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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Aus dem neuen Griechenland.

Orients betrachtet werden, und obwohl es in vielen Punkten den größeren euro¬
päischen Städten gegenüber zurücksteht, so besitzt doch keine unter ihnen sein
wonnig süßes Klima, keine vielleicht auch seine wunderbar schöne Lage. Alle
Schilderungen von dem fast ununterbrochen heitern und tiefblauen Himmel
Attikas, von der Feinheit lind Klarheit seiner Luft, von seinen prachtvollen
Kunstwerken aus dem Altertume, ewig bewunderungswürdig und nie wieder er¬
reichbar, können uns doch kaum den Schatten eines Begriffs geben von den
Schönheiten dieses zauberischen Landes. Ein unverlöschliches Bild bietet sich
demjenigen, der bei Sonnenuntergang die Akropolis in Athen besteigt. Da
liegt zu unsrer Linken der felsige Hymettos in purpurnem Violett, hinter uns
im tiefsten Blau der wie ein königliches Zelt aufgespannte Pentelikon, rechts
die Schluchten des Parnes in smaragdgrünem Lichte schimmernd; unter uns aber
erglänzt das Meer bei der rasch wechselnden Beleuchtung der zu Rüste gehenden
Sonne. Dann wendet sich der Blick auf die vor dem Beschauer sich erhebenden
herrlichen Gebäude, die den Boden der heiligen Burg decken, die Propyläen,
den Parthenon, das Erechtheion. Und nnn zurück zu der unter weit ausge¬
breiteten schönen, jugendlichen Stadt Athen! Überall buntes, reges Leben; allent¬
halben um sie herum Thäler, Berge, Hügel und Ane" unter der Herrschaft
eines ewigen Frühlings, einem herrlichen Lustgarten gleich, alles angebaut und
bewässert, alles blühend und fruchtbar!

Die Vcrkehrsfrage war es, welche den jungen Staat zuerst beschäftigte,
und welche noch heute viel des zu verbessernden bietet, obgleich sie einen großen
Teil seiner Einnahmen aufsaugt. Nichtsdestoweniger sieht man dort, wo der
Handeltreibende in früheren Zeiten enge Pfade schaudernd begehen oder felsige
und steile Anhöhen hinaufklettern mußte, um seine Waaren von Ort zu Ort
zu schaffen, in Gefahr, jede Minute gegen einen Stein zu stoßen, in einem
Felsenriß oder tief in einem Abgrunde den Tod zu finden, jetzt mit ungeheuern
Kosten des Staates und der Gemeinden breite Landwege gebaut, und in zwei
Jahren werden verschiedene Eisenbahnlinien, von denen einige schon vollendet
sind, die weitesten Pnnkte des kleinen, felsigen Landes verbinden, den öffent¬
lichen Verkehr erleichtern, dem Handel und der Industrie die größten Dienste
leisten. Vor kurzem, vor ungefähr acht Monaten, hat das Parlament be¬
schlossen eine Anleihe von zwanzig Millionen Drachmen aufzunehmen, welche
bestimmt ist, speziell zum Bau neuer Landstraßen verwendet zu werden.

Griechenland bedarf wegen seiner geographischen Lage aber auch einer
beträchtlichen Anzahl von Dampfschiffen, welche die Verbindung und den kom¬
merziellen Verkehr seiner zahlreichen Hafenstädte und Inseln vermitteln. Es
existiren gegenwärtig drei griechische Dampfschifffahrtsgesellschaften, von denen
die erste, als "Griechische Dampfschiffsahrtsgesellschaft" bekannt, seit 18S6, wo
sie in Syra gegründet wurde, ein jährliches Honorar von 600 000 Drachmen
erhält, damit sie normal die ihr vom Staate auferlegten Pflichten erfülle. Sie


Aus dem neuen Griechenland.

Orients betrachtet werden, und obwohl es in vielen Punkten den größeren euro¬
päischen Städten gegenüber zurücksteht, so besitzt doch keine unter ihnen sein
wonnig süßes Klima, keine vielleicht auch seine wunderbar schöne Lage. Alle
Schilderungen von dem fast ununterbrochen heitern und tiefblauen Himmel
Attikas, von der Feinheit lind Klarheit seiner Luft, von seinen prachtvollen
Kunstwerken aus dem Altertume, ewig bewunderungswürdig und nie wieder er¬
reichbar, können uns doch kaum den Schatten eines Begriffs geben von den
Schönheiten dieses zauberischen Landes. Ein unverlöschliches Bild bietet sich
demjenigen, der bei Sonnenuntergang die Akropolis in Athen besteigt. Da
liegt zu unsrer Linken der felsige Hymettos in purpurnem Violett, hinter uns
im tiefsten Blau der wie ein königliches Zelt aufgespannte Pentelikon, rechts
die Schluchten des Parnes in smaragdgrünem Lichte schimmernd; unter uns aber
erglänzt das Meer bei der rasch wechselnden Beleuchtung der zu Rüste gehenden
Sonne. Dann wendet sich der Blick auf die vor dem Beschauer sich erhebenden
herrlichen Gebäude, die den Boden der heiligen Burg decken, die Propyläen,
den Parthenon, das Erechtheion. Und nnn zurück zu der unter weit ausge¬
breiteten schönen, jugendlichen Stadt Athen! Überall buntes, reges Leben; allent¬
halben um sie herum Thäler, Berge, Hügel und Ane» unter der Herrschaft
eines ewigen Frühlings, einem herrlichen Lustgarten gleich, alles angebaut und
bewässert, alles blühend und fruchtbar!

Die Vcrkehrsfrage war es, welche den jungen Staat zuerst beschäftigte,
und welche noch heute viel des zu verbessernden bietet, obgleich sie einen großen
Teil seiner Einnahmen aufsaugt. Nichtsdestoweniger sieht man dort, wo der
Handeltreibende in früheren Zeiten enge Pfade schaudernd begehen oder felsige
und steile Anhöhen hinaufklettern mußte, um seine Waaren von Ort zu Ort
zu schaffen, in Gefahr, jede Minute gegen einen Stein zu stoßen, in einem
Felsenriß oder tief in einem Abgrunde den Tod zu finden, jetzt mit ungeheuern
Kosten des Staates und der Gemeinden breite Landwege gebaut, und in zwei
Jahren werden verschiedene Eisenbahnlinien, von denen einige schon vollendet
sind, die weitesten Pnnkte des kleinen, felsigen Landes verbinden, den öffent¬
lichen Verkehr erleichtern, dem Handel und der Industrie die größten Dienste
leisten. Vor kurzem, vor ungefähr acht Monaten, hat das Parlament be¬
schlossen eine Anleihe von zwanzig Millionen Drachmen aufzunehmen, welche
bestimmt ist, speziell zum Bau neuer Landstraßen verwendet zu werden.

Griechenland bedarf wegen seiner geographischen Lage aber auch einer
beträchtlichen Anzahl von Dampfschiffen, welche die Verbindung und den kom¬
merziellen Verkehr seiner zahlreichen Hafenstädte und Inseln vermitteln. Es
existiren gegenwärtig drei griechische Dampfschifffahrtsgesellschaften, von denen
die erste, als „Griechische Dampfschiffsahrtsgesellschaft" bekannt, seit 18S6, wo
sie in Syra gegründet wurde, ein jährliches Honorar von 600 000 Drachmen
erhält, damit sie normal die ihr vom Staate auferlegten Pflichten erfülle. Sie


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[0189] Aus dem neuen Griechenland. Orients betrachtet werden, und obwohl es in vielen Punkten den größeren euro¬ päischen Städten gegenüber zurücksteht, so besitzt doch keine unter ihnen sein wonnig süßes Klima, keine vielleicht auch seine wunderbar schöne Lage. Alle Schilderungen von dem fast ununterbrochen heitern und tiefblauen Himmel Attikas, von der Feinheit lind Klarheit seiner Luft, von seinen prachtvollen Kunstwerken aus dem Altertume, ewig bewunderungswürdig und nie wieder er¬ reichbar, können uns doch kaum den Schatten eines Begriffs geben von den Schönheiten dieses zauberischen Landes. Ein unverlöschliches Bild bietet sich demjenigen, der bei Sonnenuntergang die Akropolis in Athen besteigt. Da liegt zu unsrer Linken der felsige Hymettos in purpurnem Violett, hinter uns im tiefsten Blau der wie ein königliches Zelt aufgespannte Pentelikon, rechts die Schluchten des Parnes in smaragdgrünem Lichte schimmernd; unter uns aber erglänzt das Meer bei der rasch wechselnden Beleuchtung der zu Rüste gehenden Sonne. Dann wendet sich der Blick auf die vor dem Beschauer sich erhebenden herrlichen Gebäude, die den Boden der heiligen Burg decken, die Propyläen, den Parthenon, das Erechtheion. Und nnn zurück zu der unter weit ausge¬ breiteten schönen, jugendlichen Stadt Athen! Überall buntes, reges Leben; allent¬ halben um sie herum Thäler, Berge, Hügel und Ane» unter der Herrschaft eines ewigen Frühlings, einem herrlichen Lustgarten gleich, alles angebaut und bewässert, alles blühend und fruchtbar! Die Vcrkehrsfrage war es, welche den jungen Staat zuerst beschäftigte, und welche noch heute viel des zu verbessernden bietet, obgleich sie einen großen Teil seiner Einnahmen aufsaugt. Nichtsdestoweniger sieht man dort, wo der Handeltreibende in früheren Zeiten enge Pfade schaudernd begehen oder felsige und steile Anhöhen hinaufklettern mußte, um seine Waaren von Ort zu Ort zu schaffen, in Gefahr, jede Minute gegen einen Stein zu stoßen, in einem Felsenriß oder tief in einem Abgrunde den Tod zu finden, jetzt mit ungeheuern Kosten des Staates und der Gemeinden breite Landwege gebaut, und in zwei Jahren werden verschiedene Eisenbahnlinien, von denen einige schon vollendet sind, die weitesten Pnnkte des kleinen, felsigen Landes verbinden, den öffent¬ lichen Verkehr erleichtern, dem Handel und der Industrie die größten Dienste leisten. Vor kurzem, vor ungefähr acht Monaten, hat das Parlament be¬ schlossen eine Anleihe von zwanzig Millionen Drachmen aufzunehmen, welche bestimmt ist, speziell zum Bau neuer Landstraßen verwendet zu werden. Griechenland bedarf wegen seiner geographischen Lage aber auch einer beträchtlichen Anzahl von Dampfschiffen, welche die Verbindung und den kom¬ merziellen Verkehr seiner zahlreichen Hafenstädte und Inseln vermitteln. Es existiren gegenwärtig drei griechische Dampfschifffahrtsgesellschaften, von denen die erste, als „Griechische Dampfschiffsahrtsgesellschaft" bekannt, seit 18S6, wo sie in Syra gegründet wurde, ein jährliches Honorar von 600 000 Drachmen erhält, damit sie normal die ihr vom Staate auferlegten Pflichten erfülle. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/189>, abgerufen am 22.07.2024.