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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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La Vorläufer Lassalles.

diese Weise würden sich stets die in der Produktion des notwendigen geleisteten
Arbeitsstunden mit den zur Herstellung des Angenehmen geleisteten decken. Ja
es könnte sogar noch ein Überschuß an notwendigen Gütern eintreten, insofern
der Wert der Güter des Angenehmen mit ihrer Seltenheit steigen soll. Wäre
also das Verlangen nach köstlichen Weinen, Juwelen u. dergl. größer, als durch
den Vorrat an diesen Waaren befriedigt werden kann, so wird der Wert der¬
selben solange gesteigert, bis Angebot und Nachfrage in vollkommenem Gleich¬
gewichte miteinander stehen. Übrigens muß der Wert aller Genußprodukte schon
deshalb um etwas erhöht werden, um zu ermöglichen, daß, nach Weitlings Plan,
allen durch Mhigkeitswahlcn zu einem Amte Berufenen eine gewisse Summe
Kommerzstunden ausgesetzt werden, entsprechend dem Nutzen, der aus der Ver¬
wirklichung der neuen Ideen für die Gesellschaft hervorgeht.

Jenes Kommerzbuch, in das die geleisteten Kommerzstunden ein¬
getragen werden, ist aber nur für die Dauer eines Jahres giltig. Nach Ab¬
lauf desselben werden alle Kvmmcrzstunden ungiltig, welche nicht abgestempelt
sind, d. h. für welche noch keine Genüsse eingetauscht sind. Mit dieser Ma߬
regel wird beabsichtigt, die Aufhäufung von Gütern in einer Hand zu ver¬
hindern. In derselben Absicht hat Weitling die Bestimmung erlassen, daß
nichts solle vererbt werden können. Vielmehr sollen alle Produkte sofort den
Gesnndheitskommissionen zur Verfügung gestellt werden, welche nach Lage der
Dinge ihnen eine allgemein nützliche Bestimmung geben oder sie zerstören können.

Um zu erreichen, daß nichts verschenkt, verspielt oder gestohlen werden
könne, enthält das Kommerzbuch das Porträt und das genaue Signalement
seines Inhabers. Nur diesem persönlich werden die Genüsse des Angenehmen
verabfolgt.

Die Kommerzstnnden können in jedem beliebigen Geschäft geleistet werden.
Wird ein solches mit freiwilligen Arbeitern überfüllt, so wird die "Geschäfts¬
sperre" erlassen, d. h. es wird die Abhaltung von Kommerzstunden darin unter¬
sagt. Dadurch wird es möglich, im Zustande der Gemeinschaft jedem die freie
Wahl einer angenehmen oder unangenehmen Arbeit zu lassen, ohne daß dadurch
bei letzterer Mangel an Arbeitern eintritt. Ist der Zudrang von ständigen
Arbeitern zu einem Arbeitszweige zu groß, so wird das Zulassungsexamen
immer schwerer gemacht, bis schließlich nur ein normaler Zufluß stattfindet.

Die Leitung der Produktion des Angenehmen geschieht in mancher Hinsicht
anders wie die des notwendigen und Nützlichen. Alle neuen Produkte des An¬
genehmen oder Zeichnungen und Proben desselben werden von den Akademien
geprüft und dann in den Kunstsäleii aufgestellt, um die Begierden der Lüsternen
zu erregen. Alsdann werden je nach den Bestellungen, welche diese machen,
von der Akademie die Ateliers für das neue Kunstprodukt eingerichtet. Alle
schönen, literarischen Arbeiten jedoch, die bei der Prüfung der akademischen
Wahlkommission durchfielen, werden ebenso wie alle übrigen eingereichten Proben


La Vorläufer Lassalles.

diese Weise würden sich stets die in der Produktion des notwendigen geleisteten
Arbeitsstunden mit den zur Herstellung des Angenehmen geleisteten decken. Ja
es könnte sogar noch ein Überschuß an notwendigen Gütern eintreten, insofern
der Wert der Güter des Angenehmen mit ihrer Seltenheit steigen soll. Wäre
also das Verlangen nach köstlichen Weinen, Juwelen u. dergl. größer, als durch
den Vorrat an diesen Waaren befriedigt werden kann, so wird der Wert der¬
selben solange gesteigert, bis Angebot und Nachfrage in vollkommenem Gleich¬
gewichte miteinander stehen. Übrigens muß der Wert aller Genußprodukte schon
deshalb um etwas erhöht werden, um zu ermöglichen, daß, nach Weitlings Plan,
allen durch Mhigkeitswahlcn zu einem Amte Berufenen eine gewisse Summe
Kommerzstunden ausgesetzt werden, entsprechend dem Nutzen, der aus der Ver¬
wirklichung der neuen Ideen für die Gesellschaft hervorgeht.

Jenes Kommerzbuch, in das die geleisteten Kommerzstunden ein¬
getragen werden, ist aber nur für die Dauer eines Jahres giltig. Nach Ab¬
lauf desselben werden alle Kvmmcrzstunden ungiltig, welche nicht abgestempelt
sind, d. h. für welche noch keine Genüsse eingetauscht sind. Mit dieser Ma߬
regel wird beabsichtigt, die Aufhäufung von Gütern in einer Hand zu ver¬
hindern. In derselben Absicht hat Weitling die Bestimmung erlassen, daß
nichts solle vererbt werden können. Vielmehr sollen alle Produkte sofort den
Gesnndheitskommissionen zur Verfügung gestellt werden, welche nach Lage der
Dinge ihnen eine allgemein nützliche Bestimmung geben oder sie zerstören können.

Um zu erreichen, daß nichts verschenkt, verspielt oder gestohlen werden
könne, enthält das Kommerzbuch das Porträt und das genaue Signalement
seines Inhabers. Nur diesem persönlich werden die Genüsse des Angenehmen
verabfolgt.

Die Kommerzstnnden können in jedem beliebigen Geschäft geleistet werden.
Wird ein solches mit freiwilligen Arbeitern überfüllt, so wird die „Geschäfts¬
sperre" erlassen, d. h. es wird die Abhaltung von Kommerzstunden darin unter¬
sagt. Dadurch wird es möglich, im Zustande der Gemeinschaft jedem die freie
Wahl einer angenehmen oder unangenehmen Arbeit zu lassen, ohne daß dadurch
bei letzterer Mangel an Arbeitern eintritt. Ist der Zudrang von ständigen
Arbeitern zu einem Arbeitszweige zu groß, so wird das Zulassungsexamen
immer schwerer gemacht, bis schließlich nur ein normaler Zufluß stattfindet.

Die Leitung der Produktion des Angenehmen geschieht in mancher Hinsicht
anders wie die des notwendigen und Nützlichen. Alle neuen Produkte des An¬
genehmen oder Zeichnungen und Proben desselben werden von den Akademien
geprüft und dann in den Kunstsäleii aufgestellt, um die Begierden der Lüsternen
zu erregen. Alsdann werden je nach den Bestellungen, welche diese machen,
von der Akademie die Ateliers für das neue Kunstprodukt eingerichtet. Alle
schönen, literarischen Arbeiten jedoch, die bei der Prüfung der akademischen
Wahlkommission durchfielen, werden ebenso wie alle übrigen eingereichten Proben


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[0258] La Vorläufer Lassalles. diese Weise würden sich stets die in der Produktion des notwendigen geleisteten Arbeitsstunden mit den zur Herstellung des Angenehmen geleisteten decken. Ja es könnte sogar noch ein Überschuß an notwendigen Gütern eintreten, insofern der Wert der Güter des Angenehmen mit ihrer Seltenheit steigen soll. Wäre also das Verlangen nach köstlichen Weinen, Juwelen u. dergl. größer, als durch den Vorrat an diesen Waaren befriedigt werden kann, so wird der Wert der¬ selben solange gesteigert, bis Angebot und Nachfrage in vollkommenem Gleich¬ gewichte miteinander stehen. Übrigens muß der Wert aller Genußprodukte schon deshalb um etwas erhöht werden, um zu ermöglichen, daß, nach Weitlings Plan, allen durch Mhigkeitswahlcn zu einem Amte Berufenen eine gewisse Summe Kommerzstunden ausgesetzt werden, entsprechend dem Nutzen, der aus der Ver¬ wirklichung der neuen Ideen für die Gesellschaft hervorgeht. Jenes Kommerzbuch, in das die geleisteten Kommerzstunden ein¬ getragen werden, ist aber nur für die Dauer eines Jahres giltig. Nach Ab¬ lauf desselben werden alle Kvmmcrzstunden ungiltig, welche nicht abgestempelt sind, d. h. für welche noch keine Genüsse eingetauscht sind. Mit dieser Ma߬ regel wird beabsichtigt, die Aufhäufung von Gütern in einer Hand zu ver¬ hindern. In derselben Absicht hat Weitling die Bestimmung erlassen, daß nichts solle vererbt werden können. Vielmehr sollen alle Produkte sofort den Gesnndheitskommissionen zur Verfügung gestellt werden, welche nach Lage der Dinge ihnen eine allgemein nützliche Bestimmung geben oder sie zerstören können. Um zu erreichen, daß nichts verschenkt, verspielt oder gestohlen werden könne, enthält das Kommerzbuch das Porträt und das genaue Signalement seines Inhabers. Nur diesem persönlich werden die Genüsse des Angenehmen verabfolgt. Die Kommerzstnnden können in jedem beliebigen Geschäft geleistet werden. Wird ein solches mit freiwilligen Arbeitern überfüllt, so wird die „Geschäfts¬ sperre" erlassen, d. h. es wird die Abhaltung von Kommerzstunden darin unter¬ sagt. Dadurch wird es möglich, im Zustande der Gemeinschaft jedem die freie Wahl einer angenehmen oder unangenehmen Arbeit zu lassen, ohne daß dadurch bei letzterer Mangel an Arbeitern eintritt. Ist der Zudrang von ständigen Arbeitern zu einem Arbeitszweige zu groß, so wird das Zulassungsexamen immer schwerer gemacht, bis schließlich nur ein normaler Zufluß stattfindet. Die Leitung der Produktion des Angenehmen geschieht in mancher Hinsicht anders wie die des notwendigen und Nützlichen. Alle neuen Produkte des An¬ genehmen oder Zeichnungen und Proben desselben werden von den Akademien geprüft und dann in den Kunstsäleii aufgestellt, um die Begierden der Lüsternen zu erregen. Alsdann werden je nach den Bestellungen, welche diese machen, von der Akademie die Ateliers für das neue Kunstprodukt eingerichtet. Alle schönen, literarischen Arbeiten jedoch, die bei der Prüfung der akademischen Wahlkommission durchfielen, werden ebenso wie alle übrigen eingereichten Proben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/258>, abgerufen am 24.07.2024.