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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund,

O Kaiser Maximilian
Dein lob ich nicht aussprechen kann.
Waa sindt man tems geleichen
Als die mit jr werhaftcn Hand
Bezwungen Hand viel lent und land
Die müssen dir all weichen --

und mit der Versicherung schließt:


Nach gottes car hat dich gedurft
Die is dir gctz behalte.

Ein zweites von Burgkmair entworfenes Gedenkblatt zerfällt in drei Abteilungen,
Auf der ersten sehen wir Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes,
auf der zweiten Maximilian, wie er krank auf dem Throne sitzt und sich von
einem Sekretär bei Kerzenlicht aus einem Buche vorlesen läßt, auf der dritten,
wie er in ein prächtiges Leichengewand gehüllt auf dem Totenbette liegt, wäh¬
rend Kanoniker Sterbelieder singen.

Noch um viele Nummern ließe sich die Zahl dieser Holzschnitte vermehren.
Nahm doch, wenn irgendwo auf einem Bilde oder einer Zeichnung ein Kaiser
darzustellen war, er immer unwillkürlich die Züge des alten Künstlcrfrenndes
Maximilian an. Als Ambrosius Holbein im Jahre 1517 den "Nollhard," eine
Komödie des Pamphilns Gengenbach, zu illustriren hatte, worin die Mächtigen
der Erde den Bruder Nollhard um die Zukunft befragen, gab er dem Kaiser
die Züge Maximilians, Als er 1519 Mnrners "Geuchmatt" illustrirte, worin
die Vertreter aller Stände, an der Spitze Papst und Kaiser, als Anbeter der
Venus einherziehen, mußte ebenfalls Maximilian mit seinem Narren Kurz von
der Rosen seine Dienste thun. Und selbst als der Kaiser längst tot war, lebte
er noch in der Phantasie der Künstler fort. Ich erinnere nur an das herrliche
Blatt aus Hans Holbeins Totentanz, wo der Tod dem Kaiser naht, der von
seinen Räten umgeben auf dem Throne sitzt und einen Armen vor seinein vor¬
nehmen Unterdrücker schützt. Der Kaiser mit der vom Alter gebeugten Haltung,
dem Schwert, dessen Spitze abgebrochen ist, und dem goldnen Vließ ist kein
beliebiger Märchenkaiser, nein, noch damals hat der vaterländische Sinn Hol¬
beins der Gestalt die Züge Maximilians verliehen.

Die Künstler dachten eben alle mit Liebe und Wehmut an Maximilian
zurück; sie stimmten alle mit Dürer überein, der beim Tode Maximilians in
sein Tagebuch einschrieb, daß "Kaiserliche Majestät ihm viel zu früh verschieden
sei." Sie fanden keinen Herrscher wieder, der so wie Kaiser Maximilian ihnen
günstig war. Auch die folgenden deutscheu Fürsten waren zwar nicht der Kunst
abhold, bewiesen im Gegenteil oft eine warme Kunstliebe. Es kamen die bairischen
Herzöge Albrecht V,, Wilhelm V. und Maximilian I., sowie die österreichischen
Fürsten Ferdinand, der zweite Sohn Kaiser Ferdinands I,, und Kaiser Rudolf.
Ihre Kunstliebe offenbarte sich aber weniger in der Förderung einer großen


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund,

O Kaiser Maximilian
Dein lob ich nicht aussprechen kann.
Waa sindt man tems geleichen
Als die mit jr werhaftcn Hand
Bezwungen Hand viel lent und land
Die müssen dir all weichen —

und mit der Versicherung schließt:


Nach gottes car hat dich gedurft
Die is dir gctz behalte.

Ein zweites von Burgkmair entworfenes Gedenkblatt zerfällt in drei Abteilungen,
Auf der ersten sehen wir Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes,
auf der zweiten Maximilian, wie er krank auf dem Throne sitzt und sich von
einem Sekretär bei Kerzenlicht aus einem Buche vorlesen läßt, auf der dritten,
wie er in ein prächtiges Leichengewand gehüllt auf dem Totenbette liegt, wäh¬
rend Kanoniker Sterbelieder singen.

Noch um viele Nummern ließe sich die Zahl dieser Holzschnitte vermehren.
Nahm doch, wenn irgendwo auf einem Bilde oder einer Zeichnung ein Kaiser
darzustellen war, er immer unwillkürlich die Züge des alten Künstlcrfrenndes
Maximilian an. Als Ambrosius Holbein im Jahre 1517 den „Nollhard," eine
Komödie des Pamphilns Gengenbach, zu illustriren hatte, worin die Mächtigen
der Erde den Bruder Nollhard um die Zukunft befragen, gab er dem Kaiser
die Züge Maximilians, Als er 1519 Mnrners „Geuchmatt" illustrirte, worin
die Vertreter aller Stände, an der Spitze Papst und Kaiser, als Anbeter der
Venus einherziehen, mußte ebenfalls Maximilian mit seinem Narren Kurz von
der Rosen seine Dienste thun. Und selbst als der Kaiser längst tot war, lebte
er noch in der Phantasie der Künstler fort. Ich erinnere nur an das herrliche
Blatt aus Hans Holbeins Totentanz, wo der Tod dem Kaiser naht, der von
seinen Räten umgeben auf dem Throne sitzt und einen Armen vor seinein vor¬
nehmen Unterdrücker schützt. Der Kaiser mit der vom Alter gebeugten Haltung,
dem Schwert, dessen Spitze abgebrochen ist, und dem goldnen Vließ ist kein
beliebiger Märchenkaiser, nein, noch damals hat der vaterländische Sinn Hol¬
beins der Gestalt die Züge Maximilians verliehen.

Die Künstler dachten eben alle mit Liebe und Wehmut an Maximilian
zurück; sie stimmten alle mit Dürer überein, der beim Tode Maximilians in
sein Tagebuch einschrieb, daß „Kaiserliche Majestät ihm viel zu früh verschieden
sei." Sie fanden keinen Herrscher wieder, der so wie Kaiser Maximilian ihnen
günstig war. Auch die folgenden deutscheu Fürsten waren zwar nicht der Kunst
abhold, bewiesen im Gegenteil oft eine warme Kunstliebe. Es kamen die bairischen
Herzöge Albrecht V,, Wilhelm V. und Maximilian I., sowie die österreichischen
Fürsten Ferdinand, der zweite Sohn Kaiser Ferdinands I,, und Kaiser Rudolf.
Ihre Kunstliebe offenbarte sich aber weniger in der Förderung einer großen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/206>, abgerufen am 22.07.2024.