Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem neuen Griechenland.

stimmt, tüchtige Geistliche heranzubilden. Endlich sei noch erwähnt, daß auch
für die Waisen sich barmherzige Seelen gefunden haben, welche die Heran¬
bildung einer möglichst großen Anzahl derselben sich zum Ziele ihres auf¬
opferungsvollen Strebens gesetzt haben. Abgesehen von den schon oben er¬
wähnten Schulen des philologischen Vereins, zeigt uns allein Athen zwei solcher
segensreichen Bildungsanstalten, das Nationalwaisenhaus für Mädchen, "Ama-
liion" genannt, zu Ehren der verstorbenen Königin von Griechenland Amalie,
und das "Waisenhaus Georg und Katharina Hadzi Kosta," welche beide sehr
zufriedenstellende Resultate erreicht haben.

Die Universität Athens, die einzige im Orient, wurde im Jahre 1839 von
reichen Griechen erbaut und zählte damals nur gegen fünfzig Studenten, während
sie gegenwärtig in ihren vier Fakultäten fast von 3000 Studenten besucht wird,
von denen die meisten aus den unterjochten Provinzen stammen. Ihre vielen
und reichhaltigen Sammlungen, ihre große Bibliothek, das Krankenhaus und
ihre Kliniken, die Entbindungsanstalt, die Augenheilanstalt und das städtische
Krankenhaus unter der Direktion der medizinischen Fakultät, der große botanische
Garten und die von dem in Wien verstorbenen reichen Griechen Baron Sina
(welchem Griechenland auch das prachtvolle Gebäude der Akademie verdankt)
errichtete Sternwarte gewähren den Studirenden ein reiches und unentgeldliches
Material zu ihren Studien. Obwohl aber der Zustand der Athemlöcher Uni¬
versität ein in hohem Grade befriedigender ist, wandern doch ihre jungen Bürger
nach Vollendung ihrer akademischen Studien noch nach den verschiednen Kultur¬
ländern Europas, vorzugsweise nach Deutschland und Frankreich, um dort ihre
Kenntnisse zum Wohl und Gedeihen ihres Landes zu vermehren. So kommt
es, daß viele der bedeutendsten Gelehrten des neuen Hellas ihr reiches
Wissen dem Auslande entnommen haben und durch die im Allslande erworbenen
Kenntnisse glänzen. Wer die jahraus jahrein veröffentlichten Personalverzeich-
nisse der deutschen Universitäten durchblättert, wird sich überzeugen, daß die
Zahl der aus Griechenland kommenden Studenten weit über der der andern
Ausländer steht.

Was die Erziehung der Frauen betrifft, so hat man auch auf diesem Ge¬
biete viel gesorgt und gethan, weil man gleich von Anfang an einsah, daß
durch die Heranbildung von guten Müttern die Entwicklung und Veredlung
des ganzen Volkskörpers schneller und sicherer von statten gehen werde. Dies
beweisen die zahlreichen öffentlichen und Privatlehranstalten, von denen das
"Arsakion" in Athen, nach dem Begründer Arsatis genannt, besondre Erwähnung
verdient, weil in demselben über 2000 Mädchen aus dem Volke meistens un¬
entgeltlichen Unterricht erhalten.

Die Militürschule in Piräus, in welcher auch die Söhne des Königs ihre
militärische Erziehung erhalten, und die Marineschnle, ebenfalls in Piräus,
leisten dem jungen Staate vortreffliche Dienste.


Aus dem neuen Griechenland.

stimmt, tüchtige Geistliche heranzubilden. Endlich sei noch erwähnt, daß auch
für die Waisen sich barmherzige Seelen gefunden haben, welche die Heran¬
bildung einer möglichst großen Anzahl derselben sich zum Ziele ihres auf¬
opferungsvollen Strebens gesetzt haben. Abgesehen von den schon oben er¬
wähnten Schulen des philologischen Vereins, zeigt uns allein Athen zwei solcher
segensreichen Bildungsanstalten, das Nationalwaisenhaus für Mädchen, „Ama-
liion" genannt, zu Ehren der verstorbenen Königin von Griechenland Amalie,
und das „Waisenhaus Georg und Katharina Hadzi Kosta," welche beide sehr
zufriedenstellende Resultate erreicht haben.

Die Universität Athens, die einzige im Orient, wurde im Jahre 1839 von
reichen Griechen erbaut und zählte damals nur gegen fünfzig Studenten, während
sie gegenwärtig in ihren vier Fakultäten fast von 3000 Studenten besucht wird,
von denen die meisten aus den unterjochten Provinzen stammen. Ihre vielen
und reichhaltigen Sammlungen, ihre große Bibliothek, das Krankenhaus und
ihre Kliniken, die Entbindungsanstalt, die Augenheilanstalt und das städtische
Krankenhaus unter der Direktion der medizinischen Fakultät, der große botanische
Garten und die von dem in Wien verstorbenen reichen Griechen Baron Sina
(welchem Griechenland auch das prachtvolle Gebäude der Akademie verdankt)
errichtete Sternwarte gewähren den Studirenden ein reiches und unentgeldliches
Material zu ihren Studien. Obwohl aber der Zustand der Athemlöcher Uni¬
versität ein in hohem Grade befriedigender ist, wandern doch ihre jungen Bürger
nach Vollendung ihrer akademischen Studien noch nach den verschiednen Kultur¬
ländern Europas, vorzugsweise nach Deutschland und Frankreich, um dort ihre
Kenntnisse zum Wohl und Gedeihen ihres Landes zu vermehren. So kommt
es, daß viele der bedeutendsten Gelehrten des neuen Hellas ihr reiches
Wissen dem Auslande entnommen haben und durch die im Allslande erworbenen
Kenntnisse glänzen. Wer die jahraus jahrein veröffentlichten Personalverzeich-
nisse der deutschen Universitäten durchblättert, wird sich überzeugen, daß die
Zahl der aus Griechenland kommenden Studenten weit über der der andern
Ausländer steht.

Was die Erziehung der Frauen betrifft, so hat man auch auf diesem Ge¬
biete viel gesorgt und gethan, weil man gleich von Anfang an einsah, daß
durch die Heranbildung von guten Müttern die Entwicklung und Veredlung
des ganzen Volkskörpers schneller und sicherer von statten gehen werde. Dies
beweisen die zahlreichen öffentlichen und Privatlehranstalten, von denen das
„Arsakion" in Athen, nach dem Begründer Arsatis genannt, besondre Erwähnung
verdient, weil in demselben über 2000 Mädchen aus dem Volke meistens un¬
entgeltlichen Unterricht erhalten.

Die Militürschule in Piräus, in welcher auch die Söhne des Königs ihre
militärische Erziehung erhalten, und die Marineschnle, ebenfalls in Piräus,
leisten dem jungen Staate vortreffliche Dienste.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155076"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem neuen Griechenland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_790" prev="#ID_789"> stimmt, tüchtige Geistliche heranzubilden. Endlich sei noch erwähnt, daß auch<lb/>
für die Waisen sich barmherzige Seelen gefunden haben, welche die Heran¬<lb/>
bildung einer möglichst großen Anzahl derselben sich zum Ziele ihres auf¬<lb/>
opferungsvollen Strebens gesetzt haben. Abgesehen von den schon oben er¬<lb/>
wähnten Schulen des philologischen Vereins, zeigt uns allein Athen zwei solcher<lb/>
segensreichen Bildungsanstalten, das Nationalwaisenhaus für Mädchen, &#x201E;Ama-<lb/>
liion" genannt, zu Ehren der verstorbenen Königin von Griechenland Amalie,<lb/>
und das &#x201E;Waisenhaus Georg und Katharina Hadzi Kosta," welche beide sehr<lb/>
zufriedenstellende Resultate erreicht haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_791"> Die Universität Athens, die einzige im Orient, wurde im Jahre 1839 von<lb/>
reichen Griechen erbaut und zählte damals nur gegen fünfzig Studenten, während<lb/>
sie gegenwärtig in ihren vier Fakultäten fast von 3000 Studenten besucht wird,<lb/>
von denen die meisten aus den unterjochten Provinzen stammen. Ihre vielen<lb/>
und reichhaltigen Sammlungen, ihre große Bibliothek, das Krankenhaus und<lb/>
ihre Kliniken, die Entbindungsanstalt, die Augenheilanstalt und das städtische<lb/>
Krankenhaus unter der Direktion der medizinischen Fakultät, der große botanische<lb/>
Garten und die von dem in Wien verstorbenen reichen Griechen Baron Sina<lb/>
(welchem Griechenland auch das prachtvolle Gebäude der Akademie verdankt)<lb/>
errichtete Sternwarte gewähren den Studirenden ein reiches und unentgeldliches<lb/>
Material zu ihren Studien. Obwohl aber der Zustand der Athemlöcher Uni¬<lb/>
versität ein in hohem Grade befriedigender ist, wandern doch ihre jungen Bürger<lb/>
nach Vollendung ihrer akademischen Studien noch nach den verschiednen Kultur¬<lb/>
ländern Europas, vorzugsweise nach Deutschland und Frankreich, um dort ihre<lb/>
Kenntnisse zum Wohl und Gedeihen ihres Landes zu vermehren. So kommt<lb/>
es, daß viele der bedeutendsten Gelehrten des neuen Hellas ihr reiches<lb/>
Wissen dem Auslande entnommen haben und durch die im Allslande erworbenen<lb/>
Kenntnisse glänzen. Wer die jahraus jahrein veröffentlichten Personalverzeich-<lb/>
nisse der deutschen Universitäten durchblättert, wird sich überzeugen, daß die<lb/>
Zahl der aus Griechenland kommenden Studenten weit über der der andern<lb/>
Ausländer steht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_792"> Was die Erziehung der Frauen betrifft, so hat man auch auf diesem Ge¬<lb/>
biete viel gesorgt und gethan, weil man gleich von Anfang an einsah, daß<lb/>
durch die Heranbildung von guten Müttern die Entwicklung und Veredlung<lb/>
des ganzen Volkskörpers schneller und sicherer von statten gehen werde. Dies<lb/>
beweisen die zahlreichen öffentlichen und Privatlehranstalten, von denen das<lb/>
&#x201E;Arsakion" in Athen, nach dem Begründer Arsatis genannt, besondre Erwähnung<lb/>
verdient, weil in demselben über 2000 Mädchen aus dem Volke meistens un¬<lb/>
entgeltlichen Unterricht erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_793"> Die Militürschule in Piräus, in welcher auch die Söhne des Königs ihre<lb/>
militärische Erziehung erhalten, und die Marineschnle, ebenfalls in Piräus,<lb/>
leisten dem jungen Staate vortreffliche Dienste.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0193] Aus dem neuen Griechenland. stimmt, tüchtige Geistliche heranzubilden. Endlich sei noch erwähnt, daß auch für die Waisen sich barmherzige Seelen gefunden haben, welche die Heran¬ bildung einer möglichst großen Anzahl derselben sich zum Ziele ihres auf¬ opferungsvollen Strebens gesetzt haben. Abgesehen von den schon oben er¬ wähnten Schulen des philologischen Vereins, zeigt uns allein Athen zwei solcher segensreichen Bildungsanstalten, das Nationalwaisenhaus für Mädchen, „Ama- liion" genannt, zu Ehren der verstorbenen Königin von Griechenland Amalie, und das „Waisenhaus Georg und Katharina Hadzi Kosta," welche beide sehr zufriedenstellende Resultate erreicht haben. Die Universität Athens, die einzige im Orient, wurde im Jahre 1839 von reichen Griechen erbaut und zählte damals nur gegen fünfzig Studenten, während sie gegenwärtig in ihren vier Fakultäten fast von 3000 Studenten besucht wird, von denen die meisten aus den unterjochten Provinzen stammen. Ihre vielen und reichhaltigen Sammlungen, ihre große Bibliothek, das Krankenhaus und ihre Kliniken, die Entbindungsanstalt, die Augenheilanstalt und das städtische Krankenhaus unter der Direktion der medizinischen Fakultät, der große botanische Garten und die von dem in Wien verstorbenen reichen Griechen Baron Sina (welchem Griechenland auch das prachtvolle Gebäude der Akademie verdankt) errichtete Sternwarte gewähren den Studirenden ein reiches und unentgeldliches Material zu ihren Studien. Obwohl aber der Zustand der Athemlöcher Uni¬ versität ein in hohem Grade befriedigender ist, wandern doch ihre jungen Bürger nach Vollendung ihrer akademischen Studien noch nach den verschiednen Kultur¬ ländern Europas, vorzugsweise nach Deutschland und Frankreich, um dort ihre Kenntnisse zum Wohl und Gedeihen ihres Landes zu vermehren. So kommt es, daß viele der bedeutendsten Gelehrten des neuen Hellas ihr reiches Wissen dem Auslande entnommen haben und durch die im Allslande erworbenen Kenntnisse glänzen. Wer die jahraus jahrein veröffentlichten Personalverzeich- nisse der deutschen Universitäten durchblättert, wird sich überzeugen, daß die Zahl der aus Griechenland kommenden Studenten weit über der der andern Ausländer steht. Was die Erziehung der Frauen betrifft, so hat man auch auf diesem Ge¬ biete viel gesorgt und gethan, weil man gleich von Anfang an einsah, daß durch die Heranbildung von guten Müttern die Entwicklung und Veredlung des ganzen Volkskörpers schneller und sicherer von statten gehen werde. Dies beweisen die zahlreichen öffentlichen und Privatlehranstalten, von denen das „Arsakion" in Athen, nach dem Begründer Arsatis genannt, besondre Erwähnung verdient, weil in demselben über 2000 Mädchen aus dem Volke meistens un¬ entgeltlichen Unterricht erhalten. Die Militürschule in Piräus, in welcher auch die Söhne des Königs ihre militärische Erziehung erhalten, und die Marineschnle, ebenfalls in Piräus, leisten dem jungen Staate vortreffliche Dienste.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/193
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/193>, abgerufen am 22.07.2024.