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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die deutsche Universität?-Entwicklung in den letzten fünfzig Jahren.

Hinter der zunehmenden Frequenz der Universitäten ist der Besuch der
technischen Hochschulen in seinem Wachstum nicht zurückgeblieben. Von 3588
in der Periode 1868/72 ist die Zahl der Studirenden an sämtlichen deutschen
Hochschulen auf 5062 in der Periode 1877/78 bis 1881/82 gestiegen. Die
Grttndcrperiode insbesondre trug zur Steigerung bei, denn in der Periode
1872/73 bis 1876/77 gab eS durchschnittlich 6039 Studirende. Dagegen
betrug der Durchschnitt der Semester 1881/82 nur 4226. Eine Vergleichung
der Frequenz beider Institute, der Universitäten und der technischen Hochschulen,
lehrt, daß die der erstern stärker zugenommen hat. Setzt man die Frequenz
der Semester 1868/69 gleich 100, so stieg dieselbe bis 1881/82 bei den Uni¬
versitäten ans 169, bei den technischen Hochschulen auf 126. Allerdings wies
der Durchschnitt der Jahre 1876/77 bei den letztem bereits eine Steigerung
auf 196 nach, während bei den Universitäten ein Rückschlag zu Tage trat.

Es versteht sich von selbst, daß neben den Lernenden die Zahl der
Lehrenden an den Universitäten sich ebenfalls erheblich vergrößern mußte. So
ist denn auch die Zahl derselben, die im Jahre 1835 sich auf 1186 bezifferte,
bis zum Jahre 1880 auf 1809 gewachsen, d. h. während in der ersten Periode
auf einen Dozenten noch nicht ganz 10 Studenten kamen, hatte in der letzten
ein Dozent 12 Zuhörer im Durchschnitt. Conrad hält diese Zunahme für eine
der Studenteufreqncnz entsprechende, indes scheint, sofern es überhaupt möglich
ist. aus dieser Durchschnittsziffer Schlüsse zu ziehen, much eine andre Auffassung
gestattet. Hütte man die Möglichkeit, die Lehr- oder Lernmasse zu überblicken,
d. h. die Zahl der Vorlesungen, Übungen ?e., die gehalten werden, worauf der
Verfasser wegen den entgegenstehenden Schwicngkciten nicht hat eingehen können,
so würde sich vielleicht ein Mißverhältnis zwischen der Zahl der Dozenten und
ihren Leistungen herausstelle". Auf die Übungen, Seminarien, Kollegien u. tgi. in.
pflegt der moderne Universitätsunterricht mit Recht großes Gewicht zu legen,
und bei diesen muß ein größerer Zudrang notwendigerweise die Wirksamkeit des
Unterrichts beeinträchtigen. Dazu kommt, daß der Durchschnitt von 12 Studenten
auf einen Dozenten die bei den einzelnen Fakultäten oder Wissenschaften vor¬
handenen Differenzen nicht andeuten kann.

So kam in der philosophischen Fakultät im Jahre 1835 ein Dozent auf
4.53, im Jahre 1880 auf 8,72 Zuhörer, in der juristischen Fakultät auf 18,73,
dann auf 26.25 Zuhörer. Oder nennen wir, was eigentlich richtiger ist, nur
die Zahl der ordentlichen Professoren, da die außerordentlichen und die Privat-
dozenten in der Regel zu festen Leistungen nicht verpflichtet sind, so kommt in
der philosophischen Fccknltät im Jahre 1835 ein ordentlicher Professor ans 8.67.
im Jahre 1880 auf 17 Studenten, in der juristischen Fakultät früher auf 33,38,
jetzt auf 36,60, in der medizinischen Fakultät früher auf 18,04, jetzt auf 19,25,
in der theologischen (evangelischen) endlich im Jahre 1835 auf 37,38, im Jahre
1880 auf 20,43 Studenten. Der relativ günstige Durchschnitt entspringt somit


Die deutsche Universität?-Entwicklung in den letzten fünfzig Jahren.

Hinter der zunehmenden Frequenz der Universitäten ist der Besuch der
technischen Hochschulen in seinem Wachstum nicht zurückgeblieben. Von 3588
in der Periode 1868/72 ist die Zahl der Studirenden an sämtlichen deutschen
Hochschulen auf 5062 in der Periode 1877/78 bis 1881/82 gestiegen. Die
Grttndcrperiode insbesondre trug zur Steigerung bei, denn in der Periode
1872/73 bis 1876/77 gab eS durchschnittlich 6039 Studirende. Dagegen
betrug der Durchschnitt der Semester 1881/82 nur 4226. Eine Vergleichung
der Frequenz beider Institute, der Universitäten und der technischen Hochschulen,
lehrt, daß die der erstern stärker zugenommen hat. Setzt man die Frequenz
der Semester 1868/69 gleich 100, so stieg dieselbe bis 1881/82 bei den Uni¬
versitäten ans 169, bei den technischen Hochschulen auf 126. Allerdings wies
der Durchschnitt der Jahre 1876/77 bei den letztem bereits eine Steigerung
auf 196 nach, während bei den Universitäten ein Rückschlag zu Tage trat.

Es versteht sich von selbst, daß neben den Lernenden die Zahl der
Lehrenden an den Universitäten sich ebenfalls erheblich vergrößern mußte. So
ist denn auch die Zahl derselben, die im Jahre 1835 sich auf 1186 bezifferte,
bis zum Jahre 1880 auf 1809 gewachsen, d. h. während in der ersten Periode
auf einen Dozenten noch nicht ganz 10 Studenten kamen, hatte in der letzten
ein Dozent 12 Zuhörer im Durchschnitt. Conrad hält diese Zunahme für eine
der Studenteufreqncnz entsprechende, indes scheint, sofern es überhaupt möglich
ist. aus dieser Durchschnittsziffer Schlüsse zu ziehen, much eine andre Auffassung
gestattet. Hütte man die Möglichkeit, die Lehr- oder Lernmasse zu überblicken,
d. h. die Zahl der Vorlesungen, Übungen ?e., die gehalten werden, worauf der
Verfasser wegen den entgegenstehenden Schwicngkciten nicht hat eingehen können,
so würde sich vielleicht ein Mißverhältnis zwischen der Zahl der Dozenten und
ihren Leistungen herausstelle». Auf die Übungen, Seminarien, Kollegien u. tgi. in.
pflegt der moderne Universitätsunterricht mit Recht großes Gewicht zu legen,
und bei diesen muß ein größerer Zudrang notwendigerweise die Wirksamkeit des
Unterrichts beeinträchtigen. Dazu kommt, daß der Durchschnitt von 12 Studenten
auf einen Dozenten die bei den einzelnen Fakultäten oder Wissenschaften vor¬
handenen Differenzen nicht andeuten kann.

So kam in der philosophischen Fakultät im Jahre 1835 ein Dozent auf
4.53, im Jahre 1880 auf 8,72 Zuhörer, in der juristischen Fakultät auf 18,73,
dann auf 26.25 Zuhörer. Oder nennen wir, was eigentlich richtiger ist, nur
die Zahl der ordentlichen Professoren, da die außerordentlichen und die Privat-
dozenten in der Regel zu festen Leistungen nicht verpflichtet sind, so kommt in
der philosophischen Fccknltät im Jahre 1835 ein ordentlicher Professor ans 8.67.
im Jahre 1880 auf 17 Studenten, in der juristischen Fakultät früher auf 33,38,
jetzt auf 36,60, in der medizinischen Fakultät früher auf 18,04, jetzt auf 19,25,
in der theologischen (evangelischen) endlich im Jahre 1835 auf 37,38, im Jahre
1880 auf 20,43 Studenten. Der relativ günstige Durchschnitt entspringt somit


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[0463] Die deutsche Universität?-Entwicklung in den letzten fünfzig Jahren. Hinter der zunehmenden Frequenz der Universitäten ist der Besuch der technischen Hochschulen in seinem Wachstum nicht zurückgeblieben. Von 3588 in der Periode 1868/72 ist die Zahl der Studirenden an sämtlichen deutschen Hochschulen auf 5062 in der Periode 1877/78 bis 1881/82 gestiegen. Die Grttndcrperiode insbesondre trug zur Steigerung bei, denn in der Periode 1872/73 bis 1876/77 gab eS durchschnittlich 6039 Studirende. Dagegen betrug der Durchschnitt der Semester 1881/82 nur 4226. Eine Vergleichung der Frequenz beider Institute, der Universitäten und der technischen Hochschulen, lehrt, daß die der erstern stärker zugenommen hat. Setzt man die Frequenz der Semester 1868/69 gleich 100, so stieg dieselbe bis 1881/82 bei den Uni¬ versitäten ans 169, bei den technischen Hochschulen auf 126. Allerdings wies der Durchschnitt der Jahre 1876/77 bei den letztem bereits eine Steigerung auf 196 nach, während bei den Universitäten ein Rückschlag zu Tage trat. Es versteht sich von selbst, daß neben den Lernenden die Zahl der Lehrenden an den Universitäten sich ebenfalls erheblich vergrößern mußte. So ist denn auch die Zahl derselben, die im Jahre 1835 sich auf 1186 bezifferte, bis zum Jahre 1880 auf 1809 gewachsen, d. h. während in der ersten Periode auf einen Dozenten noch nicht ganz 10 Studenten kamen, hatte in der letzten ein Dozent 12 Zuhörer im Durchschnitt. Conrad hält diese Zunahme für eine der Studenteufreqncnz entsprechende, indes scheint, sofern es überhaupt möglich ist. aus dieser Durchschnittsziffer Schlüsse zu ziehen, much eine andre Auffassung gestattet. Hütte man die Möglichkeit, die Lehr- oder Lernmasse zu überblicken, d. h. die Zahl der Vorlesungen, Übungen ?e., die gehalten werden, worauf der Verfasser wegen den entgegenstehenden Schwicngkciten nicht hat eingehen können, so würde sich vielleicht ein Mißverhältnis zwischen der Zahl der Dozenten und ihren Leistungen herausstelle». Auf die Übungen, Seminarien, Kollegien u. tgi. in. pflegt der moderne Universitätsunterricht mit Recht großes Gewicht zu legen, und bei diesen muß ein größerer Zudrang notwendigerweise die Wirksamkeit des Unterrichts beeinträchtigen. Dazu kommt, daß der Durchschnitt von 12 Studenten auf einen Dozenten die bei den einzelnen Fakultäten oder Wissenschaften vor¬ handenen Differenzen nicht andeuten kann. So kam in der philosophischen Fakultät im Jahre 1835 ein Dozent auf 4.53, im Jahre 1880 auf 8,72 Zuhörer, in der juristischen Fakultät auf 18,73, dann auf 26.25 Zuhörer. Oder nennen wir, was eigentlich richtiger ist, nur die Zahl der ordentlichen Professoren, da die außerordentlichen und die Privat- dozenten in der Regel zu festen Leistungen nicht verpflichtet sind, so kommt in der philosophischen Fccknltät im Jahre 1835 ein ordentlicher Professor ans 8.67. im Jahre 1880 auf 17 Studenten, in der juristischen Fakultät früher auf 33,38, jetzt auf 36,60, in der medizinischen Fakultät früher auf 18,04, jetzt auf 19,25, in der theologischen (evangelischen) endlich im Jahre 1835 auf 37,38, im Jahre 1880 auf 20,43 Studenten. Der relativ günstige Durchschnitt entspringt somit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/463>, abgerufen am 26.07.2024.