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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Literatur.

sich aus den Kreisen der Börse rekrntiren? Wer solche literarische Gründungen
miterlebt, dem muß es bange werden um die Reinigung und Hebung des Jour¬
nalismus. Was verstehen so viele Journalisten unter Hebung ihres Standes?
Viele glauben zur sozialen Würdigung ihres Berufes außerordentlich beizutragen,
wenn es ihnen gelingt, eine Reporterkarte für Hoffestlichkeiten und Prinzenreisen
zu erlangen. Aber gerade das Reportcrtum untergrabt die Stellung der Journalist""!
der schriftstellernde Figaro, der heute hier und morgen da mit unermüdlicher
Fingerfertigkeit seinen Schaum schlägt über Kunst und Wissenschaft, über Staat
n"d Politik, über Gerichtsverhandlungen und pikante Stadtbegebenheiten, er kann
niemals dazu beitragen, dem Jonrnalistenstaude in der Gesellschaft eine seiner
Bedeutung würdige Stellung zu erringen. Wie sehr aber das Reportertum im
heutigen Zcilnngswese" überwuchert, dafür liefert die "Nntioualzeitung" den ent¬
sprechenden Beleg. Während andre große Zeitungen sich begnügen, unpolitische
Personen zur Berichterstattung auf Reisen zu schicken, übernimmt der Chefrcdaktenr
dieses Blattes in eigner Person diesen Zweig des Reporterdienstes, was er doch
schwerlich thun würde, wenn er nicht in der "Reportage" den wahren Kern der
Zeitung erblickte und sonnt den Reporter über den Redakteur stellte.

Die Reform des Zeituugswcsens wird nach dem oben Gesagten Wohl niemals
aus den Kreisen der Journalisten hervorgehen. Sie muß nach unserm Dafür¬
halten von den: Publikum selbst angebahnt werden. Wenn alle Leute von
Charakter und nationaler Gesinnung grundsätzlich eine"! Blatte undeutscher Mache
jeden Eingang in ihr Hans versagten, auf dasselbe weder abonnirten noch es
zu Ankündigungen benutzten, dann wäre der erste und schwerste Schritt zur Be¬
seitigung des heutigen Preßunfugs gethan.




Literatur.
Kleines Staatshandbuch des Reichs und der Einzelstaaten. 2. Jahrgang, 1884.
Bielefeld und Leipzig, Vclhagcn und Klnsing.

Die gute Aufnahme, welche der erste Jahrgang dieses kleinen Buches ge¬
funden hat, ist Veranlassung gewesen, es für 1384 in verdoppeltem Umfange
herauszugeben. Wir nennen es ein kleines Buch, seinem Titel entsprechend; in
Wahrheit ist es nur dem Format nach klein, dem Inhalte nach dagegen groß.
Es ist erstaunlich, wie viel und wie vieles das Buch enthält. Die Praktische,
raumsparende und doch klare und übersichtliche Anordnung bei kleinem, scharfem
und gut leserlichen Druck hat es ermöglicht, eine Fülle von Namen und Zahlen
zusammenzubringen, welche ein großes Werk zu füllen geeignet wäre". Das ist
um großes Verdienst des Buches. Jedermann kann es in der Tasche tragen, und
es wird auf dem Schreibtische nicht viel Platz wegnehmen. Dabei wird es für
jeden, der sich für Politik interessirt und im praktischen Leben steht, von großem
Nutzen sein. Es enthält zunächst eine Übersicht über die höheren Behörden in:
deutschen Reiche und in den Einzelstaaten, und zwar mit Angabe der Namen
der betreffenden Beamten und der Höhe ihrer Gehalte. Es sind die obersten
Landesbehörden aufgeführt, und ihr Wirkungskreis ist klar gemacht, die Referenten


Literatur.

sich aus den Kreisen der Börse rekrntiren? Wer solche literarische Gründungen
miterlebt, dem muß es bange werden um die Reinigung und Hebung des Jour¬
nalismus. Was verstehen so viele Journalisten unter Hebung ihres Standes?
Viele glauben zur sozialen Würdigung ihres Berufes außerordentlich beizutragen,
wenn es ihnen gelingt, eine Reporterkarte für Hoffestlichkeiten und Prinzenreisen
zu erlangen. Aber gerade das Reportcrtum untergrabt die Stellung der Journalist«»!
der schriftstellernde Figaro, der heute hier und morgen da mit unermüdlicher
Fingerfertigkeit seinen Schaum schlägt über Kunst und Wissenschaft, über Staat
n»d Politik, über Gerichtsverhandlungen und pikante Stadtbegebenheiten, er kann
niemals dazu beitragen, dem Jonrnalistenstaude in der Gesellschaft eine seiner
Bedeutung würdige Stellung zu erringen. Wie sehr aber das Reportertum im
heutigen Zcilnngswese» überwuchert, dafür liefert die „Nntioualzeitung" den ent¬
sprechenden Beleg. Während andre große Zeitungen sich begnügen, unpolitische
Personen zur Berichterstattung auf Reisen zu schicken, übernimmt der Chefrcdaktenr
dieses Blattes in eigner Person diesen Zweig des Reporterdienstes, was er doch
schwerlich thun würde, wenn er nicht in der „Reportage" den wahren Kern der
Zeitung erblickte und sonnt den Reporter über den Redakteur stellte.

Die Reform des Zeituugswcsens wird nach dem oben Gesagten Wohl niemals
aus den Kreisen der Journalisten hervorgehen. Sie muß nach unserm Dafür¬
halten von den: Publikum selbst angebahnt werden. Wenn alle Leute von
Charakter und nationaler Gesinnung grundsätzlich eine»! Blatte undeutscher Mache
jeden Eingang in ihr Hans versagten, auf dasselbe weder abonnirten noch es
zu Ankündigungen benutzten, dann wäre der erste und schwerste Schritt zur Be¬
seitigung des heutigen Preßunfugs gethan.




Literatur.
Kleines Staatshandbuch des Reichs und der Einzelstaaten. 2. Jahrgang, 1884.
Bielefeld und Leipzig, Vclhagcn und Klnsing.

Die gute Aufnahme, welche der erste Jahrgang dieses kleinen Buches ge¬
funden hat, ist Veranlassung gewesen, es für 1384 in verdoppeltem Umfange
herauszugeben. Wir nennen es ein kleines Buch, seinem Titel entsprechend; in
Wahrheit ist es nur dem Format nach klein, dem Inhalte nach dagegen groß.
Es ist erstaunlich, wie viel und wie vieles das Buch enthält. Die Praktische,
raumsparende und doch klare und übersichtliche Anordnung bei kleinem, scharfem
und gut leserlichen Druck hat es ermöglicht, eine Fülle von Namen und Zahlen
zusammenzubringen, welche ein großes Werk zu füllen geeignet wäre». Das ist
um großes Verdienst des Buches. Jedermann kann es in der Tasche tragen, und
es wird auf dem Schreibtische nicht viel Platz wegnehmen. Dabei wird es für
jeden, der sich für Politik interessirt und im praktischen Leben steht, von großem
Nutzen sein. Es enthält zunächst eine Übersicht über die höheren Behörden in:
deutschen Reiche und in den Einzelstaaten, und zwar mit Angabe der Namen
der betreffenden Beamten und der Höhe ihrer Gehalte. Es sind die obersten
Landesbehörden aufgeführt, und ihr Wirkungskreis ist klar gemacht, die Referenten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/225>, abgerufen am 02.07.2024.