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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Verhalten bei und nach der Affäre mit den beiden Leonbergern hatte den In¬
genieur verstimmt und abgekühlt. Auch hier war Frau von Mockritz nicht ganz
ohne Verschulden, da sie Hermione verboten hatte, sich persönlich nach dem Be¬
finden Bertholds umzuthun.

Mit großer Selbstbeherrschung kämpfte Frau von Mockritz nun ihren Ärger
über sich selbst und ihren Verdruß über Berthold nieder und beschloß zu retten,
was noch zu retten war.

Zunächst galt es, Hermione der Verzweiflung zu überantworten. Die
Mutter teilte ihr daher die unter der Hand erkundete Absicht des Ingenieurs,
seinen Antrag zurückzuziehen, trocken mit. Hermione war einer Ohnmacht nahe.
Sie hatte eine Ahnung gehabt, daß er durch ihre Passivität in der Stunde
seiner Lebensgefahr ihr entfremdet worden war, aber die Mutter allein hatte
alles weitere verschuldet, und Hermione überhäufte sie mit leidenschaftlichen
Vorwürfen.

Frau von Mockritz ließ den Sturm sich ausrasen. Dann kam sie auf jene
andre, wahrscheinlichere Vermutung zu sprechen.

Auch hier hätte die Tochter mit Vorwürfen antworten können, denn es
gab eine Zeit, wo der Prinz von Hermione noch keine Notiz zu nehmen pflegte,
und ohne die von Frau von Mockritz veranlaßte Verschiebung eines Quadrille-
vis-K-vis hätte Hermione vielleicht nie Gelegenheit gehabt, einen prinzlichen
Hündcdruck zu erwiedern.

Aber Hermione machte diesmal der Mutter keine Vorwürfe, und Frau von
Mockritz konnte mit den Gründen herausrücken, welche in solchen Lebenslagen
das Prävenirespielen gerade so notwendig erscheinen ließen, wie im Kriege nach
Rekognoszirung der Attackepläne des Feindes das Zuvorkommen derselben durch
beherztes Angreifen.

Soweit war die Verzweifelnde aber noch keineswegs. Was soll denn aus
mir werden? rief sie; gut, angenommen, ich schreibe den Brief, angenommen,
ich weise meinen Geliebten ab; was dann?

Meinen Geliebten! Meinen Geliebten! rügte die Mutter; welche unpassende"
Ausdrücke! Es hat sich um eine xroxosition as MMg.As gehandelt. Frau von
Mockritz hat von >der Sache nichts wissen wollen, und Fräulein von Mockritz
schreibt dem Bewerber daher höflich ab. Basta! Kommt so etwas in der Ge¬
sellschaft nicht alle Tage vor?

Es ist entsetzlich! rief Hermione, ich werde es nicht überleben!

Du wirst deine Thorheiten gut machen, indem du nicht wie ein Kind weinst
und rasche, sondern rasch den Brief schreibst und dann zwei andre Anträge i"
ruhige Erwägung ziehst, sagte die Mutter.

Also richtig! Und nicht wahr, unter Beilegung der Photographien, ans
denen sogar die Perrücken niemand entstellen? Nie heirate ich einen andern.
Ich gehe ins Kloster.


Auf der Leiter des Glücks.

Verhalten bei und nach der Affäre mit den beiden Leonbergern hatte den In¬
genieur verstimmt und abgekühlt. Auch hier war Frau von Mockritz nicht ganz
ohne Verschulden, da sie Hermione verboten hatte, sich persönlich nach dem Be¬
finden Bertholds umzuthun.

Mit großer Selbstbeherrschung kämpfte Frau von Mockritz nun ihren Ärger
über sich selbst und ihren Verdruß über Berthold nieder und beschloß zu retten,
was noch zu retten war.

Zunächst galt es, Hermione der Verzweiflung zu überantworten. Die
Mutter teilte ihr daher die unter der Hand erkundete Absicht des Ingenieurs,
seinen Antrag zurückzuziehen, trocken mit. Hermione war einer Ohnmacht nahe.
Sie hatte eine Ahnung gehabt, daß er durch ihre Passivität in der Stunde
seiner Lebensgefahr ihr entfremdet worden war, aber die Mutter allein hatte
alles weitere verschuldet, und Hermione überhäufte sie mit leidenschaftlichen
Vorwürfen.

Frau von Mockritz ließ den Sturm sich ausrasen. Dann kam sie auf jene
andre, wahrscheinlichere Vermutung zu sprechen.

Auch hier hätte die Tochter mit Vorwürfen antworten können, denn es
gab eine Zeit, wo der Prinz von Hermione noch keine Notiz zu nehmen pflegte,
und ohne die von Frau von Mockritz veranlaßte Verschiebung eines Quadrille-
vis-K-vis hätte Hermione vielleicht nie Gelegenheit gehabt, einen prinzlichen
Hündcdruck zu erwiedern.

Aber Hermione machte diesmal der Mutter keine Vorwürfe, und Frau von
Mockritz konnte mit den Gründen herausrücken, welche in solchen Lebenslagen
das Prävenirespielen gerade so notwendig erscheinen ließen, wie im Kriege nach
Rekognoszirung der Attackepläne des Feindes das Zuvorkommen derselben durch
beherztes Angreifen.

Soweit war die Verzweifelnde aber noch keineswegs. Was soll denn aus
mir werden? rief sie; gut, angenommen, ich schreibe den Brief, angenommen,
ich weise meinen Geliebten ab; was dann?

Meinen Geliebten! Meinen Geliebten! rügte die Mutter; welche unpassende»
Ausdrücke! Es hat sich um eine xroxosition as MMg.As gehandelt. Frau von
Mockritz hat von >der Sache nichts wissen wollen, und Fräulein von Mockritz
schreibt dem Bewerber daher höflich ab. Basta! Kommt so etwas in der Ge¬
sellschaft nicht alle Tage vor?

Es ist entsetzlich! rief Hermione, ich werde es nicht überleben!

Du wirst deine Thorheiten gut machen, indem du nicht wie ein Kind weinst
und rasche, sondern rasch den Brief schreibst und dann zwei andre Anträge i»
ruhige Erwägung ziehst, sagte die Mutter.

Also richtig! Und nicht wahr, unter Beilegung der Photographien, ans
denen sogar die Perrücken niemand entstellen? Nie heirate ich einen andern.
Ich gehe ins Kloster.


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[0428] Auf der Leiter des Glücks. Verhalten bei und nach der Affäre mit den beiden Leonbergern hatte den In¬ genieur verstimmt und abgekühlt. Auch hier war Frau von Mockritz nicht ganz ohne Verschulden, da sie Hermione verboten hatte, sich persönlich nach dem Be¬ finden Bertholds umzuthun. Mit großer Selbstbeherrschung kämpfte Frau von Mockritz nun ihren Ärger über sich selbst und ihren Verdruß über Berthold nieder und beschloß zu retten, was noch zu retten war. Zunächst galt es, Hermione der Verzweiflung zu überantworten. Die Mutter teilte ihr daher die unter der Hand erkundete Absicht des Ingenieurs, seinen Antrag zurückzuziehen, trocken mit. Hermione war einer Ohnmacht nahe. Sie hatte eine Ahnung gehabt, daß er durch ihre Passivität in der Stunde seiner Lebensgefahr ihr entfremdet worden war, aber die Mutter allein hatte alles weitere verschuldet, und Hermione überhäufte sie mit leidenschaftlichen Vorwürfen. Frau von Mockritz ließ den Sturm sich ausrasen. Dann kam sie auf jene andre, wahrscheinlichere Vermutung zu sprechen. Auch hier hätte die Tochter mit Vorwürfen antworten können, denn es gab eine Zeit, wo der Prinz von Hermione noch keine Notiz zu nehmen pflegte, und ohne die von Frau von Mockritz veranlaßte Verschiebung eines Quadrille- vis-K-vis hätte Hermione vielleicht nie Gelegenheit gehabt, einen prinzlichen Hündcdruck zu erwiedern. Aber Hermione machte diesmal der Mutter keine Vorwürfe, und Frau von Mockritz konnte mit den Gründen herausrücken, welche in solchen Lebenslagen das Prävenirespielen gerade so notwendig erscheinen ließen, wie im Kriege nach Rekognoszirung der Attackepläne des Feindes das Zuvorkommen derselben durch beherztes Angreifen. Soweit war die Verzweifelnde aber noch keineswegs. Was soll denn aus mir werden? rief sie; gut, angenommen, ich schreibe den Brief, angenommen, ich weise meinen Geliebten ab; was dann? Meinen Geliebten! Meinen Geliebten! rügte die Mutter; welche unpassende» Ausdrücke! Es hat sich um eine xroxosition as MMg.As gehandelt. Frau von Mockritz hat von >der Sache nichts wissen wollen, und Fräulein von Mockritz schreibt dem Bewerber daher höflich ab. Basta! Kommt so etwas in der Ge¬ sellschaft nicht alle Tage vor? Es ist entsetzlich! rief Hermione, ich werde es nicht überleben! Du wirst deine Thorheiten gut machen, indem du nicht wie ein Kind weinst und rasche, sondern rasch den Brief schreibst und dann zwei andre Anträge i» ruhige Erwägung ziehst, sagte die Mutter. Also richtig! Und nicht wahr, unter Beilegung der Photographien, ans denen sogar die Perrücken niemand entstellen? Nie heirate ich einen andern. Ich gehe ins Kloster.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/428>, abgerufen am 30.06.2024.