Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.
Auch das Epos von der Salamisschlacht "Die Plejaden" müssen wir So mahnt die Sammlung anch dieser "Werke" schließlich doch, sich in ihre
Auch das Epos von der Salamisschlacht „Die Plejaden" müssen wir So mahnt die Sammlung anch dieser „Werke" schließlich doch, sich in ihre <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154923"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem"> <l> Erschließ denn mir zugleich dein Thor aufs<lb/> neue,<lb/> Du, deren immerdar mein Herz gedenkt!<lb/> Wohl häng' ich an dem Vaterland mit Treue,<lb/> Wie oft es mich mit Galle auch getränkt;<lb/> Allein seit einmal deines Himmels Bläue<lb/> In meiner Seele Spiegel sich gesenkt,<lb/> Stets wieder, wie mit unsichtbaren Fäden,<lb/> Zurückgezogen werd' ich dein Eden!</l> <l> Als über dich? Früh hast du mich, den<lb/> Knaben,<lb/> An deinem treuen Busen schon genährt;<lb/> Was zart und stark, was lieblich und er¬<lb/> haben,<lb/> Wer anders hätt' es mich als du gelehrt,<lb/> Wer auf die Lippen mir gleich fühlen<lb/> Semle<lb/> Zuerst gelegt die holde Kunst der Reime?</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_86"> Auch das Epos von der Salamisschlacht „Die Plejaden" müssen wir<lb/> Schacks selbständigste» Dichtungen hinzurechnen. Denn die Begeisterung für die<lb/> individuelle Freiheit der Hellenen gegenüber dem Herdendespotismus des Orients,<lb/> für den Sieg der freien beweglichen Kraft gegenüber der schweren Masse, ist<lb/> uns in Fleisch und Blut übergegangen, und stammt sie von den Schulbänke»,<lb/> so mögen die gnädigen Götter geben, daß sie noch Generation auf Generation<lb/> voir dorther empfange! In der Liebe des Kallias zur Arete hat Schack eine<lb/> seiner reinsten und amnutendsten Erfindungen gegeben, und der gleichsam jauch¬<lb/> zende Ton, mit dem die Seeschlacht, die zu den leuchtenden Menschheitscrin-<lb/> uerungen zählt, gegen den Schluß des Gedichts geschildert ist, wird immer den<lb/> stärksten Wiederhall finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> So mahnt die Sammlung anch dieser „Werke" schließlich doch, sich in ihre<lb/> Einzelvorzüge zu versenken und zu versuchen, sich in die Intentionen wie in die<lb/> künstlerischen Neigungen des Dichters hineinzudenken. Leisten die Paneghriker,<lb/> die Schack den „einzigen Klassiker unsrer Zeit" nennen, ihm einen schlechten<lb/> Dienst, so wird er damit des Rechtes nicht verlustig, von ernsten Naturen, die<lb/> an dem Wohl und Wehe unsrer Literatur Anteil nehmen, in vollem Maße<lb/> beachtet und gewürdigt zu werdeu. Kann man sich der Empfindung nicht ent-<lb/> schlagen, daß hier eine eigentümlich angelegte Kraft dnrch die üppigen Ranken<lb/> ihrer Bildung nicht so hoch, frei und stark gewachsen ist, wie ihr Wohl von<lb/> Haus aus zugedacht war, so mag man sich der zahllosen Dichter aus jüngster<lb/> Zeit erinnern, deren Subjektivität um nichts stärker lind deren Bildung dabei<lb/> viel schwächer und ärmlicher ist als die des farbenreichen und weltkundigcu<lb/> Poeten. Der deutschen Literatur ist in den „Gesammelten Werken" Geibels wie<lb/> Schacks ein Weihnachtsgeschenk der erfreulichsten Art zuteil geworden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Erschließ denn mir zugleich dein Thor aufs
neue,
Du, deren immerdar mein Herz gedenkt!
Wohl häng' ich an dem Vaterland mit Treue,
Wie oft es mich mit Galle auch getränkt;
Allein seit einmal deines Himmels Bläue
In meiner Seele Spiegel sich gesenkt,
Stets wieder, wie mit unsichtbaren Fäden,
Zurückgezogen werd' ich dein Eden! Als über dich? Früh hast du mich, den
Knaben,
An deinem treuen Busen schon genährt;
Was zart und stark, was lieblich und er¬
haben,
Wer anders hätt' es mich als du gelehrt,
Wer auf die Lippen mir gleich fühlen
Semle
Zuerst gelegt die holde Kunst der Reime?
Auch das Epos von der Salamisschlacht „Die Plejaden" müssen wir
Schacks selbständigste» Dichtungen hinzurechnen. Denn die Begeisterung für die
individuelle Freiheit der Hellenen gegenüber dem Herdendespotismus des Orients,
für den Sieg der freien beweglichen Kraft gegenüber der schweren Masse, ist
uns in Fleisch und Blut übergegangen, und stammt sie von den Schulbänke»,
so mögen die gnädigen Götter geben, daß sie noch Generation auf Generation
voir dorther empfange! In der Liebe des Kallias zur Arete hat Schack eine
seiner reinsten und amnutendsten Erfindungen gegeben, und der gleichsam jauch¬
zende Ton, mit dem die Seeschlacht, die zu den leuchtenden Menschheitscrin-
uerungen zählt, gegen den Schluß des Gedichts geschildert ist, wird immer den
stärksten Wiederhall finden.
So mahnt die Sammlung anch dieser „Werke" schließlich doch, sich in ihre
Einzelvorzüge zu versenken und zu versuchen, sich in die Intentionen wie in die
künstlerischen Neigungen des Dichters hineinzudenken. Leisten die Paneghriker,
die Schack den „einzigen Klassiker unsrer Zeit" nennen, ihm einen schlechten
Dienst, so wird er damit des Rechtes nicht verlustig, von ernsten Naturen, die
an dem Wohl und Wehe unsrer Literatur Anteil nehmen, in vollem Maße
beachtet und gewürdigt zu werdeu. Kann man sich der Empfindung nicht ent-
schlagen, daß hier eine eigentümlich angelegte Kraft dnrch die üppigen Ranken
ihrer Bildung nicht so hoch, frei und stark gewachsen ist, wie ihr Wohl von
Haus aus zugedacht war, so mag man sich der zahllosen Dichter aus jüngster
Zeit erinnern, deren Subjektivität um nichts stärker lind deren Bildung dabei
viel schwächer und ärmlicher ist als die des farbenreichen und weltkundigcu
Poeten. Der deutschen Literatur ist in den „Gesammelten Werken" Geibels wie
Schacks ein Weihnachtsgeschenk der erfreulichsten Art zuteil geworden.
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