und was dergleichen mehr ist. Die
Klagenden bedenken aber nicht, wie ungeheuer sich gerade in der neuesten Zeit
alle Verhältnisse geändert haben, und daß dies naturgemäß auch bei denen der
Fall ist, die sich auf die Fischerei beziehen.

Vor noch nicht langer Zeit blieb bei der vielfach noch mangelhaften
Technik in der Konservirung, bei den so äußerst unzulänglichen Verkehrs- und
Transportmitteln die Konsumtion des meist frisch genossenen Fischfleisches vor¬
wiegend auf die Bewohner der nächstumliegeudcn Distrikte beschränkt, und es
stellte sich einem großen Angebote eine verhältnismäßig geringe Nachfrage ent¬
gegen. Wie sehr ist jetzt die Sachlage geändert! Die Fischereibevölkerung, damals
von ihrem Gewerbe reichlich sich nährend, hat sich wie jede andre im Laufe der
Zeit vermehrt, stellenweise ist sie auf das Doppelte gestiegen, und eine im übrigen
gleichgebliebene Ausbeute muß sich auf mehrere Partizipienten verteilen. Ver¬
besserte PostVerbindungen, Dampfer und Eisenbahnen machen auch der Binncn-
bcvölkerung den Genuß frischen Fischfleisches möglich; gehen doch die Lachse
unsrer nördlichsten Gewässer bis nach Paris! So hat sich die Nachfrage
wesentlich erhöht, und es ist leicht erklärlich, wem» dieser gesteigerten Nachfrage
gegenüber auch ein in der That sich gleichgebliebenes Angebot als vermindert
erscheint.

Die Klagen über den Rückgang der Fischerei sind auch keineswegs neu.
Schon im sechzehnten Jahrhundert kann man ihnen begegnen, und 1784 sagt
Bock in seiner Naturgeschichte: „Daß der Segen von Fischen allhier abnehme,
bestätigen alle, welche eine fünfzigjährige Erfahrung hinter sich haben." Es
dürfte somit die „gute alte Zeit" bei diesen Klagen wohl auch die Hand im
Spiele haben. Ferne jedoch sei es mir, deshalb die große Berechtigung der¬
selben etwa in Abrede stellen zu wollen. Das vertrüge sich mit den That¬
sachen schlecht.

Infolge einer unsinnigen Raubsischerei, mit welcher die Fischer zum Teil
in ihr eignes Fleisch wüten, haben sich einzelne Fischgattungen in erschreckender
Weise vermindert, was kaum zu verwundern ist. Mußte doch nach einer Notiz


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[0546] Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lischerei. Erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit hat man wieder angefangen, auch in Deutschland der ungeheuern volkswirtschaftlichen Bedeutung einer rationellen Fischerei, ja der Fischerei überhaupt Beachtung zu schenken. stetig sich mehrende Klagen über den Rückgang der Fischerträge, vornehmlich der Binnenfischerei, gaben wohl den ersten Anlaß dazu und haben dadurch einen in mancher Be¬ ziehung vielleicht zu konstatirenden Mangel in ihrer Berechtigung reichlich auf¬ gewogen. In frühern Zeiten, so hört man klagen, hatten die Fischer überreichlicher Gewinn. Zum Beweise wird angeführt, daß man vordem oft den Ertrag eines einzigen glücklichen Fischzuges nicht habe verwerten können. Noch vor einigen Jahrzehnten seien Lachse z. B. in so ungeheurer Menge gefangen worden, daß man sie geradezu habe vergraben müssen, und was dergleichen mehr ist. Die Klagenden bedenken aber nicht, wie ungeheuer sich gerade in der neuesten Zeit alle Verhältnisse geändert haben, und daß dies naturgemäß auch bei denen der Fall ist, die sich auf die Fischerei beziehen. Vor noch nicht langer Zeit blieb bei der vielfach noch mangelhaften Technik in der Konservirung, bei den so äußerst unzulänglichen Verkehrs- und Transportmitteln die Konsumtion des meist frisch genossenen Fischfleisches vor¬ wiegend auf die Bewohner der nächstumliegeudcn Distrikte beschränkt, und es stellte sich einem großen Angebote eine verhältnismäßig geringe Nachfrage ent¬ gegen. Wie sehr ist jetzt die Sachlage geändert! Die Fischereibevölkerung, damals von ihrem Gewerbe reichlich sich nährend, hat sich wie jede andre im Laufe der Zeit vermehrt, stellenweise ist sie auf das Doppelte gestiegen, und eine im übrigen gleichgebliebene Ausbeute muß sich auf mehrere Partizipienten verteilen. Ver¬ besserte PostVerbindungen, Dampfer und Eisenbahnen machen auch der Binncn- bcvölkerung den Genuß frischen Fischfleisches möglich; gehen doch die Lachse unsrer nördlichsten Gewässer bis nach Paris! So hat sich die Nachfrage wesentlich erhöht, und es ist leicht erklärlich, wem» dieser gesteigerten Nachfrage gegenüber auch ein in der That sich gleichgebliebenes Angebot als vermindert erscheint. Die Klagen über den Rückgang der Fischerei sind auch keineswegs neu. Schon im sechzehnten Jahrhundert kann man ihnen begegnen, und 1784 sagt Bock in seiner Naturgeschichte: „Daß der Segen von Fischen allhier abnehme, bestätigen alle, welche eine fünfzigjährige Erfahrung hinter sich haben." Es dürfte somit die „gute alte Zeit" bei diesen Klagen wohl auch die Hand im Spiele haben. Ferne jedoch sei es mir, deshalb die große Berechtigung der¬ selben etwa in Abrede stellen zu wollen. Das vertrüge sich mit den That¬ sachen schlecht. Infolge einer unsinnigen Raubsischerei, mit welcher die Fischer zum Teil in ihr eignes Fleisch wüten, haben sich einzelne Fischgattungen in erschreckender Weise vermindert, was kaum zu verwundern ist. Mußte doch nach einer Notiz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/546>, abgerufen am 25.08.2024.