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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Raiser Maximilian I> als Kunstfreund.

gemacht worden war. In einem Briefe klagt er über die Mühe, die ihm das
gekostet habe, und wenn wir heute das Holzschnittwerk betrachten, müssen wir
ihm beistimmen. Da treten uns zwar auch eine Reihe bekannter Gestalten ent¬
gegen. Wir sehen den heiligen Bonifacius, den Apostel der Deutschen, als
Bischof mit der Friedenspalme unter einem Baldachin in einer reichen Säulen¬
halle sitzen -- Karl den Großen, wie er in Ritterrüstung mit Schwert und
Reichsapfel in einer phantastische" Landschaft steht -- Chlodwig I., wie ihm
ein Engel erscheint und ihm die französische Flagge mit den drei Lilien über¬
reicht -- die heilige Kunigunde, die Gemahlin Kaiser Heinrichs, wie sie durch
das Gottesurteil ihre verdächtigte Jungfrauschaft beweist und auf glühendem
Eisen dahinschreitet wie auf kühlem Thau -- die heilige Elisabeth von Thüringen,
wie sie vor ihrer Burg Brot und Wein unter die Armen und Krüppel verteilt,
und manche andre. Die meiste" Heiligen aber sind recht unbekannt. Se. Adelard,
Abt von Corbie in der Pienrdie, Se. Adelbert, Bischof von Cambray, die heilige
Otilie, Äbtissin von Orp in Brabant, die heilige Agnes, Äbtissin von Santa
Clara in Prag, und manche andre werden nur mit großer Mühe von Braut
aufgefunden worden sein. Allznstreng hat er es auch mit der geschichtlichen
Genauigkeit nicht genommen. Es ist eine ganze Reihe von Heiligen in das
Werk aufgenommen, die sicher mit der Familie Maximilians nichts zu thun
haben, und auch manche Verwandte des Hauses Österreich als Heilige behandelt,
die in Wirklichkeit keine waren. Als der Meister, der Brants Angaben nieder-
zuzeichnen hatte, wird gewöhnlich ausschließlich Hans Bnrgkmair genannt. Schon
ein flüchtiges Durchblättern des Buches zeigt aber, daß wir es wie bei allen
übrigen Werke" des Kaisers Maximilian mit der Arbeit mehrerer Künstler
zu thun haben. Darüber, daß Bnrgkmair der Hauptanteil zufällt, kaun, obwohl
sich auf keinem der Blätter sein Monogramm findet, kein Zweifel sein. Neben
ihm aber waren noch wenigstens zwei andre Künstler thätig. Blatt 43 -- der
heilige Georg -- trägt rechts unten das Monogramm Springinklees. Ihm
möchte ich auch Ur. 16, den heiligen Bonifacius -- Ur. 22, Se. Konrad. Bischof
von Konstanz -- Ur. 46, Se. Goericus, Bischof von Metz -- Ur. 57, Graf
Hugbald, wie er als Pilger durch eine Landschaft schreitet, -- Ur. 79, König
Oswald von England, und mehrere andre Nummern zuschreiben. Unbezweiselbar
ist serner der Anteil Schäuseleins. Ihm gehören mit Sicherheit die Nummern 21,
Se. Colmar -- 47, Se. Goudran, König von Frankreich -- 63, Ladislaus 1.
von Ungarn -- 64, die heilige Landrade, Äbtissin von Münster -- 88, der
heilige Rhatvn, Gründer des Klosters Werden in Baiern -- 108, die heilige
Walpurgis, Äbtissin von Heidenheim am Meeresufer u. a. Im ganzen dürfte"
von den Blättern des Buches höchstens 70 Burgkmair, die übrigen Springinklee,
Schäufelein und andern unbekannten Künstlern angehören. Burgkmairs Blätter
sind freilich bei weitem die bedeutendsten des Buches. Solche hochragende Ge¬
stalten, die sich mit majestätischer Ruhe in weiten, echt italienischen Säulenbanten


Raiser Maximilian I> als Kunstfreund.

gemacht worden war. In einem Briefe klagt er über die Mühe, die ihm das
gekostet habe, und wenn wir heute das Holzschnittwerk betrachten, müssen wir
ihm beistimmen. Da treten uns zwar auch eine Reihe bekannter Gestalten ent¬
gegen. Wir sehen den heiligen Bonifacius, den Apostel der Deutschen, als
Bischof mit der Friedenspalme unter einem Baldachin in einer reichen Säulen¬
halle sitzen — Karl den Großen, wie er in Ritterrüstung mit Schwert und
Reichsapfel in einer phantastische» Landschaft steht — Chlodwig I., wie ihm
ein Engel erscheint und ihm die französische Flagge mit den drei Lilien über¬
reicht — die heilige Kunigunde, die Gemahlin Kaiser Heinrichs, wie sie durch
das Gottesurteil ihre verdächtigte Jungfrauschaft beweist und auf glühendem
Eisen dahinschreitet wie auf kühlem Thau — die heilige Elisabeth von Thüringen,
wie sie vor ihrer Burg Brot und Wein unter die Armen und Krüppel verteilt,
und manche andre. Die meiste» Heiligen aber sind recht unbekannt. Se. Adelard,
Abt von Corbie in der Pienrdie, Se. Adelbert, Bischof von Cambray, die heilige
Otilie, Äbtissin von Orp in Brabant, die heilige Agnes, Äbtissin von Santa
Clara in Prag, und manche andre werden nur mit großer Mühe von Braut
aufgefunden worden sein. Allznstreng hat er es auch mit der geschichtlichen
Genauigkeit nicht genommen. Es ist eine ganze Reihe von Heiligen in das
Werk aufgenommen, die sicher mit der Familie Maximilians nichts zu thun
haben, und auch manche Verwandte des Hauses Österreich als Heilige behandelt,
die in Wirklichkeit keine waren. Als der Meister, der Brants Angaben nieder-
zuzeichnen hatte, wird gewöhnlich ausschließlich Hans Bnrgkmair genannt. Schon
ein flüchtiges Durchblättern des Buches zeigt aber, daß wir es wie bei allen
übrigen Werke» des Kaisers Maximilian mit der Arbeit mehrerer Künstler
zu thun haben. Darüber, daß Bnrgkmair der Hauptanteil zufällt, kaun, obwohl
sich auf keinem der Blätter sein Monogramm findet, kein Zweifel sein. Neben
ihm aber waren noch wenigstens zwei andre Künstler thätig. Blatt 43 — der
heilige Georg — trägt rechts unten das Monogramm Springinklees. Ihm
möchte ich auch Ur. 16, den heiligen Bonifacius — Ur. 22, Se. Konrad. Bischof
von Konstanz — Ur. 46, Se. Goericus, Bischof von Metz — Ur. 57, Graf
Hugbald, wie er als Pilger durch eine Landschaft schreitet, — Ur. 79, König
Oswald von England, und mehrere andre Nummern zuschreiben. Unbezweiselbar
ist serner der Anteil Schäuseleins. Ihm gehören mit Sicherheit die Nummern 21,
Se. Colmar — 47, Se. Goudran, König von Frankreich — 63, Ladislaus 1.
von Ungarn — 64, die heilige Landrade, Äbtissin von Münster — 88, der
heilige Rhatvn, Gründer des Klosters Werden in Baiern — 108, die heilige
Walpurgis, Äbtissin von Heidenheim am Meeresufer u. a. Im ganzen dürfte»
von den Blättern des Buches höchstens 70 Burgkmair, die übrigen Springinklee,
Schäufelein und andern unbekannten Künstlern angehören. Burgkmairs Blätter
sind freilich bei weitem die bedeutendsten des Buches. Solche hochragende Ge¬
stalten, die sich mit majestätischer Ruhe in weiten, echt italienischen Säulenbanten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/201>, abgerufen am 22.07.2024.