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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Notiz.

Und gerade so ermangelte die Nachtischnatürlichkeit des Fräulein von
Mockritz, wenn der überglückliche Bräntigcnn sich dessen auch nicht klar bewußt
war, schon einigermaßen jenes sympathischen Zaubers, ohne den die erquickende
Frische des Brautstandes rasch in die trockne Glut eines Sommertages, dem
der Morgenthau fehlte, umschlägt.

Übrigens hatte Fräulein von Mockritz Sorge getragen, daß dem Dekorum
schuldige Rücksichten gezollt wurden. Schon an ihren: Verlobungsabend war
ihrerseits ihre Wiederübersiedeluug in die Villa Mockritz angeregt und bald
darauf ins Werk gesetzt worden.

Tags darauf bat Berthold seine künftige Schwiegermutter brieflich um die
Hand ihrer Tochter, und der Fabrikant fügte seinerseits dasjenige hinzu, was
Frau von Mockritz über die sehr erfreulichen Vermögensverhültuisse ihres
Schwiegersohnes zu erfahren berechtigt war.

(Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Aus Schwaben. Das neue Jahr hat in Schwaben mit einigen Be¬
wegungen im Parteileben begannen, die mit Recht ein gewisses Aufsehen gemacht
haben. Seit bald zwei Jahrzehnten steht die politische Bewegung des Landes
unter dem beherrschenden Gegensatz der Volkspartei und der deutschen Partei,
der sowohl durch die Thatsache der Schöpfung des Reichs als durch die mittler¬
weile sich vollziehenden Verschiebungen des Parteiwesens außerhalb Schwabens
bisher nur wenig berührt wurde, mit andern Worten, der Kampf hat sich fast
ausschließlich um die nationale Frage gedreht. Nun hat beinahe gleichzeitig eine
Schwenkung der deutschen Partei nach links stattgefunden, scheinbar also ein Ent¬
gegenkommen der feindlichen Brüder, die sich bis dahin leidenschaftlich bekämpft
hatten. Der "Beobachter", das Organ der Demokratie, ist in die Hände jüngerer
Parteigenossen übergegangen und wird seitdem in einem verständigeren, dem Reiche
ungleich freundlicheren Sinne geleitet. Bon dem früheren exzentrischen Programm
ist keine Rede mehr; die Föderativrepublik, die Miliz- und Neutralitntsschwärmcrei
ist ein überwundener Standpunkt, man möchte die früheren Zeiten am liebsten
aus den, Gedächtnis auslöschen und verbittet sich empfindlich jede Erinnerung an
die Vergangenheit. Statt des landsmannschaftlichen Krieges gegen Preußen ist
loyale Mitwirkung an den Reichsaufgaben zur Losung geworden.

Die nächste Veranlassung zu dieser Wendung darf wohl in dem Ausfall der
letzten Landtagswählcn gesucht werden, bei welchen fast alle Führer der Volks¬
partei unterlagen. Dieses Schicksal führte zu einer heilsamen Selbstbesinnung.
Durch die Fortsetzung ihrer herkömmlichen Art von Polemik und Agitation sah
sich die Partei den Boden unter den Füßen weggezogen. Jetzt gilt es das ver¬
lorene Vertrauen wicderzucrobcrn, und sie glaubt dies durch das Einlenken in


Notiz.

Und gerade so ermangelte die Nachtischnatürlichkeit des Fräulein von
Mockritz, wenn der überglückliche Bräntigcnn sich dessen auch nicht klar bewußt
war, schon einigermaßen jenes sympathischen Zaubers, ohne den die erquickende
Frische des Brautstandes rasch in die trockne Glut eines Sommertages, dem
der Morgenthau fehlte, umschlägt.

Übrigens hatte Fräulein von Mockritz Sorge getragen, daß dem Dekorum
schuldige Rücksichten gezollt wurden. Schon an ihren: Verlobungsabend war
ihrerseits ihre Wiederübersiedeluug in die Villa Mockritz angeregt und bald
darauf ins Werk gesetzt worden.

Tags darauf bat Berthold seine künftige Schwiegermutter brieflich um die
Hand ihrer Tochter, und der Fabrikant fügte seinerseits dasjenige hinzu, was
Frau von Mockritz über die sehr erfreulichen Vermögensverhültuisse ihres
Schwiegersohnes zu erfahren berechtigt war.

(Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Aus Schwaben. Das neue Jahr hat in Schwaben mit einigen Be¬
wegungen im Parteileben begannen, die mit Recht ein gewisses Aufsehen gemacht
haben. Seit bald zwei Jahrzehnten steht die politische Bewegung des Landes
unter dem beherrschenden Gegensatz der Volkspartei und der deutschen Partei,
der sowohl durch die Thatsache der Schöpfung des Reichs als durch die mittler¬
weile sich vollziehenden Verschiebungen des Parteiwesens außerhalb Schwabens
bisher nur wenig berührt wurde, mit andern Worten, der Kampf hat sich fast
ausschließlich um die nationale Frage gedreht. Nun hat beinahe gleichzeitig eine
Schwenkung der deutschen Partei nach links stattgefunden, scheinbar also ein Ent¬
gegenkommen der feindlichen Brüder, die sich bis dahin leidenschaftlich bekämpft
hatten. Der „Beobachter", das Organ der Demokratie, ist in die Hände jüngerer
Parteigenossen übergegangen und wird seitdem in einem verständigeren, dem Reiche
ungleich freundlicheren Sinne geleitet. Bon dem früheren exzentrischen Programm
ist keine Rede mehr; die Föderativrepublik, die Miliz- und Neutralitntsschwärmcrei
ist ein überwundener Standpunkt, man möchte die früheren Zeiten am liebsten
aus den, Gedächtnis auslöschen und verbittet sich empfindlich jede Erinnerung an
die Vergangenheit. Statt des landsmannschaftlichen Krieges gegen Preußen ist
loyale Mitwirkung an den Reichsaufgaben zur Losung geworden.

Die nächste Veranlassung zu dieser Wendung darf wohl in dem Ausfall der
letzten Landtagswählcn gesucht werden, bei welchen fast alle Führer der Volks¬
partei unterlagen. Dieses Schicksal führte zu einer heilsamen Selbstbesinnung.
Durch die Fortsetzung ihrer herkömmlichen Art von Polemik und Agitation sah
sich die Partei den Boden unter den Füßen weggezogen. Jetzt gilt es das ver¬
lorene Vertrauen wicderzucrobcrn, und sie glaubt dies durch das Einlenken in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/278>, abgerufen am 30.06.2024.