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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Das Schriftstellcrolend.

Wir wolle" seine Argumente gegen die Schillerstiftung hier nicht wiederholen;
wer sich derselben nicht erinnert, möge die Rede nachlesen, das ist unter allen
Umständen eine nützliche Beschäftigung,

Die Vereine und Verbände allein können nicht helfen, das Publikum will
nicht helfen -- so bleibt uns nur der Staat übrig. Wenn die Presse Ansprüche
erhebt, so beruft sie sich auf ihr öffentliches Amt, wenn Ansprüche an sie ge¬
macht werden, erklärt sie sich bescheiden als Gewerbe. Beides ist richtig, und
auf beiden Punkten muß der Hebel angesetzt werden. Wer ein Amt bekleiden
will, muß seine Fähigkeiten und Kenntnisse nachweisen und darf nicht industrielle
Geschäfte betreiben, welche Einfluß auf die Verwaltung seines Amtes haben
können. Den ersten dieser beiden Punkte berührt der Verfasser nicht oder doch
nicht direkt, das Jnscratenunwesen bespricht er mehrfach. Der Verfasser dieser
Zeilen hat vor fünf bis sechs Jahren durch eine Besprechung dieser, auch
brennenden, Frage (in den "Preußischen Jahrbüchern") einen kleinen Sturm
heraufbeschworen. Von alle" Seiten wurden seine Vorschläge für gänzlich
unausführbar erklärt, ohne Ankündigungen könnten die Zeitungen, wie sie sich
nun einmal entwickelt haben, nicht bestehen. Das ist richtig, wir wünschen auch
garnicht, daß sie "so" fortbestehen. Eine 1879 von Robert Schmölder heraus¬
gegebene Schrift spricht sich für einen Mittelweg aus: Inserate geschäftlicher
Natur sollen ausschließlich den amtlichen Anzeigeblättern zugewiesen werden.
Spiethvff seinerseits erkennt den Schaden an, welchen "Frivolität und Scham¬
losigkeit im Bunde mit schmutziger Geldsucht" ans diesem Felde anrichten, würdigt
aber nicht, wie oft und in wie wichtigen Fragen der Inserent die Haltung
eines Blattes beeinflussen kann. Redaktionen, welche am geräuschvollsten auf
ihre Unabhängigkeit pochen, unterwerfen sich manchmal ohne Widerstand der
Zensur oder Korrektur eines ständigen Mitarbeiters -- der letzten Seite. Vor
allem haben die geschäftlichen Anzeigen garnichts mit einer politischen Zeitung
zu schaffen. Aber bei der jetzigen Gewöhnung der Leser wären selbständige
und nur selbständig vertriebene Jutclligenzblätter kein genügender Ersatz, weder
für die Ankündigenden, noch für deren Publikum. Deshalb halten wir unsern
Gedanken aufrecht, daß die amtlichen Anzeigeblätter gar keinen redaktionellen
Text enthalten dürfen, hingegen jeder Zeitung ohne Unterschied der Farbe bei¬
gelegt werden können. Eine wie viel größere Verbreitung erhielte dadurch die
Ankündigung, um wie viel wohlfeiler käme sie -- absolut und vollends relativ! --
zu stehen, und welche Einnahme könnte in die Staatskasse fließen, die sich
niemand fühlbar machte! Ja so, den Zeitungsunternehmungen. Aber Spiethvff
kommt nach allen Einwendungen doch zu dem Schlüsse, daß die Verstaatlichung
des Jnscratcnwescns, die nicht ohne Entschädigung einzuführen wäre, immer
noch der schrankenlosen Konkurrenz der Privatspekulation vorzuziehen sei. Man
sieht, die Sache wird heute schon etwas kühler aufgefaßt.


Das Schriftstellcrolend.

Wir wolle» seine Argumente gegen die Schillerstiftung hier nicht wiederholen;
wer sich derselben nicht erinnert, möge die Rede nachlesen, das ist unter allen
Umständen eine nützliche Beschäftigung,

Die Vereine und Verbände allein können nicht helfen, das Publikum will
nicht helfen — so bleibt uns nur der Staat übrig. Wenn die Presse Ansprüche
erhebt, so beruft sie sich auf ihr öffentliches Amt, wenn Ansprüche an sie ge¬
macht werden, erklärt sie sich bescheiden als Gewerbe. Beides ist richtig, und
auf beiden Punkten muß der Hebel angesetzt werden. Wer ein Amt bekleiden
will, muß seine Fähigkeiten und Kenntnisse nachweisen und darf nicht industrielle
Geschäfte betreiben, welche Einfluß auf die Verwaltung seines Amtes haben
können. Den ersten dieser beiden Punkte berührt der Verfasser nicht oder doch
nicht direkt, das Jnscratenunwesen bespricht er mehrfach. Der Verfasser dieser
Zeilen hat vor fünf bis sechs Jahren durch eine Besprechung dieser, auch
brennenden, Frage (in den „Preußischen Jahrbüchern") einen kleinen Sturm
heraufbeschworen. Von alle» Seiten wurden seine Vorschläge für gänzlich
unausführbar erklärt, ohne Ankündigungen könnten die Zeitungen, wie sie sich
nun einmal entwickelt haben, nicht bestehen. Das ist richtig, wir wünschen auch
garnicht, daß sie „so" fortbestehen. Eine 1879 von Robert Schmölder heraus¬
gegebene Schrift spricht sich für einen Mittelweg aus: Inserate geschäftlicher
Natur sollen ausschließlich den amtlichen Anzeigeblättern zugewiesen werden.
Spiethvff seinerseits erkennt den Schaden an, welchen „Frivolität und Scham¬
losigkeit im Bunde mit schmutziger Geldsucht" ans diesem Felde anrichten, würdigt
aber nicht, wie oft und in wie wichtigen Fragen der Inserent die Haltung
eines Blattes beeinflussen kann. Redaktionen, welche am geräuschvollsten auf
ihre Unabhängigkeit pochen, unterwerfen sich manchmal ohne Widerstand der
Zensur oder Korrektur eines ständigen Mitarbeiters — der letzten Seite. Vor
allem haben die geschäftlichen Anzeigen garnichts mit einer politischen Zeitung
zu schaffen. Aber bei der jetzigen Gewöhnung der Leser wären selbständige
und nur selbständig vertriebene Jutclligenzblätter kein genügender Ersatz, weder
für die Ankündigenden, noch für deren Publikum. Deshalb halten wir unsern
Gedanken aufrecht, daß die amtlichen Anzeigeblätter gar keinen redaktionellen
Text enthalten dürfen, hingegen jeder Zeitung ohne Unterschied der Farbe bei¬
gelegt werden können. Eine wie viel größere Verbreitung erhielte dadurch die
Ankündigung, um wie viel wohlfeiler käme sie — absolut und vollends relativ! —
zu stehen, und welche Einnahme könnte in die Staatskasse fließen, die sich
niemand fühlbar machte! Ja so, den Zeitungsunternehmungen. Aber Spiethvff
kommt nach allen Einwendungen doch zu dem Schlüsse, daß die Verstaatlichung
des Jnscratcnwescns, die nicht ohne Entschädigung einzuführen wäre, immer
noch der schrankenlosen Konkurrenz der Privatspekulation vorzuziehen sei. Man
sieht, die Sache wird heute schon etwas kühler aufgefaßt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/311>, abgerufen am 24.07.2024.