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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Eine neue Niederlage! Englands im Sudan.

Verprvviantirung mit Verteidigung Ehartmns benutzen können, wenn der Mahdi
soweit ist, daß er die Stadt einschließen kann.

Das ist die Sachlage, die, wie jetzt in der Londoner Presse offen erklärt,,
wird, nicht durch Hicks, nicht durch Vater, auch nicht durch den Chedivc, sondern
einzig und allein durch "die verhängnisvolle Leidenschaft, jede der verschiednen
aufeinanderfolgenden Prophezeiungen Lord Hartingtons zu erfüllen," herbei¬
geführt worden ist, "welche England vkkupircn und nicht protegiren ließ." Unter
dem Eindrucke so schwerer Mißgriffe und Unfälle begann die ägyptische Debatte
im Parlamente. "Man sah in den Gesichtern, man horte im Tone sowohl der
offizielle" als der nichtoffiziellen Redner die Wichtigkeit der trüben Kunde aus-
gedrückt, und obwohl mir wenige der bei Teb Gefallenen britischen Blutes sind
und Sinkat und Tokar fern von Birmingham und Leeds liegen, so würden
wir irren, wenn wir annehmen wollten, der großherzige Sinn sbloß der?^ der
Nation werde nicht sofort verlangen, daß die Regierung der Königin entweder
die Okkupation aufgebe oder sie in wirksame Protektion verwandle, d. h. der
ägyptischen Regierung materiell zu Hilfe komme."

Die konservative Partei hat sich sowohl im Ober- als im Unterhause
energisch geregt. Im letzteren stellte der Abgeordnete Bvurke den Antrag, der
Adresse, mit welcher die Thronrede beantwortet werden sollte, einen Zusatz'
beizugeben, der mit den Sätzen begann: "Wir lenken die Aufmerksamkeit der
Königin auf den Mißerfolg, welchen bis jetzt alle Versuche des Kabinets hatte",
die ägyptischen Angelegenheiten auf eine gesunde Grundlage zu stelle", ""d
zwar sowohl hinsichtlich der Umgestaltung der Gerechtigkeitspflege als der zu-
friedenstellender Losung der Finanzfrage und der Wiederherstellung von Ruhe
und Sicherheit in den Grenzvroviuzcn. Die bisherige Politik hat lediglich
Schwächung des Ansehens der Regierung zur Folge gehabt, ohne daß sie dafür
einen genügenden Ersatz geboten hätte." Weiter hieß es in dem Antrage: "Ein
solches Verfahren trägt Gefahren für Ägypten im Schoße und steigert die
Verantwortlichkeit Englands Ägypten und den europäischen Mächten gegenüber."
Die Regierung wußte darauf nichts zu erwiedern, sie schwieg selbst, als der
Redner fortfuhr: "Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie sage", Ägypten hat dies
und jenes gethan. Ägypten befindet sich durchaus in unsrer Hand. Ans ""ser
Gebot werden dort Heere ausgesandt und zurückgezogen, Minister entlasse"
und angestellt und große Gebiete aufgegeben. Eine englische Armee hält die
Hauptstadt besetzt und läßt sich ans den Einkünften des Landes besolden, und
diese Armee wird nicht gebraucht, um Ägypten zu verteidigen, sonder" um den^
Nizekönig zur Zerstückelung seines Reiches zu zwingen." Die Negierung half
sich damit aus der Verlegenheit, daß sie die Verhandlung über den Bourkesche"
Antrag hintertrieb und die Abstimmung über denselben unter Umstände" vor¬
nehmen ließ, die ihr günstig waren. Von den 636 Mitgliedern des Hanfes
waren in diesem Augenblicke nur 97 auf ihrem Platze (die übrigen waren zu


Eine neue Niederlage! Englands im Sudan.

Verprvviantirung mit Verteidigung Ehartmns benutzen können, wenn der Mahdi
soweit ist, daß er die Stadt einschließen kann.

Das ist die Sachlage, die, wie jetzt in der Londoner Presse offen erklärt,,
wird, nicht durch Hicks, nicht durch Vater, auch nicht durch den Chedivc, sondern
einzig und allein durch „die verhängnisvolle Leidenschaft, jede der verschiednen
aufeinanderfolgenden Prophezeiungen Lord Hartingtons zu erfüllen," herbei¬
geführt worden ist, „welche England vkkupircn und nicht protegiren ließ." Unter
dem Eindrucke so schwerer Mißgriffe und Unfälle begann die ägyptische Debatte
im Parlamente. „Man sah in den Gesichtern, man horte im Tone sowohl der
offizielle» als der nichtoffiziellen Redner die Wichtigkeit der trüben Kunde aus-
gedrückt, und obwohl mir wenige der bei Teb Gefallenen britischen Blutes sind
und Sinkat und Tokar fern von Birmingham und Leeds liegen, so würden
wir irren, wenn wir annehmen wollten, der großherzige Sinn sbloß der?^ der
Nation werde nicht sofort verlangen, daß die Regierung der Königin entweder
die Okkupation aufgebe oder sie in wirksame Protektion verwandle, d. h. der
ägyptischen Regierung materiell zu Hilfe komme."

Die konservative Partei hat sich sowohl im Ober- als im Unterhause
energisch geregt. Im letzteren stellte der Abgeordnete Bvurke den Antrag, der
Adresse, mit welcher die Thronrede beantwortet werden sollte, einen Zusatz'
beizugeben, der mit den Sätzen begann: „Wir lenken die Aufmerksamkeit der
Königin auf den Mißerfolg, welchen bis jetzt alle Versuche des Kabinets hatte»,
die ägyptischen Angelegenheiten auf eine gesunde Grundlage zu stelle», »»d
zwar sowohl hinsichtlich der Umgestaltung der Gerechtigkeitspflege als der zu-
friedenstellender Losung der Finanzfrage und der Wiederherstellung von Ruhe
und Sicherheit in den Grenzvroviuzcn. Die bisherige Politik hat lediglich
Schwächung des Ansehens der Regierung zur Folge gehabt, ohne daß sie dafür
einen genügenden Ersatz geboten hätte." Weiter hieß es in dem Antrage: „Ein
solches Verfahren trägt Gefahren für Ägypten im Schoße und steigert die
Verantwortlichkeit Englands Ägypten und den europäischen Mächten gegenüber."
Die Regierung wußte darauf nichts zu erwiedern, sie schwieg selbst, als der
Redner fortfuhr: „Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie sage», Ägypten hat dies
und jenes gethan. Ägypten befindet sich durchaus in unsrer Hand. Ans »»ser
Gebot werden dort Heere ausgesandt und zurückgezogen, Minister entlasse»
und angestellt und große Gebiete aufgegeben. Eine englische Armee hält die
Hauptstadt besetzt und läßt sich ans den Einkünften des Landes besolden, und
diese Armee wird nicht gebraucht, um Ägypten zu verteidigen, sonder» um den^
Nizekönig zur Zerstückelung seines Reiches zu zwingen." Die Negierung half
sich damit aus der Verlegenheit, daß sie die Verhandlung über den Bourkesche»
Antrag hintertrieb und die Abstimmung über denselben unter Umstände» vor¬
nehmen ließ, die ihr günstig waren. Von den 636 Mitgliedern des Hanfes
waren in diesem Augenblicke nur 97 auf ihrem Platze (die übrigen waren zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/384>, abgerufen am 30.06.2024.