Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem preußischen Landtage,

würde, und nicht dazu dienen würde, dem Frieden, den wir nicht von einem Jahre
zum andern haben wallen, sondern von dem wir uns eine längere Dauer versprechen,
förderlich zu sein. Der päpstliche Stuhl ist absolut frei, weil weder bei der Ablehnung
ein Nachteil, noch bei der Zusage ein Vorteil versprochen worden ist. Der preu¬
ßische Staat hat seine Stellung eingenommen, und von den gegenwärtigen Minister"
wird keiner, wenn an ihn die Frage herantreten sollte, eine Begnadiguugsordre
der beiden Bischöfe unterschreiben." Ein Begnadigungsgesuch des Erzbischofs
Melchers vom Jahre 1882 ist bereits abgewiesen worden. Der Minister er¬
klärte weiter, daß Verhandlungen in der Absicht, ein Konkordat oder ein formal
giltiges Übereinkommen zustande zu bringen, von der Staatsregierung niemals
würden geführt werden. Die Negierung habe durch Wiedererrichtung der Ge¬
sandtschaft beim Papste den Beweis geliefert, daß sie gern in Fühlung mit dein
Oberhaupte der katholischen Kirche bleiben wolle, aber sie habe niemals Kon¬
zessionen verlangt, im Gegenteil stets erklärt, entschlossen zu sein, auf dem
Gebiete der Verwaltung der katholischen Kirche alles das zu gewähren, was
ohne Schädigung staatlicher Interessen gegeben werden könne. Diese entschiedene
Sprache hat die Klerikalen aus allen ihren Illusionen gerissen; sie glaubten
sich so nahe am Ziele und frohlockten schon im Geiste, von der Regierung
rühmen zu können: is-näMlitsr Sö subjöoit, und nun mußten sie vernehmen,
daß die beiden stolzesten Vertreter der kämpfenden Kirche, denen nach klerikaler
Anschauung in erster Linie das Verdienst gebührt, den Kulturkampf auf die
Spitze getrieben und die Gemüter bis zum Fanatismus erregt zu habe", von
dem Frieden ausgeschlossen werden. Die klaren Worte des Herrn von Goßler,
an denen kein Disteln und Deuteln etwas abzuschwächen vermag, haben auf
die Herren Windthorst und Genossen mächtig gewirkt, sie waren ganz "dc-
evntenaneirt," und die "Germania" ließ sich voller Bestürzung vernehmen, daß
die "Ära Falk" wieder in die Erscheinung trete. Die Erklärung des Herrn
Windthorst, daß er und seine Freunde bereit seien, eher alles zu dulden, als
auch nur ein Jota von den Forderungen bezüglich der kirchlichen Freiheiten
abzulassen, hat vollkommen des beabsichtigten Eindrucks verfehlt; das Zentrum
wird sich wohl oder übel darein finden müssen, daß über die von der Negierung
gezogenen Linien hinaus eine Verständigung nicht zu haben ist, und daß es
seine Positiv" untergräbt, wenn es ernstlich daran denken sollte, die "demo¬
kratische Fahne" aufzupflanzen, wie ein klerikales Blatt gedroht hat. Die Be¬
hauptung, welche der Abgeordnete für Meppen wieder aufgestellt hat, daß
Kirche und Staat gleichmäßig souverän seien, wird vom Staate niemals an¬
erkannt werden. Solange der Papst souveräner Herr des Kirchenstaates war,
konnte man in ihm einen Souverän anerkennen, mit dem Verschwinden des
clomwium töinxoiÄö hat aber auch die Souveränctüt des Nachfolgers Petri
aufgehört; die Kirche als solche ist niemals von den staatlichen Gewalten als
souveräne Macht betrachtet worden.


Aus dem preußischen Landtage,

würde, und nicht dazu dienen würde, dem Frieden, den wir nicht von einem Jahre
zum andern haben wallen, sondern von dem wir uns eine längere Dauer versprechen,
förderlich zu sein. Der päpstliche Stuhl ist absolut frei, weil weder bei der Ablehnung
ein Nachteil, noch bei der Zusage ein Vorteil versprochen worden ist. Der preu¬
ßische Staat hat seine Stellung eingenommen, und von den gegenwärtigen Minister»
wird keiner, wenn an ihn die Frage herantreten sollte, eine Begnadiguugsordre
der beiden Bischöfe unterschreiben." Ein Begnadigungsgesuch des Erzbischofs
Melchers vom Jahre 1882 ist bereits abgewiesen worden. Der Minister er¬
klärte weiter, daß Verhandlungen in der Absicht, ein Konkordat oder ein formal
giltiges Übereinkommen zustande zu bringen, von der Staatsregierung niemals
würden geführt werden. Die Negierung habe durch Wiedererrichtung der Ge¬
sandtschaft beim Papste den Beweis geliefert, daß sie gern in Fühlung mit dein
Oberhaupte der katholischen Kirche bleiben wolle, aber sie habe niemals Kon¬
zessionen verlangt, im Gegenteil stets erklärt, entschlossen zu sein, auf dem
Gebiete der Verwaltung der katholischen Kirche alles das zu gewähren, was
ohne Schädigung staatlicher Interessen gegeben werden könne. Diese entschiedene
Sprache hat die Klerikalen aus allen ihren Illusionen gerissen; sie glaubten
sich so nahe am Ziele und frohlockten schon im Geiste, von der Regierung
rühmen zu können: is-näMlitsr Sö subjöoit, und nun mußten sie vernehmen,
daß die beiden stolzesten Vertreter der kämpfenden Kirche, denen nach klerikaler
Anschauung in erster Linie das Verdienst gebührt, den Kulturkampf auf die
Spitze getrieben und die Gemüter bis zum Fanatismus erregt zu habe», von
dem Frieden ausgeschlossen werden. Die klaren Worte des Herrn von Goßler,
an denen kein Disteln und Deuteln etwas abzuschwächen vermag, haben auf
die Herren Windthorst und Genossen mächtig gewirkt, sie waren ganz „dc-
evntenaneirt," und die „Germania" ließ sich voller Bestürzung vernehmen, daß
die „Ära Falk" wieder in die Erscheinung trete. Die Erklärung des Herrn
Windthorst, daß er und seine Freunde bereit seien, eher alles zu dulden, als
auch nur ein Jota von den Forderungen bezüglich der kirchlichen Freiheiten
abzulassen, hat vollkommen des beabsichtigten Eindrucks verfehlt; das Zentrum
wird sich wohl oder übel darein finden müssen, daß über die von der Negierung
gezogenen Linien hinaus eine Verständigung nicht zu haben ist, und daß es
seine Positiv» untergräbt, wenn es ernstlich daran denken sollte, die „demo¬
kratische Fahne" aufzupflanzen, wie ein klerikales Blatt gedroht hat. Die Be¬
hauptung, welche der Abgeordnete für Meppen wieder aufgestellt hat, daß
Kirche und Staat gleichmäßig souverän seien, wird vom Staate niemals an¬
erkannt werden. Solange der Papst souveräner Herr des Kirchenstaates war,
konnte man in ihm einen Souverän anerkennen, mit dem Verschwinden des
clomwium töinxoiÄö hat aber auch die Souveränctüt des Nachfolgers Petri
aufgehört; die Kirche als solche ist niemals von den staatlichen Gewalten als
souveräne Macht betrachtet worden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155355"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem preußischen Landtage,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1871" prev="#ID_1870"> würde, und nicht dazu dienen würde, dem Frieden, den wir nicht von einem Jahre<lb/>
zum andern haben wallen, sondern von dem wir uns eine längere Dauer versprechen,<lb/>
förderlich zu sein. Der päpstliche Stuhl ist absolut frei, weil weder bei der Ablehnung<lb/>
ein Nachteil, noch bei der Zusage ein Vorteil versprochen worden ist. Der preu¬<lb/>
ßische Staat hat seine Stellung eingenommen, und von den gegenwärtigen Minister»<lb/>
wird keiner, wenn an ihn die Frage herantreten sollte, eine Begnadiguugsordre<lb/>
der beiden Bischöfe unterschreiben." Ein Begnadigungsgesuch des Erzbischofs<lb/>
Melchers vom Jahre 1882 ist bereits abgewiesen worden. Der Minister er¬<lb/>
klärte weiter, daß Verhandlungen in der Absicht, ein Konkordat oder ein formal<lb/>
giltiges Übereinkommen zustande zu bringen, von der Staatsregierung niemals<lb/>
würden geführt werden. Die Negierung habe durch Wiedererrichtung der Ge¬<lb/>
sandtschaft beim Papste den Beweis geliefert, daß sie gern in Fühlung mit dein<lb/>
Oberhaupte der katholischen Kirche bleiben wolle, aber sie habe niemals Kon¬<lb/>
zessionen verlangt, im Gegenteil stets erklärt, entschlossen zu sein, auf dem<lb/>
Gebiete der Verwaltung der katholischen Kirche alles das zu gewähren, was<lb/>
ohne Schädigung staatlicher Interessen gegeben werden könne. Diese entschiedene<lb/>
Sprache hat die Klerikalen aus allen ihren Illusionen gerissen; sie glaubten<lb/>
sich so nahe am Ziele und frohlockten schon im Geiste, von der Regierung<lb/>
rühmen zu können: is-näMlitsr Sö subjöoit, und nun mußten sie vernehmen,<lb/>
daß die beiden stolzesten Vertreter der kämpfenden Kirche, denen nach klerikaler<lb/>
Anschauung in erster Linie das Verdienst gebührt, den Kulturkampf auf die<lb/>
Spitze getrieben und die Gemüter bis zum Fanatismus erregt zu habe», von<lb/>
dem Frieden ausgeschlossen werden. Die klaren Worte des Herrn von Goßler,<lb/>
an denen kein Disteln und Deuteln etwas abzuschwächen vermag, haben auf<lb/>
die Herren Windthorst und Genossen mächtig gewirkt, sie waren ganz &#x201E;dc-<lb/>
evntenaneirt," und die &#x201E;Germania" ließ sich voller Bestürzung vernehmen, daß<lb/>
die &#x201E;Ära Falk" wieder in die Erscheinung trete. Die Erklärung des Herrn<lb/>
Windthorst, daß er und seine Freunde bereit seien, eher alles zu dulden, als<lb/>
auch nur ein Jota von den Forderungen bezüglich der kirchlichen Freiheiten<lb/>
abzulassen, hat vollkommen des beabsichtigten Eindrucks verfehlt; das Zentrum<lb/>
wird sich wohl oder übel darein finden müssen, daß über die von der Negierung<lb/>
gezogenen Linien hinaus eine Verständigung nicht zu haben ist, und daß es<lb/>
seine Positiv» untergräbt, wenn es ernstlich daran denken sollte, die &#x201E;demo¬<lb/>
kratische Fahne" aufzupflanzen, wie ein klerikales Blatt gedroht hat. Die Be¬<lb/>
hauptung, welche der Abgeordnete für Meppen wieder aufgestellt hat, daß<lb/>
Kirche und Staat gleichmäßig souverän seien, wird vom Staate niemals an¬<lb/>
erkannt werden. Solange der Papst souveräner Herr des Kirchenstaates war,<lb/>
konnte man in ihm einen Souverän anerkennen, mit dem Verschwinden des<lb/>
clomwium töinxoiÄö hat aber auch die Souveränctüt des Nachfolgers Petri<lb/>
aufgehört; die Kirche als solche ist niemals von den staatlichen Gewalten als<lb/>
souveräne Macht betrachtet worden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] Aus dem preußischen Landtage, würde, und nicht dazu dienen würde, dem Frieden, den wir nicht von einem Jahre zum andern haben wallen, sondern von dem wir uns eine längere Dauer versprechen, förderlich zu sein. Der päpstliche Stuhl ist absolut frei, weil weder bei der Ablehnung ein Nachteil, noch bei der Zusage ein Vorteil versprochen worden ist. Der preu¬ ßische Staat hat seine Stellung eingenommen, und von den gegenwärtigen Minister» wird keiner, wenn an ihn die Frage herantreten sollte, eine Begnadiguugsordre der beiden Bischöfe unterschreiben." Ein Begnadigungsgesuch des Erzbischofs Melchers vom Jahre 1882 ist bereits abgewiesen worden. Der Minister er¬ klärte weiter, daß Verhandlungen in der Absicht, ein Konkordat oder ein formal giltiges Übereinkommen zustande zu bringen, von der Staatsregierung niemals würden geführt werden. Die Negierung habe durch Wiedererrichtung der Ge¬ sandtschaft beim Papste den Beweis geliefert, daß sie gern in Fühlung mit dein Oberhaupte der katholischen Kirche bleiben wolle, aber sie habe niemals Kon¬ zessionen verlangt, im Gegenteil stets erklärt, entschlossen zu sein, auf dem Gebiete der Verwaltung der katholischen Kirche alles das zu gewähren, was ohne Schädigung staatlicher Interessen gegeben werden könne. Diese entschiedene Sprache hat die Klerikalen aus allen ihren Illusionen gerissen; sie glaubten sich so nahe am Ziele und frohlockten schon im Geiste, von der Regierung rühmen zu können: is-näMlitsr Sö subjöoit, und nun mußten sie vernehmen, daß die beiden stolzesten Vertreter der kämpfenden Kirche, denen nach klerikaler Anschauung in erster Linie das Verdienst gebührt, den Kulturkampf auf die Spitze getrieben und die Gemüter bis zum Fanatismus erregt zu habe», von dem Frieden ausgeschlossen werden. Die klaren Worte des Herrn von Goßler, an denen kein Disteln und Deuteln etwas abzuschwächen vermag, haben auf die Herren Windthorst und Genossen mächtig gewirkt, sie waren ganz „dc- evntenaneirt," und die „Germania" ließ sich voller Bestürzung vernehmen, daß die „Ära Falk" wieder in die Erscheinung trete. Die Erklärung des Herrn Windthorst, daß er und seine Freunde bereit seien, eher alles zu dulden, als auch nur ein Jota von den Forderungen bezüglich der kirchlichen Freiheiten abzulassen, hat vollkommen des beabsichtigten Eindrucks verfehlt; das Zentrum wird sich wohl oder übel darein finden müssen, daß über die von der Negierung gezogenen Linien hinaus eine Verständigung nicht zu haben ist, und daß es seine Positiv» untergräbt, wenn es ernstlich daran denken sollte, die „demo¬ kratische Fahne" aufzupflanzen, wie ein klerikales Blatt gedroht hat. Die Be¬ hauptung, welche der Abgeordnete für Meppen wieder aufgestellt hat, daß Kirche und Staat gleichmäßig souverän seien, wird vom Staate niemals an¬ erkannt werden. Solange der Papst souveräner Herr des Kirchenstaates war, konnte man in ihm einen Souverän anerkennen, mit dem Verschwinden des clomwium töinxoiÄö hat aber auch die Souveränctüt des Nachfolgers Petri aufgehört; die Kirche als solche ist niemals von den staatlichen Gewalten als souveräne Macht betrachtet worden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/472>, abgerufen am 04.07.2024.