Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Auf der Leiter des Glücks. beiden Kapitel überschlagen werden können -- damit aber auch im Gegenteil Man hat sich in der Villa Anna also nicht wie bisher nur einigemal in Dennoch hatte Frau Anna ihm versprechen müssen, von Zeit zu Zeit un¬ Frau Anna ihrerseits hatte sich im stillen erinnert, daß ohne die ihr als Sie läßt sich gut an, lautete denn auch Frau Annas Bericht, und ich Sachte, sachte. Ist sie uns nicht schon so lieb wie eine Tochter? Nicht zu rasch, wenn ich bitten darf. Wie eine rechte Tochter, Kaspar Benedikt. Der Fabrikant schwieg. Das Wort rechte Tochter klang zu wehmütig. Ihm Auf der Leiter des Glücks. beiden Kapitel überschlagen werden können — damit aber auch im Gegenteil Man hat sich in der Villa Anna also nicht wie bisher nur einigemal in Dennoch hatte Frau Anna ihm versprechen müssen, von Zeit zu Zeit un¬ Frau Anna ihrerseits hatte sich im stillen erinnert, daß ohne die ihr als Sie läßt sich gut an, lautete denn auch Frau Annas Bericht, und ich Sachte, sachte. Ist sie uns nicht schon so lieb wie eine Tochter? Nicht zu rasch, wenn ich bitten darf. Wie eine rechte Tochter, Kaspar Benedikt. Der Fabrikant schwieg. Das Wort rechte Tochter klang zu wehmütig. Ihm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155043"/> <fw type="header" place="top"> Auf der Leiter des Glücks.</fw><lb/> <p xml:id="ID_607" prev="#ID_606"> beiden Kapitel überschlagen werden können — damit aber auch im Gegenteil<lb/> diejenigen meiner liebenswürdigen Leserinnen, die, nach der in manchen beliebten<lb/> Büchern getroffenen Einrichtung, mit solchen Vorkommnissen bereits das erste<lb/> Kapitel geschmückt zu sehen gewohnt sind, die Geduld nicht eben in dem Augen¬<lb/> blicke verlieren, wo die Erzählung in etwas rosiger anmutende Bahnen einzu¬<lb/> lenken gedenkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_608"> Man hat sich in der Villa Anna also nicht wie bisher nur einigemal in<lb/> der Woche zu sehen bekommen, sondern täglich, ja stündlich. Hermine ist in<lb/> dem sogenannten Damenzimmer einquartiert worden: Möbel aus Ebenholz¬<lb/> imitation mit rotem Seiden- und Atlasbezug, tief blau-graue Tapete, mattgelber<lb/> Kaminofen mit buntstaffirten Cartouchen, Renaissancestil 8M8 Mass, wie Kaspar<lb/> Benedikt seinen bewundernden Logirgast freundlich belehrt hat, nicht ohne Her-<lb/> minens Sorge um die schönen, noch nie benutzten Möbel durch die Versicherung<lb/> zu beschwichtigen, er besitze die Nachweise der Bezugsquellen für jeden dieser<lb/> Stoffe, und sein Grundsatz sei: alles lassen, aber auch alles benutzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_609"> Dennoch hatte Frau Anna ihm versprechen müssen, von Zeit zu Zeit un¬<lb/> vorbereitet zu revidiren, denn, hatte er gesagt, wie ein junges Mädchen, wenn<lb/> sie sich unbeachtet weiß, ihr Zimmer hält, darin liegt ein wesentliches Stück<lb/> ihres künftigen Hausstandes, und er hatte Frau Anna daran erinnert, daß<lb/> seine Mutter erst ihre Bedenken gegen ihre Schwiegertochter überwunden habe,<lb/> nachdem sie der letztern ein paarmal unversehens in das Gehege ihrer Kleider¬<lb/> und Wäscheschränke gekommen sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_610"> Frau Anna ihrerseits hatte sich im stillen erinnert, daß ohne die ihr als<lb/> Kind von ihrer eignen Mutter gewordene Anleitung sie wohl kaum jene<lb/> Probe sogut bestanden haben würde, und wo Herminens Zimmer nicht ganz so<lb/> ordentlich gehalten worden war, wie Kaspar Benedikt es von seiner Schwieger¬<lb/> tochter in, sxs erhoffte, da hatte Frau Anna ein wenig nachgeholfen, nie ohne<lb/> zu ihrer Freude wahrzunehmen, daß Fräulein von Mockritz auch in dieser<lb/> Beziehung sich als ein Muster von Gelehrigkeit bezeige.</p><lb/> <p xml:id="ID_611"> Sie läßt sich gut an, lautete denn auch Frau Annas Bericht, und ich<lb/> wünsche nichts sehnlicher, als daß unser Berthold endlich eintrifft. Wie leicht<lb/> geht ein junger Mann in seiner Wahl fehl! Hier haben wir Zeit und Ge¬<lb/> legenheit gehabt, uns mußevoll zu orientiren. Sage selbst, Kaspar, hätten wir<lb/> besser für ihn wählen können?</p><lb/> <p xml:id="ID_612"> Sachte, sachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_613"> Ist sie uns nicht schon so lieb wie eine Tochter?</p><lb/> <p xml:id="ID_614"> Nicht zu rasch, wenn ich bitten darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Wie eine rechte Tochter, Kaspar Benedikt.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Der Fabrikant schwieg. Das Wort rechte Tochter klang zu wehmütig. Ihm<lb/> fielen zwei kleine Schwarzäugelchen ein, die sich einst mit Thränen gefüllt hatten,<lb/> als zwei kleine frostig gerodete Hände von ihm zu derb gerieben worden waren.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Auf der Leiter des Glücks.
beiden Kapitel überschlagen werden können — damit aber auch im Gegenteil
diejenigen meiner liebenswürdigen Leserinnen, die, nach der in manchen beliebten
Büchern getroffenen Einrichtung, mit solchen Vorkommnissen bereits das erste
Kapitel geschmückt zu sehen gewohnt sind, die Geduld nicht eben in dem Augen¬
blicke verlieren, wo die Erzählung in etwas rosiger anmutende Bahnen einzu¬
lenken gedenkt.
Man hat sich in der Villa Anna also nicht wie bisher nur einigemal in
der Woche zu sehen bekommen, sondern täglich, ja stündlich. Hermine ist in
dem sogenannten Damenzimmer einquartiert worden: Möbel aus Ebenholz¬
imitation mit rotem Seiden- und Atlasbezug, tief blau-graue Tapete, mattgelber
Kaminofen mit buntstaffirten Cartouchen, Renaissancestil 8M8 Mass, wie Kaspar
Benedikt seinen bewundernden Logirgast freundlich belehrt hat, nicht ohne Her-
minens Sorge um die schönen, noch nie benutzten Möbel durch die Versicherung
zu beschwichtigen, er besitze die Nachweise der Bezugsquellen für jeden dieser
Stoffe, und sein Grundsatz sei: alles lassen, aber auch alles benutzen.
Dennoch hatte Frau Anna ihm versprechen müssen, von Zeit zu Zeit un¬
vorbereitet zu revidiren, denn, hatte er gesagt, wie ein junges Mädchen, wenn
sie sich unbeachtet weiß, ihr Zimmer hält, darin liegt ein wesentliches Stück
ihres künftigen Hausstandes, und er hatte Frau Anna daran erinnert, daß
seine Mutter erst ihre Bedenken gegen ihre Schwiegertochter überwunden habe,
nachdem sie der letztern ein paarmal unversehens in das Gehege ihrer Kleider¬
und Wäscheschränke gekommen sei.
Frau Anna ihrerseits hatte sich im stillen erinnert, daß ohne die ihr als
Kind von ihrer eignen Mutter gewordene Anleitung sie wohl kaum jene
Probe sogut bestanden haben würde, und wo Herminens Zimmer nicht ganz so
ordentlich gehalten worden war, wie Kaspar Benedikt es von seiner Schwieger¬
tochter in, sxs erhoffte, da hatte Frau Anna ein wenig nachgeholfen, nie ohne
zu ihrer Freude wahrzunehmen, daß Fräulein von Mockritz auch in dieser
Beziehung sich als ein Muster von Gelehrigkeit bezeige.
Sie läßt sich gut an, lautete denn auch Frau Annas Bericht, und ich
wünsche nichts sehnlicher, als daß unser Berthold endlich eintrifft. Wie leicht
geht ein junger Mann in seiner Wahl fehl! Hier haben wir Zeit und Ge¬
legenheit gehabt, uns mußevoll zu orientiren. Sage selbst, Kaspar, hätten wir
besser für ihn wählen können?
Sachte, sachte.
Ist sie uns nicht schon so lieb wie eine Tochter?
Nicht zu rasch, wenn ich bitten darf.
Wie eine rechte Tochter, Kaspar Benedikt.
Der Fabrikant schwieg. Das Wort rechte Tochter klang zu wehmütig. Ihm
fielen zwei kleine Schwarzäugelchen ein, die sich einst mit Thränen gefüllt hatten,
als zwei kleine frostig gerodete Hände von ihm zu derb gerieben worden waren.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |