Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

schönes in zu hohen Prämien weggeworfenes Geld John Bull und Bruder
Jonathan ruhig schlafen könne".

Wenn in den Repliken die Verluste einzelner Gesellschaften als Warnung
vor allen etwaigen VerstaatlichungSgedankcn angeführt werden, so wissen wir,
daß diese Verluste -- mit Ausnahme der kosmopolitischen Magdeburgerin, welche
in der Sucht, an Ausbreitung des Geschäfts die größten englischen Gesellschaften
zu übertreffen, lebhaft an den Wettkampf des Frosches mit dem Stier er¬
innert - nur die jüngeren Gesellschaften betroffen haben. Diese müssen bei der
strammen Konkurrenz der fest im Sattel sitzenden ältern Schwestern ihr Ver¬
sicherungsgebiet auf minder ausgiebigen Feldern suchen. In dem Streben nach
einer möglichst hohen Versicherungssumme -- um durch ein relativ großes
Geschäft ihre Tüchtigkeit zu beweisen -- sind sie in der Annahme von Risiken
und in der Normirung der Prämien weniger heilet, und doch kosten ihnen diese
gefährlichen Risiken, für welche sie in minder gefährlichen guten Objekten kein
Äquivalent haben, bedeutende Acquisitionskostcn; auch verlangt die Organisation bei
dem thatsächlichen Mangel an guten, leistungsfähigen Agenten stets neue Opfer.

Von 28 deutschen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften arbeiteten ältere
dings 1880 elf, im Jahre 1881 fünfzehn mit Verlust. Muß aber da nicht
die Erwägung Platz greifen, ob bei dauernden Verlusten nicht die Lebens¬
unfähigkeit dieser nicht prosperirenden Gesellschaften bewiesen wird, und ob das
Interesse des verhindernden Publikums durch Verheimlichung dieser Thatsache
bewahrt bleibt?

Die Resultate der prosperirenden Gesellschaften, sowie die der öffentlichen
Sozietäten, welche wesentlich niedrigere Prämien ausschreiben, beweisen, daß das
Versicheruugsgeschäft dem Publikum zu teuer zu stehen kommt. Der Einwand,
daß die Sozietäten das ungefährlichere Geschäft betreiben und deswegen mit
billigern Prämien arbeiten können, ist nicht stichhaltig. Wenn sie auch bis jetzt
die hoch tarifirten Fabriken und Warenlager der Handelsplätze nicht in ihren
Geschäftskreis schließen, so entgeht ihnen dafür das verhältnismäßig sichere
Mobiliarversicherungsgeschäft der mit Wasserleitungen und gut organisirten
Berufsfeuerwehren versehenen großen Städte. Andrerseits sind sie gezwungen,
alle an sie herantretenden Risiken unter der weichen Dachung des platten Landes
und der kleinen Städte in Deckung zu nehmen.

Mit welcher verhältnismüßig geringen Prämie sogar als feuergefähr¬
lich bekannte Risiken bei sparsamer Verwaltung den Zweck der Versicherung
erreichen, beweist der letzte Abschluß des Vockwindmühlen-Versicherungs¬
vereins zu Neumarkt sür die Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Oppeln
und Posen. Windmühlen werden von den Aktiengesellschaften stets ungern und
auch nur als Anhang zu einer größern Versicherung andrer, minder ge¬
fährlicher Objekte angenommen und bedingen allein für die Entschädigung
des durch Feuer entstehenden Schadens eine Prämie von 10 bis 8 Promille mit


schönes in zu hohen Prämien weggeworfenes Geld John Bull und Bruder
Jonathan ruhig schlafen könne».

Wenn in den Repliken die Verluste einzelner Gesellschaften als Warnung
vor allen etwaigen VerstaatlichungSgedankcn angeführt werden, so wissen wir,
daß diese Verluste — mit Ausnahme der kosmopolitischen Magdeburgerin, welche
in der Sucht, an Ausbreitung des Geschäfts die größten englischen Gesellschaften
zu übertreffen, lebhaft an den Wettkampf des Frosches mit dem Stier er¬
innert - nur die jüngeren Gesellschaften betroffen haben. Diese müssen bei der
strammen Konkurrenz der fest im Sattel sitzenden ältern Schwestern ihr Ver¬
sicherungsgebiet auf minder ausgiebigen Feldern suchen. In dem Streben nach
einer möglichst hohen Versicherungssumme — um durch ein relativ großes
Geschäft ihre Tüchtigkeit zu beweisen — sind sie in der Annahme von Risiken
und in der Normirung der Prämien weniger heilet, und doch kosten ihnen diese
gefährlichen Risiken, für welche sie in minder gefährlichen guten Objekten kein
Äquivalent haben, bedeutende Acquisitionskostcn; auch verlangt die Organisation bei
dem thatsächlichen Mangel an guten, leistungsfähigen Agenten stets neue Opfer.

Von 28 deutschen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften arbeiteten ältere
dings 1880 elf, im Jahre 1881 fünfzehn mit Verlust. Muß aber da nicht
die Erwägung Platz greifen, ob bei dauernden Verlusten nicht die Lebens¬
unfähigkeit dieser nicht prosperirenden Gesellschaften bewiesen wird, und ob das
Interesse des verhindernden Publikums durch Verheimlichung dieser Thatsache
bewahrt bleibt?

Die Resultate der prosperirenden Gesellschaften, sowie die der öffentlichen
Sozietäten, welche wesentlich niedrigere Prämien ausschreiben, beweisen, daß das
Versicheruugsgeschäft dem Publikum zu teuer zu stehen kommt. Der Einwand,
daß die Sozietäten das ungefährlichere Geschäft betreiben und deswegen mit
billigern Prämien arbeiten können, ist nicht stichhaltig. Wenn sie auch bis jetzt
die hoch tarifirten Fabriken und Warenlager der Handelsplätze nicht in ihren
Geschäftskreis schließen, so entgeht ihnen dafür das verhältnismäßig sichere
Mobiliarversicherungsgeschäft der mit Wasserleitungen und gut organisirten
Berufsfeuerwehren versehenen großen Städte. Andrerseits sind sie gezwungen,
alle an sie herantretenden Risiken unter der weichen Dachung des platten Landes
und der kleinen Städte in Deckung zu nehmen.

Mit welcher verhältnismüßig geringen Prämie sogar als feuergefähr¬
lich bekannte Risiken bei sparsamer Verwaltung den Zweck der Versicherung
erreichen, beweist der letzte Abschluß des Vockwindmühlen-Versicherungs¬
vereins zu Neumarkt sür die Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Oppeln
und Posen. Windmühlen werden von den Aktiengesellschaften stets ungern und
auch nur als Anhang zu einer größern Versicherung andrer, minder ge¬
fährlicher Objekte angenommen und bedingen allein für die Entschädigung
des durch Feuer entstehenden Schadens eine Prämie von 10 bis 8 Promille mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155221"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> schönes in zu hohen Prämien weggeworfenes Geld John Bull und Bruder<lb/>
Jonathan ruhig schlafen könne».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1391"> Wenn in den Repliken die Verluste einzelner Gesellschaften als Warnung<lb/>
vor allen etwaigen VerstaatlichungSgedankcn angeführt werden, so wissen wir,<lb/>
daß diese Verluste &#x2014; mit Ausnahme der kosmopolitischen Magdeburgerin, welche<lb/>
in der Sucht, an Ausbreitung des Geschäfts die größten englischen Gesellschaften<lb/>
zu übertreffen, lebhaft an den Wettkampf des Frosches mit dem Stier er¬<lb/>
innert - nur die jüngeren Gesellschaften betroffen haben. Diese müssen bei der<lb/>
strammen Konkurrenz der fest im Sattel sitzenden ältern Schwestern ihr Ver¬<lb/>
sicherungsgebiet auf minder ausgiebigen Feldern suchen. In dem Streben nach<lb/>
einer möglichst hohen Versicherungssumme &#x2014; um durch ein relativ großes<lb/>
Geschäft ihre Tüchtigkeit zu beweisen &#x2014; sind sie in der Annahme von Risiken<lb/>
und in der Normirung der Prämien weniger heilet, und doch kosten ihnen diese<lb/>
gefährlichen Risiken, für welche sie in minder gefährlichen guten Objekten kein<lb/>
Äquivalent haben, bedeutende Acquisitionskostcn; auch verlangt die Organisation bei<lb/>
dem thatsächlichen Mangel an guten, leistungsfähigen Agenten stets neue Opfer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1392"> Von 28 deutschen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften arbeiteten ältere<lb/>
dings 1880 elf, im Jahre 1881 fünfzehn mit Verlust. Muß aber da nicht<lb/>
die Erwägung Platz greifen, ob bei dauernden Verlusten nicht die Lebens¬<lb/>
unfähigkeit dieser nicht prosperirenden Gesellschaften bewiesen wird, und ob das<lb/>
Interesse des verhindernden Publikums durch Verheimlichung dieser Thatsache<lb/>
bewahrt bleibt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1393"> Die Resultate der prosperirenden Gesellschaften, sowie die der öffentlichen<lb/>
Sozietäten, welche wesentlich niedrigere Prämien ausschreiben, beweisen, daß das<lb/>
Versicheruugsgeschäft dem Publikum zu teuer zu stehen kommt. Der Einwand,<lb/>
daß die Sozietäten das ungefährlichere Geschäft betreiben und deswegen mit<lb/>
billigern Prämien arbeiten können, ist nicht stichhaltig. Wenn sie auch bis jetzt<lb/>
die hoch tarifirten Fabriken und Warenlager der Handelsplätze nicht in ihren<lb/>
Geschäftskreis schließen, so entgeht ihnen dafür das verhältnismäßig sichere<lb/>
Mobiliarversicherungsgeschäft der mit Wasserleitungen und gut organisirten<lb/>
Berufsfeuerwehren versehenen großen Städte. Andrerseits sind sie gezwungen,<lb/>
alle an sie herantretenden Risiken unter der weichen Dachung des platten Landes<lb/>
und der kleinen Städte in Deckung zu nehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1394" next="#ID_1395"> Mit welcher verhältnismüßig geringen Prämie sogar als feuergefähr¬<lb/>
lich bekannte Risiken bei sparsamer Verwaltung den Zweck der Versicherung<lb/>
erreichen, beweist der letzte Abschluß des Vockwindmühlen-Versicherungs¬<lb/>
vereins zu Neumarkt sür die Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Oppeln<lb/>
und Posen. Windmühlen werden von den Aktiengesellschaften stets ungern und<lb/>
auch nur als Anhang zu einer größern Versicherung andrer, minder ge¬<lb/>
fährlicher Objekte angenommen und bedingen allein für die Entschädigung<lb/>
des durch Feuer entstehenden Schadens eine Prämie von 10 bis 8 Promille mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0338] schönes in zu hohen Prämien weggeworfenes Geld John Bull und Bruder Jonathan ruhig schlafen könne». Wenn in den Repliken die Verluste einzelner Gesellschaften als Warnung vor allen etwaigen VerstaatlichungSgedankcn angeführt werden, so wissen wir, daß diese Verluste — mit Ausnahme der kosmopolitischen Magdeburgerin, welche in der Sucht, an Ausbreitung des Geschäfts die größten englischen Gesellschaften zu übertreffen, lebhaft an den Wettkampf des Frosches mit dem Stier er¬ innert - nur die jüngeren Gesellschaften betroffen haben. Diese müssen bei der strammen Konkurrenz der fest im Sattel sitzenden ältern Schwestern ihr Ver¬ sicherungsgebiet auf minder ausgiebigen Feldern suchen. In dem Streben nach einer möglichst hohen Versicherungssumme — um durch ein relativ großes Geschäft ihre Tüchtigkeit zu beweisen — sind sie in der Annahme von Risiken und in der Normirung der Prämien weniger heilet, und doch kosten ihnen diese gefährlichen Risiken, für welche sie in minder gefährlichen guten Objekten kein Äquivalent haben, bedeutende Acquisitionskostcn; auch verlangt die Organisation bei dem thatsächlichen Mangel an guten, leistungsfähigen Agenten stets neue Opfer. Von 28 deutschen Feuerversicherungs-Aktiengesellschaften arbeiteten ältere dings 1880 elf, im Jahre 1881 fünfzehn mit Verlust. Muß aber da nicht die Erwägung Platz greifen, ob bei dauernden Verlusten nicht die Lebens¬ unfähigkeit dieser nicht prosperirenden Gesellschaften bewiesen wird, und ob das Interesse des verhindernden Publikums durch Verheimlichung dieser Thatsache bewahrt bleibt? Die Resultate der prosperirenden Gesellschaften, sowie die der öffentlichen Sozietäten, welche wesentlich niedrigere Prämien ausschreiben, beweisen, daß das Versicheruugsgeschäft dem Publikum zu teuer zu stehen kommt. Der Einwand, daß die Sozietäten das ungefährlichere Geschäft betreiben und deswegen mit billigern Prämien arbeiten können, ist nicht stichhaltig. Wenn sie auch bis jetzt die hoch tarifirten Fabriken und Warenlager der Handelsplätze nicht in ihren Geschäftskreis schließen, so entgeht ihnen dafür das verhältnismäßig sichere Mobiliarversicherungsgeschäft der mit Wasserleitungen und gut organisirten Berufsfeuerwehren versehenen großen Städte. Andrerseits sind sie gezwungen, alle an sie herantretenden Risiken unter der weichen Dachung des platten Landes und der kleinen Städte in Deckung zu nehmen. Mit welcher verhältnismüßig geringen Prämie sogar als feuergefähr¬ lich bekannte Risiken bei sparsamer Verwaltung den Zweck der Versicherung erreichen, beweist der letzte Abschluß des Vockwindmühlen-Versicherungs¬ vereins zu Neumarkt sür die Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Oppeln und Posen. Windmühlen werden von den Aktiengesellschaften stets ungern und auch nur als Anhang zu einer größern Versicherung andrer, minder ge¬ fährlicher Objekte angenommen und bedingen allein für die Entschädigung des durch Feuer entstehenden Schadens eine Prämie von 10 bis 8 Promille mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/338
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/338>, abgerufen am 28.09.2024.