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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Geschöpfe zu macheu, das ist die Aufgabe, die er sich gestellt hat und die er
mit der Zeit durch emsige Bemühung auch zu lösen imstande sein wird.

Freilich, daß wir jemals, auch bei der vorläufig denkbar besten Bewirt-
schaftung und Ausnutzung der Gewässer soweit gelangen sollte" wie bei einer
vollendeten Kultur unsers mütterlichen Landes, das liegt, wenn es überhaupt
möglich ist, in graucster Zukunft. Alle die überschwänglichen Lobgesänge auf
die unsagbare Fruchtbarkeit des Meeres und -- worauf es uns zunächst an¬
kommt -- auf ihre Nutzbarkeit für den Menschen sind eher geeignet, eine augen¬
blickliche Begeisterung für die Hebung der verborgnen Schätze der See wie
Strohfeuer aufflackern und wieder zusammensinken zu lassen, als zu einer
Thätigkeit anzuspornen. Da soll nach der unglaublich übertriebenen Angabe
einer Kommission des englischen Parlaments ein Acre See in der Woche
30V Zentner Fischfleisch liefern können, was derselbe Raum gut bebauten Landes
erst in einem Jahre an Rindfleisch zu liefern imstande ist. Das Land ist unsre
Mutter, ist unser bestes Ackerfeld und wird es mich wohl bleiben. Was die
Triften der See anlangt, so ist das höchste, was wir anstreben können, eine
möglichst vollendete "Viehzucht"; Viehzucht ist aber von dem Ideal der Nutzbar¬
machung der Naturerzeugnisse für den Menschen sehr weit entfernt. Jede Existenz,
die sich einschiebt zwischen die erste Erzeugung organischen Lebens und den
Menschen, macht Ansprüche sür sich selbst. Im Interesse der Vermenschlichung
der Substanz aber, wenn ich so sagen darf, liegt es offenbar, diese Zwischen¬
existenzen aus dem Kreislaufe des Lebens thunlichst auszuschalten. Reinster
Vegetariauismus ist das letzte Endziel aller Volkswirtschaft, sofern sie mit
Nahrungsfragcn sich beschäftigt; ja in letzter Instanz, wenn wir vielleicht un¬
gezählte Jahrtausende der Zukunft im Gedanken zu überfliegen uns nicht scheuen,
sogar die Ausschaltung auch des pflanzliche" Lebens aus dem Stvffnmlaufe
der Natur. Daß wir diesem Ideale aber auf dem mütterlichen festen Lande
viel eher nachstreben können als auf den Triften des Ozeans, liegt klar zu Tage.

So sollten schon Erwägungen dieser Art genügen, um uns vor allzu über-
schwcinglichen Hoffnungen und Behauptungen zu wahren. Und vornehmlich der
letztern bedürfen wir nicht einmal. Denn was der Boden der See der intensiven
Ausnutzung durch den Menschen vorenthält, das giebt er reichlich wieder oder
wird es doch geben durch die ungeheure Ausdehnung seiner Fläche. Hensen
berechnet den Ertrag der Ostsee auf ein Fünftel des fruchtbarsten Landes, und
dabei sind es sieben Millionen Quadratmeilen Weidetriften des Meeres und,
wenn an Ausdehnung dagegen auch verschwindend gering, so doch durch gleich-
müßigere Fruchtbarkeit und die Möglichkeit vollständiger Ausnutzung wichtig,
weit ausgedehnte Flächen unsrer Ströme, Flüsse, Seen, Teiche und Tümpel,
in welche wir unsre Zuchtfische als Fouragicre der menschlichen Gesellschaft
senden können, und es ist ein erhebender Gedanke, wenn wir uns vorstellen,
daß sie beladen mit den lebenspendenden Schätzen unzugänglicher Tiefen in unsre
Hände zurückkehren.


Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Fischerei.

Geschöpfe zu macheu, das ist die Aufgabe, die er sich gestellt hat und die er
mit der Zeit durch emsige Bemühung auch zu lösen imstande sein wird.

Freilich, daß wir jemals, auch bei der vorläufig denkbar besten Bewirt-
schaftung und Ausnutzung der Gewässer soweit gelangen sollte» wie bei einer
vollendeten Kultur unsers mütterlichen Landes, das liegt, wenn es überhaupt
möglich ist, in graucster Zukunft. Alle die überschwänglichen Lobgesänge auf
die unsagbare Fruchtbarkeit des Meeres und — worauf es uns zunächst an¬
kommt — auf ihre Nutzbarkeit für den Menschen sind eher geeignet, eine augen¬
blickliche Begeisterung für die Hebung der verborgnen Schätze der See wie
Strohfeuer aufflackern und wieder zusammensinken zu lassen, als zu einer
Thätigkeit anzuspornen. Da soll nach der unglaublich übertriebenen Angabe
einer Kommission des englischen Parlaments ein Acre See in der Woche
30V Zentner Fischfleisch liefern können, was derselbe Raum gut bebauten Landes
erst in einem Jahre an Rindfleisch zu liefern imstande ist. Das Land ist unsre
Mutter, ist unser bestes Ackerfeld und wird es mich wohl bleiben. Was die
Triften der See anlangt, so ist das höchste, was wir anstreben können, eine
möglichst vollendete „Viehzucht"; Viehzucht ist aber von dem Ideal der Nutzbar¬
machung der Naturerzeugnisse für den Menschen sehr weit entfernt. Jede Existenz,
die sich einschiebt zwischen die erste Erzeugung organischen Lebens und den
Menschen, macht Ansprüche sür sich selbst. Im Interesse der Vermenschlichung
der Substanz aber, wenn ich so sagen darf, liegt es offenbar, diese Zwischen¬
existenzen aus dem Kreislaufe des Lebens thunlichst auszuschalten. Reinster
Vegetariauismus ist das letzte Endziel aller Volkswirtschaft, sofern sie mit
Nahrungsfragcn sich beschäftigt; ja in letzter Instanz, wenn wir vielleicht un¬
gezählte Jahrtausende der Zukunft im Gedanken zu überfliegen uns nicht scheuen,
sogar die Ausschaltung auch des pflanzliche» Lebens aus dem Stvffnmlaufe
der Natur. Daß wir diesem Ideale aber auf dem mütterlichen festen Lande
viel eher nachstreben können als auf den Triften des Ozeans, liegt klar zu Tage.

So sollten schon Erwägungen dieser Art genügen, um uns vor allzu über-
schwcinglichen Hoffnungen und Behauptungen zu wahren. Und vornehmlich der
letztern bedürfen wir nicht einmal. Denn was der Boden der See der intensiven
Ausnutzung durch den Menschen vorenthält, das giebt er reichlich wieder oder
wird es doch geben durch die ungeheure Ausdehnung seiner Fläche. Hensen
berechnet den Ertrag der Ostsee auf ein Fünftel des fruchtbarsten Landes, und
dabei sind es sieben Millionen Quadratmeilen Weidetriften des Meeres und,
wenn an Ausdehnung dagegen auch verschwindend gering, so doch durch gleich-
müßigere Fruchtbarkeit und die Möglichkeit vollständiger Ausnutzung wichtig,
weit ausgedehnte Flächen unsrer Ströme, Flüsse, Seen, Teiche und Tümpel,
in welche wir unsre Zuchtfische als Fouragicre der menschlichen Gesellschaft
senden können, und es ist ein erhebender Gedanke, wenn wir uns vorstellen,
daß sie beladen mit den lebenspendenden Schätzen unzugänglicher Tiefen in unsre
Hände zurückkehren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/545>, abgerufen am 25.08.2024.