Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Notizen, Gottes eigner Ordnung und Befehl mit Gut und Blut zu dienen schuldig ist." Selbstverständlich fehlen in einem solchen Lichtbilde auch die Schattenseiten Wir haben bereits unser Bedauern ausgesprochen, daß der Tod den Verfasser Notizen, Gottes eigner Ordnung und Befehl mit Gut und Blut zu dienen schuldig ist." Selbstverständlich fehlen in einem solchen Lichtbilde auch die Schattenseiten Wir haben bereits unser Bedauern ausgesprochen, daß der Tod den Verfasser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0534" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155417"/> <fw type="header" place="top"> Notizen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_2164" prev="#ID_2163"> Gottes eigner Ordnung und Befehl mit Gut und Blut zu dienen schuldig ist."<lb/> Friedrich Wilhelm I. ist es gewesen, der bereits im Jahre 1717 die allgemeine<lb/> Schulpflicht einführte und bestimmte, daß bei mangelndem Vermögen das Schul¬<lb/> geld aus der Ortsarmenkasse entrichtet werden sollte. Friedrich Wilhelm I. hat<lb/> nicht nnr die Leibeigenschaft auf den eignen und Dvmanialgütern abgeschafft, sondern<lb/> auch die Lage der Unterthanen nach Möglichkeit erleichtert und die „Banern-<lb/> plackercien und Schindereien" sowohl von seiten der Beamten wie der Gntsherr-<lb/> schaften aufs nachdrücklichste niedergehalten. Aber — wir sehen, daß wir fast<lb/> im Begriffe sind, unsre Aufgabe zu überschreiten und in eine Geschichte des Königs<lb/> selbst überzugehen. Es mag daher noch hervorgehoben werden, daß nicht zum<lb/> geringsten Teile die Rechtspflege diesem Herrscher eine vollständige Reformation<lb/> verdankt, die freilich erst unter dessen großem Sohne zu Ende geführt werden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2165"> Selbstverständlich fehlen in einem solchen Lichtbilde auch die Schattenseiten<lb/> nicht. Die große Vorliebe des Königs für das Militär hatte zur Folge, daß das<lb/> militärische Element namentlich durch die Versorgung in den subalternen Posten<lb/> überwucherte und infolge dessen eine größere Rücksichtslosigkeit und Rauheit eintrat,<lb/> als sie der Dienst an sich nötig gemacht hätte, eine aus der strengsten Pflicht¬<lb/> erfüllung hervorgehende Schroffheit, die noch heute in deu neueren Provinzen und<lb/> in Elsaß-Lothringen den preußischen Beamten nicht immer die Liebe der Regierten<lb/> erwirbt. Auch verschmähte es der König nicht, die Tüchtigkeit des Bewerbers<lb/> vorausgesetzt, unter gleichen Petenten demjenigen den Vorzug zu geben, der das<lb/> Meiste für die „Rekrutenkasse" zahlte. Aber diese dunkeln Flecke werden von dem<lb/> Glänze des Gesamtbildes überstrahlt. Das Beamtentum, welches Friedrich<lb/> Wilhelm I. geschaffen hat, verstand es, jeden persönlichen Wunsch, jede Bequemlich¬<lb/> keit, jede private Neigung und Überzeugung dem in der Person des Königs sich<lb/> verkörpernden Staate unterzuordnen und setzte mit erhebenden Bewußtsein und<lb/> mit Begeisterung für König und Vaterland seine besten Kräfte ein. Aus dieser<lb/> Pflanzschule erprobter Männer nahm auch König Friedrich seine Paladine und seine<lb/> Minister, und es ist das schönste Zeugnis für den Vater, daß auch sein Sohn,<lb/> den Mit- und Nachwelt als den Großen und Einzigen bewundert, mit denselben<lb/> Gehilfen auf den vorgezeichneten Bahnen des Vaters wciterschritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2166"> Wir haben bereits unser Bedauern ausgesprochen, daß der Tod den Verfasser<lb/> ereilte, ehe er sein Werk bis in die Gegenwart fortsetzen konnte. Freilich würde<lb/> seine Forschung gerade an der nächsten Gegenwart ihre Grenze gefunden haben.<lb/> Denn es kann sich nicht darum handeln, bloß eine Darstellung der Ämtcrorganisation<lb/> zu geben, sondern auch im ganzen wie im einzelnen die Thätigkeit und den Charakter<lb/> des gesamten Beamtentums zu schildern. Hier bildet aber die Einführung des<lb/> konstitutionellen Regiments einen tiefen Einschnitt, und eine Schilderung, welche<lb/> bis in diese Gegenwart reicht, würde nicht mehr der Geschichte, sondern dem<lb/> Staatsrecht und der Politik angehören müssen. Vermöge der Eigenartigkeit unsers<lb/> Staatsrechts sind wir Gott sei Dank davor bewahrt geblieben, daß die Beamten<lb/> — wie in den Parlamentarischen Ländern —, anstatt Diener des Königs und<lb/> Staats zu bleiben, zu Kreaturen der wechselnden Parlainentsmehrhcit geworden<lb/> sind. Nichtsdestoweniger ist das Beamtcntnm von dem Einfluß des Parlamen¬<lb/> tarismus und des öffentlichen Lebens nicht ganz verschont geblieben — aber diese<lb/> Wirkungen darzulegen, liegt heute abseits von unserm Wege. Uns genügt die<lb/> Hoffnung, daß auch die heutigen Hohenzollern noch in den Fußtapfen ihrer großen<lb/> Ahnen wandeln, und diese Hoffnung birgt eine kostbare Garantie für das preußische<lb/> Beamtentum der Gegenwart und der Zukunft in sich.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0534]
Notizen,
Gottes eigner Ordnung und Befehl mit Gut und Blut zu dienen schuldig ist."
Friedrich Wilhelm I. ist es gewesen, der bereits im Jahre 1717 die allgemeine
Schulpflicht einführte und bestimmte, daß bei mangelndem Vermögen das Schul¬
geld aus der Ortsarmenkasse entrichtet werden sollte. Friedrich Wilhelm I. hat
nicht nnr die Leibeigenschaft auf den eignen und Dvmanialgütern abgeschafft, sondern
auch die Lage der Unterthanen nach Möglichkeit erleichtert und die „Banern-
plackercien und Schindereien" sowohl von seiten der Beamten wie der Gntsherr-
schaften aufs nachdrücklichste niedergehalten. Aber — wir sehen, daß wir fast
im Begriffe sind, unsre Aufgabe zu überschreiten und in eine Geschichte des Königs
selbst überzugehen. Es mag daher noch hervorgehoben werden, daß nicht zum
geringsten Teile die Rechtspflege diesem Herrscher eine vollständige Reformation
verdankt, die freilich erst unter dessen großem Sohne zu Ende geführt werden konnte.
Selbstverständlich fehlen in einem solchen Lichtbilde auch die Schattenseiten
nicht. Die große Vorliebe des Königs für das Militär hatte zur Folge, daß das
militärische Element namentlich durch die Versorgung in den subalternen Posten
überwucherte und infolge dessen eine größere Rücksichtslosigkeit und Rauheit eintrat,
als sie der Dienst an sich nötig gemacht hätte, eine aus der strengsten Pflicht¬
erfüllung hervorgehende Schroffheit, die noch heute in deu neueren Provinzen und
in Elsaß-Lothringen den preußischen Beamten nicht immer die Liebe der Regierten
erwirbt. Auch verschmähte es der König nicht, die Tüchtigkeit des Bewerbers
vorausgesetzt, unter gleichen Petenten demjenigen den Vorzug zu geben, der das
Meiste für die „Rekrutenkasse" zahlte. Aber diese dunkeln Flecke werden von dem
Glänze des Gesamtbildes überstrahlt. Das Beamtentum, welches Friedrich
Wilhelm I. geschaffen hat, verstand es, jeden persönlichen Wunsch, jede Bequemlich¬
keit, jede private Neigung und Überzeugung dem in der Person des Königs sich
verkörpernden Staate unterzuordnen und setzte mit erhebenden Bewußtsein und
mit Begeisterung für König und Vaterland seine besten Kräfte ein. Aus dieser
Pflanzschule erprobter Männer nahm auch König Friedrich seine Paladine und seine
Minister, und es ist das schönste Zeugnis für den Vater, daß auch sein Sohn,
den Mit- und Nachwelt als den Großen und Einzigen bewundert, mit denselben
Gehilfen auf den vorgezeichneten Bahnen des Vaters wciterschritt.
Wir haben bereits unser Bedauern ausgesprochen, daß der Tod den Verfasser
ereilte, ehe er sein Werk bis in die Gegenwart fortsetzen konnte. Freilich würde
seine Forschung gerade an der nächsten Gegenwart ihre Grenze gefunden haben.
Denn es kann sich nicht darum handeln, bloß eine Darstellung der Ämtcrorganisation
zu geben, sondern auch im ganzen wie im einzelnen die Thätigkeit und den Charakter
des gesamten Beamtentums zu schildern. Hier bildet aber die Einführung des
konstitutionellen Regiments einen tiefen Einschnitt, und eine Schilderung, welche
bis in diese Gegenwart reicht, würde nicht mehr der Geschichte, sondern dem
Staatsrecht und der Politik angehören müssen. Vermöge der Eigenartigkeit unsers
Staatsrechts sind wir Gott sei Dank davor bewahrt geblieben, daß die Beamten
— wie in den Parlamentarischen Ländern —, anstatt Diener des Königs und
Staats zu bleiben, zu Kreaturen der wechselnden Parlainentsmehrhcit geworden
sind. Nichtsdestoweniger ist das Beamtcntnm von dem Einfluß des Parlamen¬
tarismus und des öffentlichen Lebens nicht ganz verschont geblieben — aber diese
Wirkungen darzulegen, liegt heute abseits von unserm Wege. Uns genügt die
Hoffnung, daß auch die heutigen Hohenzollern noch in den Fußtapfen ihrer großen
Ahnen wandeln, und diese Hoffnung birgt eine kostbare Garantie für das preußische
Beamtentum der Gegenwart und der Zukunft in sich.
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