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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Aus dem neuen Griechenland.

Wollten Wir alle Unterrichtsmistalten Griechenlands hier aufzählen, so
würde uns das zu weit und von dem ursprünglichen Zwecke dieses Aufsatzes
abführen. Wir beschränken uns darauf, zuletzt noch die Gesamtsumme der Aus¬
gaben zu nennen, welche jährlich auf den Unterricht verwendet werden. Es
sind dies zuvörderst drei Millionen Drachmen, die alljährlich im Budget des
Staates für Unterrichtszwecke ausgeworfen sind, sodann der Aufwand der Ge¬
meinden mit 1 600 00V Drachmen, endlich jene großen Summen, kaum nie¬
driger anzuschlagen als 2 500 000 Drachmen, welche von Vereinen und den im
Auslande lebenden reichen Gnechen gespendet werden. Der unentgeltliche Unter¬
richt bei einer Bevölkerung von zwei Millionen Köpfen nimmt somit die Summe
von über sieben Millionen Drachmen in Anspruch. Dieses Kapital trägt aber schon
jetzt reiche Zinsen; die statistischen Angaben der letzten Zeit weisen aus, daß
unter hundert Männern vierzig schreiben und lesen können, ein für die Kürze
der Zeit gewiß überraschend günstiges Resultat. Dem entsprechen die schnellen
und fast unglaublichen Fortschritte, welche im Buchhandel und in der Heraus¬
gabe von Zeitungen und Zeitschriften gemacht worden sind.

Vor dem Jahre 1821, also ehe der Freiheitskampf ausgebrochen war, gab
es überhaupt in Griechenland noch keine Zeitung, denn die erste Buchdruckerei,
welche im Jahre 1815 errichtet worden war, war nicht imstande, eine solche zu
drucken. Welche große Veränderung hat seit jener Zeit stattgefunden! Statt
jener einzigen kleinen und erbärmlichen Buchdruckerei arbeiten gegenwärtig in
Griechenland 122 Druckereien, welche jährlich 800 bis 1000 Bücher des ver¬
schiedensten Inhalts Produziren. Die ebenso zahlreich erscheinenden Zeitschriften
sind meistenteils zweckentsprechend, da sie von geschickten Federn redigirt werden.
Erwähnenswert sind das "Athenäum" und die "Archäologische Zeitung" der
archäologischen Gesellschaft, das Bulletin der historisch-ethnologischen Gesellschaft,
die juristische "Themis" und die "Gerichtszeitung," die medizinische Wochen¬
schrift "Galenus" und die Zeitung der bygieinischen Gesellschaft, die philologische
Zeitschrift 'Ahr/a, das "Attische Museum," der "Apollo," die Berichte des
Lehrervereins, und sodann die von den gleichnamigen Vereinen herausgegebenen
Zeitschriften "Parnassos," "Byron" und "Sokrates." nennenswert ist anch
noch der "Attische Kalender" von Jrinäns Asvpius und die italienisch von
Fravasile herausgegebene Wochenschrift.

In keinem andern Lande aber erscheinen Wohl so viel politische Zeitungen
wie in Griechenland, wo nur allein in Athen 54 (!) politische Blätter die
Tagesneuigkeiten verbreiten. Bedauerlich freilich ist es, daß die meisten der¬
selben weit entfernt von der Höhe und Vollkommenheit der bedeutenderen euro¬
päischen Blätter siud, noch bedauerlicher, daß es etliche giebt, welche das, was
sie zu sein vorgeben, Berater und Stimme des Volkes zu sein, nicht im min¬
desten sind. Aber es sind auch andre vorhanden, und zum Glücke nicht allzu
wenige, denen die Nation in vieler Hinsicht Dank schuldig ist. (Schluß folgt.)




Aus dem neuen Griechenland.

Wollten Wir alle Unterrichtsmistalten Griechenlands hier aufzählen, so
würde uns das zu weit und von dem ursprünglichen Zwecke dieses Aufsatzes
abführen. Wir beschränken uns darauf, zuletzt noch die Gesamtsumme der Aus¬
gaben zu nennen, welche jährlich auf den Unterricht verwendet werden. Es
sind dies zuvörderst drei Millionen Drachmen, die alljährlich im Budget des
Staates für Unterrichtszwecke ausgeworfen sind, sodann der Aufwand der Ge¬
meinden mit 1 600 00V Drachmen, endlich jene großen Summen, kaum nie¬
driger anzuschlagen als 2 500 000 Drachmen, welche von Vereinen und den im
Auslande lebenden reichen Gnechen gespendet werden. Der unentgeltliche Unter¬
richt bei einer Bevölkerung von zwei Millionen Köpfen nimmt somit die Summe
von über sieben Millionen Drachmen in Anspruch. Dieses Kapital trägt aber schon
jetzt reiche Zinsen; die statistischen Angaben der letzten Zeit weisen aus, daß
unter hundert Männern vierzig schreiben und lesen können, ein für die Kürze
der Zeit gewiß überraschend günstiges Resultat. Dem entsprechen die schnellen
und fast unglaublichen Fortschritte, welche im Buchhandel und in der Heraus¬
gabe von Zeitungen und Zeitschriften gemacht worden sind.

Vor dem Jahre 1821, also ehe der Freiheitskampf ausgebrochen war, gab
es überhaupt in Griechenland noch keine Zeitung, denn die erste Buchdruckerei,
welche im Jahre 1815 errichtet worden war, war nicht imstande, eine solche zu
drucken. Welche große Veränderung hat seit jener Zeit stattgefunden! Statt
jener einzigen kleinen und erbärmlichen Buchdruckerei arbeiten gegenwärtig in
Griechenland 122 Druckereien, welche jährlich 800 bis 1000 Bücher des ver¬
schiedensten Inhalts Produziren. Die ebenso zahlreich erscheinenden Zeitschriften
sind meistenteils zweckentsprechend, da sie von geschickten Federn redigirt werden.
Erwähnenswert sind das „Athenäum" und die „Archäologische Zeitung" der
archäologischen Gesellschaft, das Bulletin der historisch-ethnologischen Gesellschaft,
die juristische „Themis" und die „Gerichtszeitung," die medizinische Wochen¬
schrift „Galenus" und die Zeitung der bygieinischen Gesellschaft, die philologische
Zeitschrift 'Ahr/a, das „Attische Museum," der „Apollo," die Berichte des
Lehrervereins, und sodann die von den gleichnamigen Vereinen herausgegebenen
Zeitschriften „Parnassos," „Byron" und „Sokrates." nennenswert ist anch
noch der „Attische Kalender" von Jrinäns Asvpius und die italienisch von
Fravasile herausgegebene Wochenschrift.

In keinem andern Lande aber erscheinen Wohl so viel politische Zeitungen
wie in Griechenland, wo nur allein in Athen 54 (!) politische Blätter die
Tagesneuigkeiten verbreiten. Bedauerlich freilich ist es, daß die meisten der¬
selben weit entfernt von der Höhe und Vollkommenheit der bedeutenderen euro¬
päischen Blätter siud, noch bedauerlicher, daß es etliche giebt, welche das, was
sie zu sein vorgeben, Berater und Stimme des Volkes zu sein, nicht im min¬
desten sind. Aber es sind auch andre vorhanden, und zum Glücke nicht allzu
wenige, denen die Nation in vieler Hinsicht Dank schuldig ist. (Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/194>, abgerufen am 22.07.2024.