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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

liebes Gesicht machen. Zweifelst du aber daran, daß er dir gern zu Willen
sein würde? Er sieht uns doch sonst alles an den Augen ab. Wie sollte er
denn unserm Lieblingswünsche sich hartnäckig widersetzen?

Kaspar Benedikt schüttelte bedenklich den Kopf. Das will wenigstens sehr
ernstlich überlegt sein, sagte er.

Nach einer Weile begann Fran Anna von neuem. Wir waren damals
hier kaum erst warm geworden, sagte sie, und ich hatte daher einen viel un-
günstigern Stand, als du jetzt hast. Aufrichtig gesagt, wir gehörten nicht ganz
hierher. Ich weiß, du verstehst mich nicht falsch. Für meinen Geschmack warst
du mir ohne Orden und ohne Vou-Titel ganz so lieb wie mit diesen Auszeich¬
nungen. Aber schlechtweg Herr Hartig -- du warst selbst der Meinung, es
gehe nicht länger. Jetzt hat dir deine splendide Schenkung für das bewußte
Lehrerinnen-Asyl den Adel eingetragen, und die Leute haben überdies gesehen,
daß du nach wie vor derselbe einfache Mann geblieben bist -- sage selbst, hast
dn durch alles dies nicht das Recht erworben, von einem höhern Hügel Um¬
schau zu halten als damals ich?

Wir wollen die Sache im stillen weiter überlegen, sagte der Fabrikant,
denn das immer noch ziemlich sanguinische Temperament seiner Frau brauchte,
wie er wußte, einige Dämpfer, wenn es nicht zu Übereilungen verführen sollte.

Schon am nächsten Tage hatte aber Frau Anna, nachdem sie hie und da
auf Visiten umhergefahren war, eine Liste von zwölf jungen Personen ans der
näheren wie aus der ferneren Nachbarschaft zusammengestellt, und ehe noch
Kaspar Benedikt die Brille zum Lesen des Registers hervorholen konnte, war
schon ihr Bleistift geschäftig, um durch allerlei Kreuze, Nullen und Fragezeichen
ihre Ansichten über die vorgeschlagenen Brautschaftskandidatinnen noch deut¬
licher, als dies schon gleichzeitig mündlich geschah, zu präzisiren.

Du bist doch eine wahre Dampfbarkasse! suchte sich Kaspar Benedikt zur
Wehr zu setzen.

Es sind ja nur kleine Winke, um dir die Sache leichter zu machen, be¬
gütigte Frau Anna.

Es waren nicht lauter adliche Fräulein auf der Wahlliste zu lesen; aber
bei den nichtadlichen vermißte man die Kreuze.

Dies ist reiner Zufall, erläuterte Frau Anna, und überhaupt du weißt,
was dir gefällt, gefällt mir auch; nur vergiß nicht, daß wir keine Jünglinge
mehr sind. Sollen wir von unsern Enkelzimmern endlich etwas Lärm und
Tribulatiou haben, so müssen wir uns sputen.

Immer mit Hochdruck! lächelte Kaspar Benedikt, und begab sich zum ruhige"
Überdenken der ihm so plötzlich überkommenen Kommission ans sein Zimmer.




Auf der Leiter des Glücks.

liebes Gesicht machen. Zweifelst du aber daran, daß er dir gern zu Willen
sein würde? Er sieht uns doch sonst alles an den Augen ab. Wie sollte er
denn unserm Lieblingswünsche sich hartnäckig widersetzen?

Kaspar Benedikt schüttelte bedenklich den Kopf. Das will wenigstens sehr
ernstlich überlegt sein, sagte er.

Nach einer Weile begann Fran Anna von neuem. Wir waren damals
hier kaum erst warm geworden, sagte sie, und ich hatte daher einen viel un-
günstigern Stand, als du jetzt hast. Aufrichtig gesagt, wir gehörten nicht ganz
hierher. Ich weiß, du verstehst mich nicht falsch. Für meinen Geschmack warst
du mir ohne Orden und ohne Vou-Titel ganz so lieb wie mit diesen Auszeich¬
nungen. Aber schlechtweg Herr Hartig — du warst selbst der Meinung, es
gehe nicht länger. Jetzt hat dir deine splendide Schenkung für das bewußte
Lehrerinnen-Asyl den Adel eingetragen, und die Leute haben überdies gesehen,
daß du nach wie vor derselbe einfache Mann geblieben bist — sage selbst, hast
dn durch alles dies nicht das Recht erworben, von einem höhern Hügel Um¬
schau zu halten als damals ich?

Wir wollen die Sache im stillen weiter überlegen, sagte der Fabrikant,
denn das immer noch ziemlich sanguinische Temperament seiner Frau brauchte,
wie er wußte, einige Dämpfer, wenn es nicht zu Übereilungen verführen sollte.

Schon am nächsten Tage hatte aber Frau Anna, nachdem sie hie und da
auf Visiten umhergefahren war, eine Liste von zwölf jungen Personen ans der
näheren wie aus der ferneren Nachbarschaft zusammengestellt, und ehe noch
Kaspar Benedikt die Brille zum Lesen des Registers hervorholen konnte, war
schon ihr Bleistift geschäftig, um durch allerlei Kreuze, Nullen und Fragezeichen
ihre Ansichten über die vorgeschlagenen Brautschaftskandidatinnen noch deut¬
licher, als dies schon gleichzeitig mündlich geschah, zu präzisiren.

Du bist doch eine wahre Dampfbarkasse! suchte sich Kaspar Benedikt zur
Wehr zu setzen.

Es sind ja nur kleine Winke, um dir die Sache leichter zu machen, be¬
gütigte Frau Anna.

Es waren nicht lauter adliche Fräulein auf der Wahlliste zu lesen; aber
bei den nichtadlichen vermißte man die Kreuze.

Dies ist reiner Zufall, erläuterte Frau Anna, und überhaupt du weißt,
was dir gefällt, gefällt mir auch; nur vergiß nicht, daß wir keine Jünglinge
mehr sind. Sollen wir von unsern Enkelzimmern endlich etwas Lärm und
Tribulatiou haben, so müssen wir uns sputen.

Immer mit Hochdruck! lächelte Kaspar Benedikt, und begab sich zum ruhige»
Überdenken der ihm so plötzlich überkommenen Kommission ans sein Zimmer.




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[0529] Auf der Leiter des Glücks. liebes Gesicht machen. Zweifelst du aber daran, daß er dir gern zu Willen sein würde? Er sieht uns doch sonst alles an den Augen ab. Wie sollte er denn unserm Lieblingswünsche sich hartnäckig widersetzen? Kaspar Benedikt schüttelte bedenklich den Kopf. Das will wenigstens sehr ernstlich überlegt sein, sagte er. Nach einer Weile begann Fran Anna von neuem. Wir waren damals hier kaum erst warm geworden, sagte sie, und ich hatte daher einen viel un- günstigern Stand, als du jetzt hast. Aufrichtig gesagt, wir gehörten nicht ganz hierher. Ich weiß, du verstehst mich nicht falsch. Für meinen Geschmack warst du mir ohne Orden und ohne Vou-Titel ganz so lieb wie mit diesen Auszeich¬ nungen. Aber schlechtweg Herr Hartig — du warst selbst der Meinung, es gehe nicht länger. Jetzt hat dir deine splendide Schenkung für das bewußte Lehrerinnen-Asyl den Adel eingetragen, und die Leute haben überdies gesehen, daß du nach wie vor derselbe einfache Mann geblieben bist — sage selbst, hast dn durch alles dies nicht das Recht erworben, von einem höhern Hügel Um¬ schau zu halten als damals ich? Wir wollen die Sache im stillen weiter überlegen, sagte der Fabrikant, denn das immer noch ziemlich sanguinische Temperament seiner Frau brauchte, wie er wußte, einige Dämpfer, wenn es nicht zu Übereilungen verführen sollte. Schon am nächsten Tage hatte aber Frau Anna, nachdem sie hie und da auf Visiten umhergefahren war, eine Liste von zwölf jungen Personen ans der näheren wie aus der ferneren Nachbarschaft zusammengestellt, und ehe noch Kaspar Benedikt die Brille zum Lesen des Registers hervorholen konnte, war schon ihr Bleistift geschäftig, um durch allerlei Kreuze, Nullen und Fragezeichen ihre Ansichten über die vorgeschlagenen Brautschaftskandidatinnen noch deut¬ licher, als dies schon gleichzeitig mündlich geschah, zu präzisiren. Du bist doch eine wahre Dampfbarkasse! suchte sich Kaspar Benedikt zur Wehr zu setzen. Es sind ja nur kleine Winke, um dir die Sache leichter zu machen, be¬ gütigte Frau Anna. Es waren nicht lauter adliche Fräulein auf der Wahlliste zu lesen; aber bei den nichtadlichen vermißte man die Kreuze. Dies ist reiner Zufall, erläuterte Frau Anna, und überhaupt du weißt, was dir gefällt, gefällt mir auch; nur vergiß nicht, daß wir keine Jünglinge mehr sind. Sollen wir von unsern Enkelzimmern endlich etwas Lärm und Tribulatiou haben, so müssen wir uns sputen. Immer mit Hochdruck! lächelte Kaspar Benedikt, und begab sich zum ruhige» Überdenken der ihm so plötzlich überkommenen Kommission ans sein Zimmer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/529>, abgerufen am 02.07.2024.