Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

wissen nur, daß er aus Bouvignes stammte und daß sich seine Gemälde in
Italien eines besondern Beifalls erfreuten. Sonst lauten die Nachrichten über
ihn sehr verworren: er soll in Antwerpen, in Mecheln, in Venedig und an
andern Orten Italiens thätig gewesen und schließlich in Lüttich gestorben sein.
Für Italien spricht nur der Umstand, daß seine Bilder auch heute noch in
italienischen Sammlungen häufig zu finden sind, für Antwerpen dagegen seine
e"ge Verwandtschaft mit Patinir, als dessen Nachfolger ihn Karel van Mander
"cunt, und die Mitteilung desselben Schriftstellers, daß der Landschaftsmaler
Frans Mostaert, welcher 1555 in die Antwerpens Gilde aufgenommen wurde,
sein Schüler gewesen ist. Den Beinamen "met de Bles" soll er von einem
weißen Haarbüschel über der Stirn erhalten haben, während ihn die Italiener
"Civetta," d.h. Käuzchen, nannten, weil er, höflicher als Patinir, ein solches
Tierchen statt eines Handzeichens auf seine" Gemälde" anzubringen pflegte. Er
versteckte es gern so in dem Laub der Bäume, daß die Beschauer Mühe hatten,
es herauszufinden. In seinen Landschaften ist die nahe Verwandtschaft mit
Patinir unverkennbar: dieselbe getupfte Behandlung der Blätter, das schwarz¬
grüne Laub, die blauen Fernsichten, nur ist die Anordnung und Erfindung noch
um vieles phantastischer und bizarrer. Auch liegen seinen Landschaften nicht so
eingehende Naturstudien zu Grunde wie denen Patinirs. Die interessantesten
unter ihnen sind eine Landschaft mit ganz kleinen, die Flucht uach Ägypten an¬
deutenden Figuren in den Ufsizien in Florenz, wo im Vordergründe eine Schmiede
mit Arbeitern dargestellt ist, und eine Landschaft in der Dresdner Galerie, wo
die Waren eines schlafenden Krämers von Affen ausgepackt und an Bäumen
aufgehängt werden. Karel van Mander, welcher dieses Bildes Erwähnung thut,
sagt, daß es eine Satire ans den Papst sei. Die Affe" sollten die Lutherisch¬
gesinnten sein, welche die "Krämerei" der päpstlichen Lehre aufdeckten. Dem
Maler hat aber eine solche satirische Tendenz sicherlich ferngelegen. Auch seine
Figurenbilder, welche meist vor seinen Landschaften den Vorzug verdienen und in
denen der Stil der Ehckschen Schule ein letztes, schwaches Echo findet, stattet Herri
met de Bles gern mit reichen architektonische" Hintergründen aus. In denselben
treten neben phantastischen Bauten gothischen Stils bereits die Formen der
italienischen Renaissance in so reichlicher Anwendung auf, daß man dieselben,
wenn Herri nicht selbst in Italien gewesen sein sollte, nur durch eine Einwirkung
Mabuses erklären kann. Sein Schüler, Franz Mostaert, betonte das phanta¬
stische Element in seinen Landschaften so stark, daß ihn Vasari als einen Maler
bezeichnet, "der ziemlich tüchtig war, Landschafte" in Öl zu malen, Phantastereien,
Bizarrerien, Träume und Einbildungen." Das phantastische Element bestand vor¬
nehmlich darin, daß Mostaert der erste war, welcher Mondscheinlandschaften malte
Eine solche findet sich noch im Wiener Belvedere, wo Fischer bei Mondschein
ihre Netze ans Ufer ziehen.


Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

wissen nur, daß er aus Bouvignes stammte und daß sich seine Gemälde in
Italien eines besondern Beifalls erfreuten. Sonst lauten die Nachrichten über
ihn sehr verworren: er soll in Antwerpen, in Mecheln, in Venedig und an
andern Orten Italiens thätig gewesen und schließlich in Lüttich gestorben sein.
Für Italien spricht nur der Umstand, daß seine Bilder auch heute noch in
italienischen Sammlungen häufig zu finden sind, für Antwerpen dagegen seine
e»ge Verwandtschaft mit Patinir, als dessen Nachfolger ihn Karel van Mander
»cunt, und die Mitteilung desselben Schriftstellers, daß der Landschaftsmaler
Frans Mostaert, welcher 1555 in die Antwerpens Gilde aufgenommen wurde,
sein Schüler gewesen ist. Den Beinamen „met de Bles" soll er von einem
weißen Haarbüschel über der Stirn erhalten haben, während ihn die Italiener
„Civetta," d.h. Käuzchen, nannten, weil er, höflicher als Patinir, ein solches
Tierchen statt eines Handzeichens auf seine» Gemälde» anzubringen pflegte. Er
versteckte es gern so in dem Laub der Bäume, daß die Beschauer Mühe hatten,
es herauszufinden. In seinen Landschaften ist die nahe Verwandtschaft mit
Patinir unverkennbar: dieselbe getupfte Behandlung der Blätter, das schwarz¬
grüne Laub, die blauen Fernsichten, nur ist die Anordnung und Erfindung noch
um vieles phantastischer und bizarrer. Auch liegen seinen Landschaften nicht so
eingehende Naturstudien zu Grunde wie denen Patinirs. Die interessantesten
unter ihnen sind eine Landschaft mit ganz kleinen, die Flucht uach Ägypten an¬
deutenden Figuren in den Ufsizien in Florenz, wo im Vordergründe eine Schmiede
mit Arbeitern dargestellt ist, und eine Landschaft in der Dresdner Galerie, wo
die Waren eines schlafenden Krämers von Affen ausgepackt und an Bäumen
aufgehängt werden. Karel van Mander, welcher dieses Bildes Erwähnung thut,
sagt, daß es eine Satire ans den Papst sei. Die Affe» sollten die Lutherisch¬
gesinnten sein, welche die „Krämerei" der päpstlichen Lehre aufdeckten. Dem
Maler hat aber eine solche satirische Tendenz sicherlich ferngelegen. Auch seine
Figurenbilder, welche meist vor seinen Landschaften den Vorzug verdienen und in
denen der Stil der Ehckschen Schule ein letztes, schwaches Echo findet, stattet Herri
met de Bles gern mit reichen architektonische» Hintergründen aus. In denselben
treten neben phantastischen Bauten gothischen Stils bereits die Formen der
italienischen Renaissance in so reichlicher Anwendung auf, daß man dieselben,
wenn Herri nicht selbst in Italien gewesen sein sollte, nur durch eine Einwirkung
Mabuses erklären kann. Sein Schüler, Franz Mostaert, betonte das phanta¬
stische Element in seinen Landschaften so stark, daß ihn Vasari als einen Maler
bezeichnet, „der ziemlich tüchtig war, Landschafte» in Öl zu malen, Phantastereien,
Bizarrerien, Träume und Einbildungen." Das phantastische Element bestand vor¬
nehmlich darin, daß Mostaert der erste war, welcher Mondscheinlandschaften malte
Eine solche findet sich noch im Wiener Belvedere, wo Fischer bei Mondschein
ihre Netze ans Ufer ziehen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155296"/>
          <fw type="header" place="top"> Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1688" prev="#ID_1687"> wissen nur, daß er aus Bouvignes stammte und daß sich seine Gemälde in<lb/>
Italien eines besondern Beifalls erfreuten. Sonst lauten die Nachrichten über<lb/>
ihn sehr verworren: er soll in Antwerpen, in Mecheln, in Venedig und an<lb/>
andern Orten Italiens thätig gewesen und schließlich in Lüttich gestorben sein.<lb/>
Für Italien spricht nur der Umstand, daß seine Bilder auch heute noch in<lb/>
italienischen Sammlungen häufig zu finden sind, für Antwerpen dagegen seine<lb/>
e»ge Verwandtschaft mit Patinir, als dessen Nachfolger ihn Karel van Mander<lb/>
»cunt, und die Mitteilung desselben Schriftstellers, daß der Landschaftsmaler<lb/>
Frans Mostaert, welcher 1555 in die Antwerpens Gilde aufgenommen wurde,<lb/>
sein Schüler gewesen ist. Den Beinamen &#x201E;met de Bles" soll er von einem<lb/>
weißen Haarbüschel über der Stirn erhalten haben, während ihn die Italiener<lb/>
&#x201E;Civetta," d.h. Käuzchen, nannten, weil er, höflicher als Patinir, ein solches<lb/>
Tierchen statt eines Handzeichens auf seine» Gemälde» anzubringen pflegte. Er<lb/>
versteckte es gern so in dem Laub der Bäume, daß die Beschauer Mühe hatten,<lb/>
es herauszufinden. In seinen Landschaften ist die nahe Verwandtschaft mit<lb/>
Patinir unverkennbar: dieselbe getupfte Behandlung der Blätter, das schwarz¬<lb/>
grüne Laub, die blauen Fernsichten, nur ist die Anordnung und Erfindung noch<lb/>
um vieles phantastischer und bizarrer. Auch liegen seinen Landschaften nicht so<lb/>
eingehende Naturstudien zu Grunde wie denen Patinirs. Die interessantesten<lb/>
unter ihnen sind eine Landschaft mit ganz kleinen, die Flucht uach Ägypten an¬<lb/>
deutenden Figuren in den Ufsizien in Florenz, wo im Vordergründe eine Schmiede<lb/>
mit Arbeitern dargestellt ist, und eine Landschaft in der Dresdner Galerie, wo<lb/>
die Waren eines schlafenden Krämers von Affen ausgepackt und an Bäumen<lb/>
aufgehängt werden. Karel van Mander, welcher dieses Bildes Erwähnung thut,<lb/>
sagt, daß es eine Satire ans den Papst sei. Die Affe» sollten die Lutherisch¬<lb/>
gesinnten sein, welche die &#x201E;Krämerei" der päpstlichen Lehre aufdeckten. Dem<lb/>
Maler hat aber eine solche satirische Tendenz sicherlich ferngelegen. Auch seine<lb/>
Figurenbilder, welche meist vor seinen Landschaften den Vorzug verdienen und in<lb/>
denen der Stil der Ehckschen Schule ein letztes, schwaches Echo findet, stattet Herri<lb/>
met de Bles gern mit reichen architektonische» Hintergründen aus. In denselben<lb/>
treten neben phantastischen Bauten gothischen Stils bereits die Formen der<lb/>
italienischen Renaissance in so reichlicher Anwendung auf, daß man dieselben,<lb/>
wenn Herri nicht selbst in Italien gewesen sein sollte, nur durch eine Einwirkung<lb/>
Mabuses erklären kann. Sein Schüler, Franz Mostaert, betonte das phanta¬<lb/>
stische Element in seinen Landschaften so stark, daß ihn Vasari als einen Maler<lb/>
bezeichnet, &#x201E;der ziemlich tüchtig war, Landschafte» in Öl zu malen, Phantastereien,<lb/>
Bizarrerien, Träume und Einbildungen." Das phantastische Element bestand vor¬<lb/>
nehmlich darin, daß Mostaert der erste war, welcher Mondscheinlandschaften malte<lb/>
Eine solche findet sich noch im Wiener Belvedere, wo Fischer bei Mondschein<lb/>
ihre Netze ans Ufer ziehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0413] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei. wissen nur, daß er aus Bouvignes stammte und daß sich seine Gemälde in Italien eines besondern Beifalls erfreuten. Sonst lauten die Nachrichten über ihn sehr verworren: er soll in Antwerpen, in Mecheln, in Venedig und an andern Orten Italiens thätig gewesen und schließlich in Lüttich gestorben sein. Für Italien spricht nur der Umstand, daß seine Bilder auch heute noch in italienischen Sammlungen häufig zu finden sind, für Antwerpen dagegen seine e»ge Verwandtschaft mit Patinir, als dessen Nachfolger ihn Karel van Mander »cunt, und die Mitteilung desselben Schriftstellers, daß der Landschaftsmaler Frans Mostaert, welcher 1555 in die Antwerpens Gilde aufgenommen wurde, sein Schüler gewesen ist. Den Beinamen „met de Bles" soll er von einem weißen Haarbüschel über der Stirn erhalten haben, während ihn die Italiener „Civetta," d.h. Käuzchen, nannten, weil er, höflicher als Patinir, ein solches Tierchen statt eines Handzeichens auf seine» Gemälde» anzubringen pflegte. Er versteckte es gern so in dem Laub der Bäume, daß die Beschauer Mühe hatten, es herauszufinden. In seinen Landschaften ist die nahe Verwandtschaft mit Patinir unverkennbar: dieselbe getupfte Behandlung der Blätter, das schwarz¬ grüne Laub, die blauen Fernsichten, nur ist die Anordnung und Erfindung noch um vieles phantastischer und bizarrer. Auch liegen seinen Landschaften nicht so eingehende Naturstudien zu Grunde wie denen Patinirs. Die interessantesten unter ihnen sind eine Landschaft mit ganz kleinen, die Flucht uach Ägypten an¬ deutenden Figuren in den Ufsizien in Florenz, wo im Vordergründe eine Schmiede mit Arbeitern dargestellt ist, und eine Landschaft in der Dresdner Galerie, wo die Waren eines schlafenden Krämers von Affen ausgepackt und an Bäumen aufgehängt werden. Karel van Mander, welcher dieses Bildes Erwähnung thut, sagt, daß es eine Satire ans den Papst sei. Die Affe» sollten die Lutherisch¬ gesinnten sein, welche die „Krämerei" der päpstlichen Lehre aufdeckten. Dem Maler hat aber eine solche satirische Tendenz sicherlich ferngelegen. Auch seine Figurenbilder, welche meist vor seinen Landschaften den Vorzug verdienen und in denen der Stil der Ehckschen Schule ein letztes, schwaches Echo findet, stattet Herri met de Bles gern mit reichen architektonische» Hintergründen aus. In denselben treten neben phantastischen Bauten gothischen Stils bereits die Formen der italienischen Renaissance in so reichlicher Anwendung auf, daß man dieselben, wenn Herri nicht selbst in Italien gewesen sein sollte, nur durch eine Einwirkung Mabuses erklären kann. Sein Schüler, Franz Mostaert, betonte das phanta¬ stische Element in seinen Landschaften so stark, daß ihn Vasari als einen Maler bezeichnet, „der ziemlich tüchtig war, Landschafte» in Öl zu malen, Phantastereien, Bizarrerien, Träume und Einbildungen." Das phantastische Element bestand vor¬ nehmlich darin, daß Mostaert der erste war, welcher Mondscheinlandschaften malte Eine solche findet sich noch im Wiener Belvedere, wo Fischer bei Mondschein ihre Netze ans Ufer ziehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/413>, abgerufen am 24.07.2024.