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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Line neue Niederlage Englands im Sudan.

Feinde das Leben zu erkaufen. Der Haß gegen die Ägypter ist unter den
aufständischen Stämmen viel zu heiß, als daß daran zu denken wäre. Die
'.'"glücklichen Verteidiger Sinkats müssen entweder in verzweifeltem Ausfalle
unterliegen, wo sie keine Hvffmmg auf Entkommen haben, da Suakin für ent¬
kräftete Menschen viel zu weit von dort entfernt ist, oder sich ans Gnade und
Ungnade Feinden ergeben, die sie ohne Erbarmen abschlachten werden. Bei
ihnen befinden sich gegen tausend Weiber und Kinder, die hilflosen und un¬
schuldigen Opfer derselben zaubernden und schwankenden Politik, welche dein
Chedivc das Aufgeben von ganzen Provinzen anbefahl und nicht genug Ent¬
schlossenheit hatte, um zur Rettung einer Festung Beistand zu leisten. Was
mit diesen Weibern und Kindern geschehen wird, kann man sich vorstellen, wenn
man sich erinnert, wie der Führer der dortigen Aufständischen, Osman Digna,
als er die Wnsteustämmc Ostsudaus sür den Mahdi aufrief, ihnen sagte, sie
"wehten sich den Lohn für ihre Mühen während des Feldzuges durch Raub
Erschaffen.

Nach dem Falle der beiden Festungen ist selbst Suatiu schwer gefährdet
Denn die Flüchtlinge vom Heere Bakers, die jetzt dorthin gebracht worden sind
werden bei einer Verteidigung dieses Platzes nicht viel leisten, und es ist sehr
wahrscheinlich, daß die siegreichen Stämme sich jetzt in Massen hier versammeln
>>"d eine" Sturm versuchen werden, wo dann das Geschwader Sir William
Hcwetts mit seinen Kanonen die Verteidigung übernehmen müßte. Wenn das
der Schluß des traurigen Kapitels sein sollte, werden die Anhänger der jetzigen
englischen Regierung schwerlich noch behaupten können: "das Ziel unsrer Be¬
satzung Ägyptens bleibt unabänderlich dasselbe, und der Chedive, nicht das
niglischc Ministerium hat deu Beschluß gefaßt, sich aus dem Innern des Sudan
^rückzuziehen."

Eine weitere Folge der Niederlage, welche die englische Politik bei Teb
erlitten hat, ist die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, daß Gvrdonö Mission
mißglücken wird. Man reitet auf einen: schucllgehenden Kamele in uur neun
Tagen von Tolar nach Berber, und so wird gerade zu der Zeit, wo Gladstones
Emissär mit seinen Gcldsückcn um letzter" Orte angelangt sein wird, auch die Nachricht
von dem Siege des Mahdi dort eingetroffen sein. Gordon wird viel Glück und Geschick
bedürfen, wenn er mit heiler Haut nach Chartum gelangen und die Stadt in
guten Vertcidigungszustand setzen will, nachdem so verhängnisvolle Kunde durch
Ac Bazare gegangen ist und dann bei den Stämmen draußen Zelt für Zelt
freudig bewegt hat. Die Idee, die bürgerliche Bevölkerung der Stadt, 11- bis
12 000 Seelen, durch ein Land voll von Jubel und Frohlocken über die neue
Niederlage der Gicmrs und voll Siegeszuversicht in Sicherheit zu bringen, wird
aufzugeben sein, wenigstens für die nächsten Monate. Wird sie aber aufgegeben,
so tritt im Mai die heiße Jahreszeit ein, und der Nil wird hier zu seicht für
die Schifffahrt, man wird ihn also nicht zur Evakuation und ebenso nicht zur


Line neue Niederlage Englands im Sudan.

Feinde das Leben zu erkaufen. Der Haß gegen die Ägypter ist unter den
aufständischen Stämmen viel zu heiß, als daß daran zu denken wäre. Die
'.'»glücklichen Verteidiger Sinkats müssen entweder in verzweifeltem Ausfalle
unterliegen, wo sie keine Hvffmmg auf Entkommen haben, da Suakin für ent¬
kräftete Menschen viel zu weit von dort entfernt ist, oder sich ans Gnade und
Ungnade Feinden ergeben, die sie ohne Erbarmen abschlachten werden. Bei
ihnen befinden sich gegen tausend Weiber und Kinder, die hilflosen und un¬
schuldigen Opfer derselben zaubernden und schwankenden Politik, welche dein
Chedivc das Aufgeben von ganzen Provinzen anbefahl und nicht genug Ent¬
schlossenheit hatte, um zur Rettung einer Festung Beistand zu leisten. Was
mit diesen Weibern und Kindern geschehen wird, kann man sich vorstellen, wenn
man sich erinnert, wie der Führer der dortigen Aufständischen, Osman Digna,
als er die Wnsteustämmc Ostsudaus sür den Mahdi aufrief, ihnen sagte, sie
"wehten sich den Lohn für ihre Mühen während des Feldzuges durch Raub
Erschaffen.

Nach dem Falle der beiden Festungen ist selbst Suatiu schwer gefährdet
Denn die Flüchtlinge vom Heere Bakers, die jetzt dorthin gebracht worden sind
werden bei einer Verteidigung dieses Platzes nicht viel leisten, und es ist sehr
wahrscheinlich, daß die siegreichen Stämme sich jetzt in Massen hier versammeln
>>"d eine» Sturm versuchen werden, wo dann das Geschwader Sir William
Hcwetts mit seinen Kanonen die Verteidigung übernehmen müßte. Wenn das
der Schluß des traurigen Kapitels sein sollte, werden die Anhänger der jetzigen
englischen Regierung schwerlich noch behaupten können: „das Ziel unsrer Be¬
satzung Ägyptens bleibt unabänderlich dasselbe, und der Chedive, nicht das
niglischc Ministerium hat deu Beschluß gefaßt, sich aus dem Innern des Sudan
^rückzuziehen."

Eine weitere Folge der Niederlage, welche die englische Politik bei Teb
erlitten hat, ist die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, daß Gvrdonö Mission
mißglücken wird. Man reitet auf einen: schucllgehenden Kamele in uur neun
Tagen von Tolar nach Berber, und so wird gerade zu der Zeit, wo Gladstones
Emissär mit seinen Gcldsückcn um letzter» Orte angelangt sein wird, auch die Nachricht
von dem Siege des Mahdi dort eingetroffen sein. Gordon wird viel Glück und Geschick
bedürfen, wenn er mit heiler Haut nach Chartum gelangen und die Stadt in
guten Vertcidigungszustand setzen will, nachdem so verhängnisvolle Kunde durch
Ac Bazare gegangen ist und dann bei den Stämmen draußen Zelt für Zelt
freudig bewegt hat. Die Idee, die bürgerliche Bevölkerung der Stadt, 11- bis
12 000 Seelen, durch ein Land voll von Jubel und Frohlocken über die neue
Niederlage der Gicmrs und voll Siegeszuversicht in Sicherheit zu bringen, wird
aufzugeben sein, wenigstens für die nächsten Monate. Wird sie aber aufgegeben,
so tritt im Mai die heiße Jahreszeit ein, und der Nil wird hier zu seicht für
die Schifffahrt, man wird ihn also nicht zur Evakuation und ebenso nicht zur


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[0383] Line neue Niederlage Englands im Sudan. Feinde das Leben zu erkaufen. Der Haß gegen die Ägypter ist unter den aufständischen Stämmen viel zu heiß, als daß daran zu denken wäre. Die '.'»glücklichen Verteidiger Sinkats müssen entweder in verzweifeltem Ausfalle unterliegen, wo sie keine Hvffmmg auf Entkommen haben, da Suakin für ent¬ kräftete Menschen viel zu weit von dort entfernt ist, oder sich ans Gnade und Ungnade Feinden ergeben, die sie ohne Erbarmen abschlachten werden. Bei ihnen befinden sich gegen tausend Weiber und Kinder, die hilflosen und un¬ schuldigen Opfer derselben zaubernden und schwankenden Politik, welche dein Chedivc das Aufgeben von ganzen Provinzen anbefahl und nicht genug Ent¬ schlossenheit hatte, um zur Rettung einer Festung Beistand zu leisten. Was mit diesen Weibern und Kindern geschehen wird, kann man sich vorstellen, wenn man sich erinnert, wie der Führer der dortigen Aufständischen, Osman Digna, als er die Wnsteustämmc Ostsudaus sür den Mahdi aufrief, ihnen sagte, sie "wehten sich den Lohn für ihre Mühen während des Feldzuges durch Raub Erschaffen. Nach dem Falle der beiden Festungen ist selbst Suatiu schwer gefährdet Denn die Flüchtlinge vom Heere Bakers, die jetzt dorthin gebracht worden sind werden bei einer Verteidigung dieses Platzes nicht viel leisten, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die siegreichen Stämme sich jetzt in Massen hier versammeln >>"d eine» Sturm versuchen werden, wo dann das Geschwader Sir William Hcwetts mit seinen Kanonen die Verteidigung übernehmen müßte. Wenn das der Schluß des traurigen Kapitels sein sollte, werden die Anhänger der jetzigen englischen Regierung schwerlich noch behaupten können: „das Ziel unsrer Be¬ satzung Ägyptens bleibt unabänderlich dasselbe, und der Chedive, nicht das niglischc Ministerium hat deu Beschluß gefaßt, sich aus dem Innern des Sudan ^rückzuziehen." Eine weitere Folge der Niederlage, welche die englische Politik bei Teb erlitten hat, ist die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, daß Gvrdonö Mission mißglücken wird. Man reitet auf einen: schucllgehenden Kamele in uur neun Tagen von Tolar nach Berber, und so wird gerade zu der Zeit, wo Gladstones Emissär mit seinen Gcldsückcn um letzter» Orte angelangt sein wird, auch die Nachricht von dem Siege des Mahdi dort eingetroffen sein. Gordon wird viel Glück und Geschick bedürfen, wenn er mit heiler Haut nach Chartum gelangen und die Stadt in guten Vertcidigungszustand setzen will, nachdem so verhängnisvolle Kunde durch Ac Bazare gegangen ist und dann bei den Stämmen draußen Zelt für Zelt freudig bewegt hat. Die Idee, die bürgerliche Bevölkerung der Stadt, 11- bis 12 000 Seelen, durch ein Land voll von Jubel und Frohlocken über die neue Niederlage der Gicmrs und voll Siegeszuversicht in Sicherheit zu bringen, wird aufzugeben sein, wenigstens für die nächsten Monate. Wird sie aber aufgegeben, so tritt im Mai die heiße Jahreszeit ein, und der Nil wird hier zu seicht für die Schifffahrt, man wird ihn also nicht zur Evakuation und ebenso nicht zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/383>, abgerufen am 02.07.2024.