Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Schriftstellerelend.

Verfasser selbst gefühlt hat, in dieser Verbindung könne der Aufsatz aufgefaßt
werden wie ein Hilferuf gegen


die Schncidcrmamscllen,
Die das Brot verkürzen uns SchneidergeseUen.

Ein ungenannter Korrespondent des Verfassers (offenbar G, Freytag) hat auch
etwas derartiges befürchtet, und die Klage, daß "die Presse sich gegenwärtig
wie die Theaterdirektvren und Schauspieler zu sehr durch Leute bedienen lassen,
die nicht zum Metier gehören," die "vielfach die Fettaugen von der Suppe
schöpfen," klingt mindestens zweideutig. Aber sei dem, wie ihm wolle: der
Anteil der Blaustrümpfe an der Schuld des "deutschen Schriftstellerelends" kann
schwerlich so groß sein, daß die ohnehin sehr komplizirte Frage durch Herbei¬
ziehung der "Schriftstellerinne"" noch schwieriger gemacht werden müßte. Was
sollen ferner die fünfviertel Druckbogen füllenden Auseinandersetzungen über eine
überflüssige Broschüre eines halbgebildeter, aber ganz erbosten Malers? -- ab¬
gesehen davon, daß jemand, der den Satz niederschreiben kann: "Auch hat mich
die Anmaßung von Gelehrten, die besser als unsre ersten Maler wissen wollen,
ob ein Rubenssches Bild echt oder nachgemacht ist, wahrhaft in Erstannen ge¬
setzt," und der ganz nach Malerart Knnstforschuug und Tageskritik durch¬
einanderwirft, in diesem Falle kein kompetenter Richter ist. In Beziehung auf
die angebliche Unterdrückung der inländischen dramatischen Produktion durch die
Theaterdirektvren hat der oben erwähnte Korrespondent den Verfasser schon
berichtigt.

Wir haben diese Ausstellungen vorangeschickt und wollen auch noch unser
Bedauern über den -- Geschmack des Verlegers aussprechen (welcher, wahr¬
scheinlich um die "schiefe Stellung" der Schriftsteller zu versinnlichen, die Titel¬
worte der Schrift in diagonaler Richtung setzen ließ), um nun rückhaltlos an¬
zuerkennen, daß wir es in dem Verfasser mit einem Manne von redlichsten
Willen, nationaler Gesinnung und Freimut zu thun haben. Wie sehr er sich
bemüht, den wahren Ursachen der herrschenden Übelstände nachzuspüren und, wo
er sie erkannt zu haben glaubt, sie ohne Rücksicht ans Licht zu ziehen, auch
wenn er dabei Vorurteilen seiner Standesgenossen entgegentreten muß, das
zeigen gleich seine, leider nur flüchtigen, Bemerkungen über das Verhältnis zwi¬
schen Schriftstellern und Verlegern und über die bornirte Gleichgiltigkeit so vieler
Mitglieder der erster" Zunft gegen die geschäftlichen Bedingungen, unter welchen
ihre Erzeugnisse den Weg in die Öffentlichkeit finden. Gerade dieser Punkt
Hütte freilich verdient, nicht nur gestreift zu werden. Wenn Schriftsteller sich
ein wenig mehr darum bekümmern wollten, was die Herstellung eines Buches
kostet, welche Mittel für den Vertrieb in Bewegung gesetzt werden müssen, und
wie wenige Bücher sich auch nur bezahlt machen, geschweige denn Gewinn
bringen, dann würde die Einbildung, daß der Verleger sein Geld noch extra


Das Schriftstellerelend.

Verfasser selbst gefühlt hat, in dieser Verbindung könne der Aufsatz aufgefaßt
werden wie ein Hilferuf gegen


die Schncidcrmamscllen,
Die das Brot verkürzen uns SchneidergeseUen.

Ein ungenannter Korrespondent des Verfassers (offenbar G, Freytag) hat auch
etwas derartiges befürchtet, und die Klage, daß „die Presse sich gegenwärtig
wie die Theaterdirektvren und Schauspieler zu sehr durch Leute bedienen lassen,
die nicht zum Metier gehören," die „vielfach die Fettaugen von der Suppe
schöpfen," klingt mindestens zweideutig. Aber sei dem, wie ihm wolle: der
Anteil der Blaustrümpfe an der Schuld des „deutschen Schriftstellerelends" kann
schwerlich so groß sein, daß die ohnehin sehr komplizirte Frage durch Herbei¬
ziehung der „Schriftstellerinne»" noch schwieriger gemacht werden müßte. Was
sollen ferner die fünfviertel Druckbogen füllenden Auseinandersetzungen über eine
überflüssige Broschüre eines halbgebildeter, aber ganz erbosten Malers? — ab¬
gesehen davon, daß jemand, der den Satz niederschreiben kann: „Auch hat mich
die Anmaßung von Gelehrten, die besser als unsre ersten Maler wissen wollen,
ob ein Rubenssches Bild echt oder nachgemacht ist, wahrhaft in Erstannen ge¬
setzt," und der ganz nach Malerart Knnstforschuug und Tageskritik durch¬
einanderwirft, in diesem Falle kein kompetenter Richter ist. In Beziehung auf
die angebliche Unterdrückung der inländischen dramatischen Produktion durch die
Theaterdirektvren hat der oben erwähnte Korrespondent den Verfasser schon
berichtigt.

Wir haben diese Ausstellungen vorangeschickt und wollen auch noch unser
Bedauern über den — Geschmack des Verlegers aussprechen (welcher, wahr¬
scheinlich um die „schiefe Stellung" der Schriftsteller zu versinnlichen, die Titel¬
worte der Schrift in diagonaler Richtung setzen ließ), um nun rückhaltlos an¬
zuerkennen, daß wir es in dem Verfasser mit einem Manne von redlichsten
Willen, nationaler Gesinnung und Freimut zu thun haben. Wie sehr er sich
bemüht, den wahren Ursachen der herrschenden Übelstände nachzuspüren und, wo
er sie erkannt zu haben glaubt, sie ohne Rücksicht ans Licht zu ziehen, auch
wenn er dabei Vorurteilen seiner Standesgenossen entgegentreten muß, das
zeigen gleich seine, leider nur flüchtigen, Bemerkungen über das Verhältnis zwi¬
schen Schriftstellern und Verlegern und über die bornirte Gleichgiltigkeit so vieler
Mitglieder der erster» Zunft gegen die geschäftlichen Bedingungen, unter welchen
ihre Erzeugnisse den Weg in die Öffentlichkeit finden. Gerade dieser Punkt
Hütte freilich verdient, nicht nur gestreift zu werden. Wenn Schriftsteller sich
ein wenig mehr darum bekümmern wollten, was die Herstellung eines Buches
kostet, welche Mittel für den Vertrieb in Bewegung gesetzt werden müssen, und
wie wenige Bücher sich auch nur bezahlt machen, geschweige denn Gewinn
bringen, dann würde die Einbildung, daß der Verleger sein Geld noch extra


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155191"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Schriftstellerelend.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1238" prev="#ID_1237"> Verfasser selbst gefühlt hat, in dieser Verbindung könne der Aufsatz aufgefaßt<lb/>
werden wie ein Hilferuf gegen</p><lb/>
          <quote> die Schncidcrmamscllen,<lb/>
Die das Brot verkürzen uns SchneidergeseUen.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1239"> Ein ungenannter Korrespondent des Verfassers (offenbar G, Freytag) hat auch<lb/>
etwas derartiges befürchtet, und die Klage, daß &#x201E;die Presse sich gegenwärtig<lb/>
wie die Theaterdirektvren und Schauspieler zu sehr durch Leute bedienen lassen,<lb/>
die nicht zum Metier gehören," die &#x201E;vielfach die Fettaugen von der Suppe<lb/>
schöpfen," klingt mindestens zweideutig. Aber sei dem, wie ihm wolle: der<lb/>
Anteil der Blaustrümpfe an der Schuld des &#x201E;deutschen Schriftstellerelends" kann<lb/>
schwerlich so groß sein, daß die ohnehin sehr komplizirte Frage durch Herbei¬<lb/>
ziehung der &#x201E;Schriftstellerinne»" noch schwieriger gemacht werden müßte. Was<lb/>
sollen ferner die fünfviertel Druckbogen füllenden Auseinandersetzungen über eine<lb/>
überflüssige Broschüre eines halbgebildeter, aber ganz erbosten Malers? &#x2014; ab¬<lb/>
gesehen davon, daß jemand, der den Satz niederschreiben kann: &#x201E;Auch hat mich<lb/>
die Anmaßung von Gelehrten, die besser als unsre ersten Maler wissen wollen,<lb/>
ob ein Rubenssches Bild echt oder nachgemacht ist, wahrhaft in Erstannen ge¬<lb/>
setzt," und der ganz nach Malerart Knnstforschuug und Tageskritik durch¬<lb/>
einanderwirft, in diesem Falle kein kompetenter Richter ist. In Beziehung auf<lb/>
die angebliche Unterdrückung der inländischen dramatischen Produktion durch die<lb/>
Theaterdirektvren hat der oben erwähnte Korrespondent den Verfasser schon<lb/>
berichtigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1240" next="#ID_1241"> Wir haben diese Ausstellungen vorangeschickt und wollen auch noch unser<lb/>
Bedauern über den &#x2014; Geschmack des Verlegers aussprechen (welcher, wahr¬<lb/>
scheinlich um die &#x201E;schiefe Stellung" der Schriftsteller zu versinnlichen, die Titel¬<lb/>
worte der Schrift in diagonaler Richtung setzen ließ), um nun rückhaltlos an¬<lb/>
zuerkennen, daß wir es in dem Verfasser mit einem Manne von redlichsten<lb/>
Willen, nationaler Gesinnung und Freimut zu thun haben. Wie sehr er sich<lb/>
bemüht, den wahren Ursachen der herrschenden Übelstände nachzuspüren und, wo<lb/>
er sie erkannt zu haben glaubt, sie ohne Rücksicht ans Licht zu ziehen, auch<lb/>
wenn er dabei Vorurteilen seiner Standesgenossen entgegentreten muß, das<lb/>
zeigen gleich seine, leider nur flüchtigen, Bemerkungen über das Verhältnis zwi¬<lb/>
schen Schriftstellern und Verlegern und über die bornirte Gleichgiltigkeit so vieler<lb/>
Mitglieder der erster» Zunft gegen die geschäftlichen Bedingungen, unter welchen<lb/>
ihre Erzeugnisse den Weg in die Öffentlichkeit finden. Gerade dieser Punkt<lb/>
Hütte freilich verdient, nicht nur gestreift zu werden. Wenn Schriftsteller sich<lb/>
ein wenig mehr darum bekümmern wollten, was die Herstellung eines Buches<lb/>
kostet, welche Mittel für den Vertrieb in Bewegung gesetzt werden müssen, und<lb/>
wie wenige Bücher sich auch nur bezahlt machen, geschweige denn Gewinn<lb/>
bringen, dann würde die Einbildung, daß der Verleger sein Geld noch extra</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] Das Schriftstellerelend. Verfasser selbst gefühlt hat, in dieser Verbindung könne der Aufsatz aufgefaßt werden wie ein Hilferuf gegen die Schncidcrmamscllen, Die das Brot verkürzen uns SchneidergeseUen. Ein ungenannter Korrespondent des Verfassers (offenbar G, Freytag) hat auch etwas derartiges befürchtet, und die Klage, daß „die Presse sich gegenwärtig wie die Theaterdirektvren und Schauspieler zu sehr durch Leute bedienen lassen, die nicht zum Metier gehören," die „vielfach die Fettaugen von der Suppe schöpfen," klingt mindestens zweideutig. Aber sei dem, wie ihm wolle: der Anteil der Blaustrümpfe an der Schuld des „deutschen Schriftstellerelends" kann schwerlich so groß sein, daß die ohnehin sehr komplizirte Frage durch Herbei¬ ziehung der „Schriftstellerinne»" noch schwieriger gemacht werden müßte. Was sollen ferner die fünfviertel Druckbogen füllenden Auseinandersetzungen über eine überflüssige Broschüre eines halbgebildeter, aber ganz erbosten Malers? — ab¬ gesehen davon, daß jemand, der den Satz niederschreiben kann: „Auch hat mich die Anmaßung von Gelehrten, die besser als unsre ersten Maler wissen wollen, ob ein Rubenssches Bild echt oder nachgemacht ist, wahrhaft in Erstannen ge¬ setzt," und der ganz nach Malerart Knnstforschuug und Tageskritik durch¬ einanderwirft, in diesem Falle kein kompetenter Richter ist. In Beziehung auf die angebliche Unterdrückung der inländischen dramatischen Produktion durch die Theaterdirektvren hat der oben erwähnte Korrespondent den Verfasser schon berichtigt. Wir haben diese Ausstellungen vorangeschickt und wollen auch noch unser Bedauern über den — Geschmack des Verlegers aussprechen (welcher, wahr¬ scheinlich um die „schiefe Stellung" der Schriftsteller zu versinnlichen, die Titel¬ worte der Schrift in diagonaler Richtung setzen ließ), um nun rückhaltlos an¬ zuerkennen, daß wir es in dem Verfasser mit einem Manne von redlichsten Willen, nationaler Gesinnung und Freimut zu thun haben. Wie sehr er sich bemüht, den wahren Ursachen der herrschenden Übelstände nachzuspüren und, wo er sie erkannt zu haben glaubt, sie ohne Rücksicht ans Licht zu ziehen, auch wenn er dabei Vorurteilen seiner Standesgenossen entgegentreten muß, das zeigen gleich seine, leider nur flüchtigen, Bemerkungen über das Verhältnis zwi¬ schen Schriftstellern und Verlegern und über die bornirte Gleichgiltigkeit so vieler Mitglieder der erster» Zunft gegen die geschäftlichen Bedingungen, unter welchen ihre Erzeugnisse den Weg in die Öffentlichkeit finden. Gerade dieser Punkt Hütte freilich verdient, nicht nur gestreift zu werden. Wenn Schriftsteller sich ein wenig mehr darum bekümmern wollten, was die Herstellung eines Buches kostet, welche Mittel für den Vertrieb in Bewegung gesetzt werden müssen, und wie wenige Bücher sich auch nur bezahlt machen, geschweige denn Gewinn bringen, dann würde die Einbildung, daß der Verleger sein Geld noch extra

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/308>, abgerufen am 30.06.2024.