Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Lin Vorläufer Lcissallss. sich den offenkundiger Übeln des Privateigentums, jener seinen ebenso offen¬ Das zeigt sich auch in seiner Kritik der vermeintlichen Thatsache, die Kriege Ganz ungenügend ist die Beurteilung des Tauschhandels. Eine wissen¬ Am mißlungensten sind Weitlings Angriffe auf das Geld. Hier zeigt sich Lin Vorläufer Lcissallss. sich den offenkundiger Übeln des Privateigentums, jener seinen ebenso offen¬ Das zeigt sich auch in seiner Kritik der vermeintlichen Thatsache, die Kriege Ganz ungenügend ist die Beurteilung des Tauschhandels. Eine wissen¬ Am mißlungensten sind Weitlings Angriffe auf das Geld. Hier zeigt sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155069"/> <fw type="header" place="top"> Lin Vorläufer Lcissallss.</fw><lb/> <p xml:id="ID_760" prev="#ID_759"> sich den offenkundiger Übeln des Privateigentums, jener seinen ebenso offen¬<lb/> kundiger Vorzügen, Also genau dieselbe Einseitigkeit, Wäre unsre heutige<lb/> Kultur, die weitgehende Organisation der Naturkräfte zum Dienste der Mensch¬<lb/> heit möglich gewesen ohne das Privateigentum an Produktionsmitteln? Wären<lb/> die Erfindungen möglich gewesen ohne die bisherige Wirtschaftsordnung? Denn<lb/> darüber darf man sich auch nicht dem geringsten Zweifel hingeben: bis zur<lb/> Blüte des individualistischen Staates wäre ein dauernder und zugleich nützlicher<lb/> Sozialstaat ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. In diesem Falle mußte man<lb/> aber die Mängel, welche die bestehende Gesellschaft hatte, mit in den Kauf<lb/> nehmen, durfte mau sich über den Müßiggang, den die Institution der Erb¬<lb/> schaft manchmal mit sich brachte, nicht beschweren. Weitlings Auffassung ist<lb/> eine ganz unhistorische.</p><lb/> <p xml:id="ID_761"> Das zeigt sich auch in seiner Kritik der vermeintlichen Thatsache, die Kriege<lb/> hätten ihren Entstehungsgrund in dem Umstände, daß die Völker Stücke Landes<lb/> zu ihrem Eigentum gemacht hätten. Weitling glaubte also wirklich, daß in der<lb/> grauen Vorzeit, wo der Mensch erst anfing, den Boden seinen Zwecken dienstbar<lb/> zu machen, eine Weltgemeinschaft möglich gewesen wäre! Nichts zeigt klarer,<lb/> bis zu welchen Lächerlichkeiten seine unwissenschaftlich-abstrakte Theorie führt.<lb/> Ähnlich wie der Krieg, findet auch die Sklaverei noch nachträglich durch eine<lb/> geschichtsphilosophische Betrachtung ihre Rechtfertigung für vergangene Zeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_762"> Ganz ungenügend ist die Beurteilung des Tauschhandels. Eine wissen¬<lb/> schaftliche Untersuchung desselben lehrt uns, daß derselbe in ganz besondern:<lb/> Maße das Prinzip der bestehenden Wirtschaftsordnung, das private Sonder¬<lb/> interesse, zum Ausdruck bringt und daher anch dessen schlimmste wie dessen beste<lb/> Blüten aufzeigen muß. Faktisch sehen wir, daß der Handel der kunstvollste Teil<lb/> im Organismus der heutigen Gesellschaft ist, während er andrerseits eine Reihe<lb/> der verwerflichsten Auswüchse zeigt. Eine Kritik, die nur die schlechten Seite»<lb/> des Handels berücksichtigt, ohne für die guten auch nur ein Wort zu haben<lb/> — und Weitlings Kritik ist eine solche —, muß daher als im höchsten Grade<lb/> einseitig gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_763" next="#ID_764"> Am mißlungensten sind Weitlings Angriffe auf das Geld. Hier zeigt sich<lb/> sein Mangel an wirklich wissenschaftlicher Einsicht in das Wesen der Volkswirt¬<lb/> schaft im hellsten Lichte. Die Hauptrolle spielt darin ein — ich möchte sagen —<lb/> instinktiver Haß gegen das Geld, wie er so vielen Kommunisten eigentümlich ist.<lb/> Anstatt in dem Gelde ein Mittel zur Vervollkommnung des Verkehrs, des<lb/> Tauschhandels zu sehen, betrachtet Weitling dasselbe als das großartigste, was<lb/> von den besitzenden Klassen zur Ausbeutung der Nichtbesitzenden erfunden worden<lb/> sei. Wenn — muß man unserm Kommunisten entgegenhalten — eine solche<lb/> wirklich stattfindet, dann geschieht sie ohne Dazwischenkunft des Geldes ebensogut<lb/> wie mit demselben. Und wenn gar das Geld als die Ursache der Korruption,<lb/> des Betrugs u. s. w. angesehen wird, so ist das nicht minder unwissenschaftlich.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Lin Vorläufer Lcissallss.
sich den offenkundiger Übeln des Privateigentums, jener seinen ebenso offen¬
kundiger Vorzügen, Also genau dieselbe Einseitigkeit, Wäre unsre heutige
Kultur, die weitgehende Organisation der Naturkräfte zum Dienste der Mensch¬
heit möglich gewesen ohne das Privateigentum an Produktionsmitteln? Wären
die Erfindungen möglich gewesen ohne die bisherige Wirtschaftsordnung? Denn
darüber darf man sich auch nicht dem geringsten Zweifel hingeben: bis zur
Blüte des individualistischen Staates wäre ein dauernder und zugleich nützlicher
Sozialstaat ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. In diesem Falle mußte man
aber die Mängel, welche die bestehende Gesellschaft hatte, mit in den Kauf
nehmen, durfte mau sich über den Müßiggang, den die Institution der Erb¬
schaft manchmal mit sich brachte, nicht beschweren. Weitlings Auffassung ist
eine ganz unhistorische.
Das zeigt sich auch in seiner Kritik der vermeintlichen Thatsache, die Kriege
hätten ihren Entstehungsgrund in dem Umstände, daß die Völker Stücke Landes
zu ihrem Eigentum gemacht hätten. Weitling glaubte also wirklich, daß in der
grauen Vorzeit, wo der Mensch erst anfing, den Boden seinen Zwecken dienstbar
zu machen, eine Weltgemeinschaft möglich gewesen wäre! Nichts zeigt klarer,
bis zu welchen Lächerlichkeiten seine unwissenschaftlich-abstrakte Theorie führt.
Ähnlich wie der Krieg, findet auch die Sklaverei noch nachträglich durch eine
geschichtsphilosophische Betrachtung ihre Rechtfertigung für vergangene Zeiten.
Ganz ungenügend ist die Beurteilung des Tauschhandels. Eine wissen¬
schaftliche Untersuchung desselben lehrt uns, daß derselbe in ganz besondern:
Maße das Prinzip der bestehenden Wirtschaftsordnung, das private Sonder¬
interesse, zum Ausdruck bringt und daher anch dessen schlimmste wie dessen beste
Blüten aufzeigen muß. Faktisch sehen wir, daß der Handel der kunstvollste Teil
im Organismus der heutigen Gesellschaft ist, während er andrerseits eine Reihe
der verwerflichsten Auswüchse zeigt. Eine Kritik, die nur die schlechten Seite»
des Handels berücksichtigt, ohne für die guten auch nur ein Wort zu haben
— und Weitlings Kritik ist eine solche —, muß daher als im höchsten Grade
einseitig gelten.
Am mißlungensten sind Weitlings Angriffe auf das Geld. Hier zeigt sich
sein Mangel an wirklich wissenschaftlicher Einsicht in das Wesen der Volkswirt¬
schaft im hellsten Lichte. Die Hauptrolle spielt darin ein — ich möchte sagen —
instinktiver Haß gegen das Geld, wie er so vielen Kommunisten eigentümlich ist.
Anstatt in dem Gelde ein Mittel zur Vervollkommnung des Verkehrs, des
Tauschhandels zu sehen, betrachtet Weitling dasselbe als das großartigste, was
von den besitzenden Klassen zur Ausbeutung der Nichtbesitzenden erfunden worden
sei. Wenn — muß man unserm Kommunisten entgegenhalten — eine solche
wirklich stattfindet, dann geschieht sie ohne Dazwischenkunft des Geldes ebensogut
wie mit demselben. Und wenn gar das Geld als die Ursache der Korruption,
des Betrugs u. s. w. angesehen wird, so ist das nicht minder unwissenschaftlich.
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