Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Auf der Leiter des Glücks. demselben guten Glauben, wie dies vonseiten Kaspar Benedikts der Fall ge¬ In Wirklichkeit verhielt sich die Sache aber wie folgt. Greifen wir um Was Hermione der Frau von Mockritz über das lange Fernbleiben und Diese Nachricht brachte Frau von Mockritz doch einigermaßen außer Fassung. Als welterfahrene Frau überlegte sie, was zu thun sei, lange und sorg¬ Das Zurücktreten des Ingenieurs konnte nach Annahme der Frau von Grenzboten I. 1884. S3
Auf der Leiter des Glücks. demselben guten Glauben, wie dies vonseiten Kaspar Benedikts der Fall ge¬ In Wirklichkeit verhielt sich die Sache aber wie folgt. Greifen wir um Was Hermione der Frau von Mockritz über das lange Fernbleiben und Diese Nachricht brachte Frau von Mockritz doch einigermaßen außer Fassung. Als welterfahrene Frau überlegte sie, was zu thun sei, lange und sorg¬ Das Zurücktreten des Ingenieurs konnte nach Annahme der Frau von Grenzboten I. 1884. S3
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Auf der Leiter des Glücks.
demselben guten Glauben, wie dies vonseiten Kaspar Benedikts der Fall ge¬
wesen war.
In Wirklichkeit verhielt sich die Sache aber wie folgt. Greifen wir um
vierundzwanzig Stunden zurück.
Was Hermione der Frau von Mockritz über das lange Fernbleiben und
Schweigen Bertholds mitgeteilt hatte, war der letztern nicht unbedenklich er¬
schienen. Befremdender noch kam es ihr und auch ihrer Tochter vor, daß die
Vormittagsvisite von Vater und Sohn unterblieb. Frau von Mockritz begann
für nötig zu halten, sich auf eine Überraschung vorzubereiten. Sie pflegte,
wenn sie nicht mit ihrer Kammerjungfer Sabine auf Reisen war, durch diese
gewandte Vertrauensperson Fühlung zu unterhalten mit den innern Vorgängen
der ihr befreundeten Häuser, sandte dieselbe denn nun auch schleunigst ans Kund¬
schaft aus und erfuhr bald nach jenem ungewöhnlich erregt endenden Auf¬
tritte zwischen dem Fabrikanten und seinem Sohne, daß der Ingenieur von
Fräulein von Mockritz nichts mehr wissen wolle.
Diese Nachricht brachte Frau von Mockritz doch einigermaßen außer Fassung.
Sie hätte, sagte sie sich, gleich uach Bertholds Antrag aus dem Seebade heim¬
kommen und alles unwiderruflich festmachen sollen. Jetzt hieß es das Prävenire
spielen.
Als welterfahrene Frau überlegte sie, was zu thun sei, lange und sorg¬
fältig, ehe sie mit der Tochter sprach. Ganz ohne Auskunftsmittel war sie
nicht zurückgekehrt, wennschon sie ihrer Tochter noch nichts davon mitgeteilt
hatte. Denn Hermionens Umworbenwerden Vonseiten eines Bürgerlichen war in
dem Seebade wochenlang das Thema mancher Stranduuterhaltung gewesen,
und mehrere junge und ältere adliche Herren hatten der Mutter vorgeworfen,
sie lege es darauf an, sich mit ihren Standesgenossen gründlich zu broullircn.
Sie hatte das geleugnet, und ihre Gewandtheit im Behandeln solcher Gesprächs¬
stoffe war aus den mannichfach darüber geführten Scharmützeln endlich in
solchem Grade als Siegerin hervorgegangen, daß ihr in der That von zwei
Seiten der Wunsch ausgedrückt wurde, sie möge das Herz ihrer Tochter wo¬
möglich in andrer Richtung empfänglich zu stimmen suchen; man wolle sich
nicht gern einen Korb holen, aber auf einen Wink der Mutter werde man zu
den Füßen der Tochter liegen. Brillant freilich waren diese Partien keines¬
wegs, wenn auch finanziell ein gut Teil besser als eine Verbindung mit dem
Professor in sxs Botho von Falckenberg, bei welchem Frau von Mockritz sich
>»um einmal nichts andres als endlose Lehrermisere zu denken vermochte.
Das Zurücktreten des Ingenieurs konnte nach Annahme der Frau von
Mockritz nur zwei Ursachen haben: entweder hatte ihm jemand etwas über die
prinzlichen Aufmerksamkeiten ins Ohr geflüstert, von denen dies und das hie und
da verlautete, Aufmerksamkeiten, die früher allerdings durch Frau von Mockritz selbst
zuweilen begünstigt worden wrren — sie bereute es längst. Oder Hermionens
Grenzboten I. 1884. S3
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