Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lark von Noorden.

beratend zur Seite. Und wie viele danken seinem empfehlenden Wort ihr äußeres
Fortkommen. Alles aber, was er in dieser Richtung that, geschah aus rein
menschlichen Antrieben. Jeden Dank wehrte er ab. "Sie wissen, daß die an¬
gemessene Sorge für mir liebgewordene Menschen mir Selbstbefriedigung ist,"
sagte er einfach. Ein Schulhaupt, der Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Partei
ist er daher nie gewesen, für eine solche Rolle war seine Natur zu vornehm.
Die Aufopferung für andre war ihm zur zweiten Natur geworden, die Für¬
sorge für seine Studenten aber erschien ihm geradezu als ein wesentlicher Teil
seiner Amtspflicht. Wie mancher hat aus seiner Sprechstunde fruchtbringenden
Rat, dauernde persönliche Anregung heimgetragen. Mit einer weitherzigen
Liberalität stellte er seine Bibliothek auch ungebeten zur Verfügung; reiste er
in die Ferien, so schickte er wohl diesem oder jenem, den er bei seiner Disser¬
tation beschäftigt wußte, ganze Körbe mit Büchern ins Haus, darunter die
zum Teil unersetzlichen Nommrönw <Zsrmg.uns. Ein oder mehrere male im
Semester versammelte er einen großen Kreis von Studenten in seinem Hause
um sich, und kaum vergingen mehrere Wochen, daß er nicht wenigstens einige
Schüler in engstem Kreise bei sich gesehen hätte. Dann pflegte sich seine reiche
Gabe der Unterhaltung frei zu entfalten: auch hier wie im Seminar beherrschte
er stets die Debatte. Nicht als ob ein ungezwungener Ton in diesem Kreise
gefehlt hätte -- das heitere Temperament des Rheinländers verleugnete Noorden
bei solchen Gelegenheiten am wenigsten --, aber es lag um einmal in seiner
Natur, daß er die Unterhaltung stets über das gewöhnliche Niveau hinaushob,
daß er ein zufällig angeregtes Thema mit Feuer aufgriff und in seiner an¬
regenden Weise -- über die ganze Tafel hin dozirend -- verfolgte. Eine hohe
Idealität lag überhaupt über seinem ganzen Wesen ausgebreitet, zu einer
familiären Vertraulichkeit ließ er sich auch seinen nächsten Schülern gegenüber
nicht herab. Nur umso intensiver wirkte darum sein persönlicher Verkehr. Er
hatte selbst in seiner Jugend den nachhaltigen Einfluß, den der Umgang älterer
Männer auf Jüngere ausübt, an sich erfahren. Kein geringerer als Karl
Josias von Bunsen war es, dem er sich in dieser Weise verpflichtet fühlte. Ihm
widmete er die Frucht seiner Muse, die Sage von Helgi. Ich setze einige
Worte aus der Widmung hierher, weil sie auf ihn selbst eine schlagende An¬
wendung finden. "Kein Mittel geistiger Anregung -- sagt er an dieser Stelle --
wüßte ich zu nennen, welches auf gleiche Weise die Seelenkräfte junger
Männer zu den höchsten und edelsten Zielen zu lenken und die Energie des
Strebens so sehr anzufeuern imstande wäre, wie es das liebevolle Eingehen,
die verständnisvolle Teilnahme eines solchen Mannes auf unser geistiges Ringen
und Wollen vermag." In diesen Worten ist die Summe dessen ausgedrückt,
was auch deu persönlichen Verkehr mit Noorden so nachhaltig befruchtend
machte. Was er als Jüngling empfangen hatte, er hat es als reifer Mann
mit Wucherzinsen an seine Schüler zurückgezahlt.


Gustav Lues holz.
Lark von Noorden.

beratend zur Seite. Und wie viele danken seinem empfehlenden Wort ihr äußeres
Fortkommen. Alles aber, was er in dieser Richtung that, geschah aus rein
menschlichen Antrieben. Jeden Dank wehrte er ab. „Sie wissen, daß die an¬
gemessene Sorge für mir liebgewordene Menschen mir Selbstbefriedigung ist,"
sagte er einfach. Ein Schulhaupt, der Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Partei
ist er daher nie gewesen, für eine solche Rolle war seine Natur zu vornehm.
Die Aufopferung für andre war ihm zur zweiten Natur geworden, die Für¬
sorge für seine Studenten aber erschien ihm geradezu als ein wesentlicher Teil
seiner Amtspflicht. Wie mancher hat aus seiner Sprechstunde fruchtbringenden
Rat, dauernde persönliche Anregung heimgetragen. Mit einer weitherzigen
Liberalität stellte er seine Bibliothek auch ungebeten zur Verfügung; reiste er
in die Ferien, so schickte er wohl diesem oder jenem, den er bei seiner Disser¬
tation beschäftigt wußte, ganze Körbe mit Büchern ins Haus, darunter die
zum Teil unersetzlichen Nommrönw <Zsrmg.uns. Ein oder mehrere male im
Semester versammelte er einen großen Kreis von Studenten in seinem Hause
um sich, und kaum vergingen mehrere Wochen, daß er nicht wenigstens einige
Schüler in engstem Kreise bei sich gesehen hätte. Dann pflegte sich seine reiche
Gabe der Unterhaltung frei zu entfalten: auch hier wie im Seminar beherrschte
er stets die Debatte. Nicht als ob ein ungezwungener Ton in diesem Kreise
gefehlt hätte — das heitere Temperament des Rheinländers verleugnete Noorden
bei solchen Gelegenheiten am wenigsten —, aber es lag um einmal in seiner
Natur, daß er die Unterhaltung stets über das gewöhnliche Niveau hinaushob,
daß er ein zufällig angeregtes Thema mit Feuer aufgriff und in seiner an¬
regenden Weise — über die ganze Tafel hin dozirend — verfolgte. Eine hohe
Idealität lag überhaupt über seinem ganzen Wesen ausgebreitet, zu einer
familiären Vertraulichkeit ließ er sich auch seinen nächsten Schülern gegenüber
nicht herab. Nur umso intensiver wirkte darum sein persönlicher Verkehr. Er
hatte selbst in seiner Jugend den nachhaltigen Einfluß, den der Umgang älterer
Männer auf Jüngere ausübt, an sich erfahren. Kein geringerer als Karl
Josias von Bunsen war es, dem er sich in dieser Weise verpflichtet fühlte. Ihm
widmete er die Frucht seiner Muse, die Sage von Helgi. Ich setze einige
Worte aus der Widmung hierher, weil sie auf ihn selbst eine schlagende An¬
wendung finden. „Kein Mittel geistiger Anregung — sagt er an dieser Stelle —
wüßte ich zu nennen, welches auf gleiche Weise die Seelenkräfte junger
Männer zu den höchsten und edelsten Zielen zu lenken und die Energie des
Strebens so sehr anzufeuern imstande wäre, wie es das liebevolle Eingehen,
die verständnisvolle Teilnahme eines solchen Mannes auf unser geistiges Ringen
und Wollen vermag." In diesen Worten ist die Summe dessen ausgedrückt,
was auch deu persönlichen Verkehr mit Noorden so nachhaltig befruchtend
machte. Was er als Jüngling empfangen hatte, er hat es als reifer Mann
mit Wucherzinsen an seine Schüler zurückgezahlt.


Gustav Lues holz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155124"/>
          <fw type="header" place="top"> Lark von Noorden.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_994" prev="#ID_993"> beratend zur Seite. Und wie viele danken seinem empfehlenden Wort ihr äußeres<lb/>
Fortkommen. Alles aber, was er in dieser Richtung that, geschah aus rein<lb/>
menschlichen Antrieben. Jeden Dank wehrte er ab. &#x201E;Sie wissen, daß die an¬<lb/>
gemessene Sorge für mir liebgewordene Menschen mir Selbstbefriedigung ist,"<lb/>
sagte er einfach. Ein Schulhaupt, der Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Partei<lb/>
ist er daher nie gewesen, für eine solche Rolle war seine Natur zu vornehm.<lb/>
Die Aufopferung für andre war ihm zur zweiten Natur geworden, die Für¬<lb/>
sorge für seine Studenten aber erschien ihm geradezu als ein wesentlicher Teil<lb/>
seiner Amtspflicht. Wie mancher hat aus seiner Sprechstunde fruchtbringenden<lb/>
Rat, dauernde persönliche Anregung heimgetragen. Mit einer weitherzigen<lb/>
Liberalität stellte er seine Bibliothek auch ungebeten zur Verfügung; reiste er<lb/>
in die Ferien, so schickte er wohl diesem oder jenem, den er bei seiner Disser¬<lb/>
tation beschäftigt wußte, ganze Körbe mit Büchern ins Haus, darunter die<lb/>
zum Teil unersetzlichen Nommrönw &lt;Zsrmg.uns. Ein oder mehrere male im<lb/>
Semester versammelte er einen großen Kreis von Studenten in seinem Hause<lb/>
um sich, und kaum vergingen mehrere Wochen, daß er nicht wenigstens einige<lb/>
Schüler in engstem Kreise bei sich gesehen hätte. Dann pflegte sich seine reiche<lb/>
Gabe der Unterhaltung frei zu entfalten: auch hier wie im Seminar beherrschte<lb/>
er stets die Debatte. Nicht als ob ein ungezwungener Ton in diesem Kreise<lb/>
gefehlt hätte &#x2014; das heitere Temperament des Rheinländers verleugnete Noorden<lb/>
bei solchen Gelegenheiten am wenigsten &#x2014;, aber es lag um einmal in seiner<lb/>
Natur, daß er die Unterhaltung stets über das gewöhnliche Niveau hinaushob,<lb/>
daß er ein zufällig angeregtes Thema mit Feuer aufgriff und in seiner an¬<lb/>
regenden Weise &#x2014; über die ganze Tafel hin dozirend &#x2014; verfolgte. Eine hohe<lb/>
Idealität lag überhaupt über seinem ganzen Wesen ausgebreitet, zu einer<lb/>
familiären Vertraulichkeit ließ er sich auch seinen nächsten Schülern gegenüber<lb/>
nicht herab. Nur umso intensiver wirkte darum sein persönlicher Verkehr. Er<lb/>
hatte selbst in seiner Jugend den nachhaltigen Einfluß, den der Umgang älterer<lb/>
Männer auf Jüngere ausübt, an sich erfahren. Kein geringerer als Karl<lb/>
Josias von Bunsen war es, dem er sich in dieser Weise verpflichtet fühlte. Ihm<lb/>
widmete er die Frucht seiner Muse, die Sage von Helgi. Ich setze einige<lb/>
Worte aus der Widmung hierher, weil sie auf ihn selbst eine schlagende An¬<lb/>
wendung finden. &#x201E;Kein Mittel geistiger Anregung &#x2014; sagt er an dieser Stelle &#x2014;<lb/>
wüßte ich zu nennen, welches auf gleiche Weise die Seelenkräfte junger<lb/>
Männer zu den höchsten und edelsten Zielen zu lenken und die Energie des<lb/>
Strebens so sehr anzufeuern imstande wäre, wie es das liebevolle Eingehen,<lb/>
die verständnisvolle Teilnahme eines solchen Mannes auf unser geistiges Ringen<lb/>
und Wollen vermag." In diesen Worten ist die Summe dessen ausgedrückt,<lb/>
was auch deu persönlichen Verkehr mit Noorden so nachhaltig befruchtend<lb/>
machte. Was er als Jüngling empfangen hatte, er hat es als reifer Mann<lb/>
mit Wucherzinsen an seine Schüler zurückgezahlt.</p><lb/>
          <note type="byline"> Gustav Lues holz.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0241] Lark von Noorden. beratend zur Seite. Und wie viele danken seinem empfehlenden Wort ihr äußeres Fortkommen. Alles aber, was er in dieser Richtung that, geschah aus rein menschlichen Antrieben. Jeden Dank wehrte er ab. „Sie wissen, daß die an¬ gemessene Sorge für mir liebgewordene Menschen mir Selbstbefriedigung ist," sagte er einfach. Ein Schulhaupt, der Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Partei ist er daher nie gewesen, für eine solche Rolle war seine Natur zu vornehm. Die Aufopferung für andre war ihm zur zweiten Natur geworden, die Für¬ sorge für seine Studenten aber erschien ihm geradezu als ein wesentlicher Teil seiner Amtspflicht. Wie mancher hat aus seiner Sprechstunde fruchtbringenden Rat, dauernde persönliche Anregung heimgetragen. Mit einer weitherzigen Liberalität stellte er seine Bibliothek auch ungebeten zur Verfügung; reiste er in die Ferien, so schickte er wohl diesem oder jenem, den er bei seiner Disser¬ tation beschäftigt wußte, ganze Körbe mit Büchern ins Haus, darunter die zum Teil unersetzlichen Nommrönw <Zsrmg.uns. Ein oder mehrere male im Semester versammelte er einen großen Kreis von Studenten in seinem Hause um sich, und kaum vergingen mehrere Wochen, daß er nicht wenigstens einige Schüler in engstem Kreise bei sich gesehen hätte. Dann pflegte sich seine reiche Gabe der Unterhaltung frei zu entfalten: auch hier wie im Seminar beherrschte er stets die Debatte. Nicht als ob ein ungezwungener Ton in diesem Kreise gefehlt hätte — das heitere Temperament des Rheinländers verleugnete Noorden bei solchen Gelegenheiten am wenigsten —, aber es lag um einmal in seiner Natur, daß er die Unterhaltung stets über das gewöhnliche Niveau hinaushob, daß er ein zufällig angeregtes Thema mit Feuer aufgriff und in seiner an¬ regenden Weise — über die ganze Tafel hin dozirend — verfolgte. Eine hohe Idealität lag überhaupt über seinem ganzen Wesen ausgebreitet, zu einer familiären Vertraulichkeit ließ er sich auch seinen nächsten Schülern gegenüber nicht herab. Nur umso intensiver wirkte darum sein persönlicher Verkehr. Er hatte selbst in seiner Jugend den nachhaltigen Einfluß, den der Umgang älterer Männer auf Jüngere ausübt, an sich erfahren. Kein geringerer als Karl Josias von Bunsen war es, dem er sich in dieser Weise verpflichtet fühlte. Ihm widmete er die Frucht seiner Muse, die Sage von Helgi. Ich setze einige Worte aus der Widmung hierher, weil sie auf ihn selbst eine schlagende An¬ wendung finden. „Kein Mittel geistiger Anregung — sagt er an dieser Stelle — wüßte ich zu nennen, welches auf gleiche Weise die Seelenkräfte junger Männer zu den höchsten und edelsten Zielen zu lenken und die Energie des Strebens so sehr anzufeuern imstande wäre, wie es das liebevolle Eingehen, die verständnisvolle Teilnahme eines solchen Mannes auf unser geistiges Ringen und Wollen vermag." In diesen Worten ist die Summe dessen ausgedrückt, was auch deu persönlichen Verkehr mit Noorden so nachhaltig befruchtend machte. Was er als Jüngling empfangen hatte, er hat es als reifer Mann mit Wucherzinsen an seine Schüler zurückgezahlt. Gustav Lues holz.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/241
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/241>, abgerufen am 01.07.2024.