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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Gin Wort an die Presse.

Einfluß. Und die Verquickung der Publizistik mit dein Geschäfte offenbart sich
von Tag zu Tag ungenirter. Wie muß einem politischen Schriftsteller von Ehrge¬
fühl zu Mute sei", wenn nicht mir die Blätter für Freiheit, Volkswohl und In-
sertion sich in einem Stil anpreisen, als ob es sich um einen "Ausverkauf" handelte,
sondern die "Kollegen" selbst sich in dem Jargon und deu Usaneeu der Börse und
des Marktes bewanderter zeigen als in irgend etwas anderm! Nicht zufällig sind
Organe dieses Schlages die erbittertsten Gegner eines jeden Versuches, die ehrliche
Arbeit und das solide Geschäft gegen Schwindelkouknrreuz zu schützen; sie ver¬
teidigen ihre eigne Sache. Und gewiß muß auch auf dem Gebiete der Presse
auf entsprechenden Schutz gedacht werden, nicht aus Sentimentalität, nicht aus
romantischem Hange, nicht um einzelnen Unternehmungen eine Wohlthat zuzu¬
wenden, sondern weil eine ehrenhafte Presse eine Notwendigkeit ist. und man sie
nicht ersticken lassen darf unter den -- Schlinggewächsen.

Der vor kurzem in diesen Blättern zitirte Ausspruch Holtzeudorffs über die
Anomalie, das höchste politische Lehramt als freies Gewerbe zu behandeln,
während in jedem andern Verhältnisse von dem Lehrer der Nachweis seiner Lehr-
befähigung gefordert wird, ist Tausenden aus der Seele gesprochen, die nur
nicht den Mut fanden, mit ihrer Meinung herauszurücken, weil gewöhnlich auch
diejenigen, welche eine Prüfung nicht zu scheuen brauchte", aus Korpsgeist oder
Befangenheit glaube", sich gegen jede Beschränkung der Preßfreiheit erklären zu
müssen.

Aus denselben und andern Gründen haben die Bcrufsjonrnalisten fast aus¬
nahmslos den Gedanken abgewiesen, daß der unwürdigen Abhängigkeit der
Publizistik von dein Ankündigungswesen ein Ende gemacht werde. Die technischen
Schwierigkeiten einer jeden derartigen Reform sind nicht zu verkennen, ohne
vorübergehende Härten ist keine solche Operation auszuführen. Allein man
nenne uns ein andres Mittel, den Stand von Elementen zu reinigen, welche
sich dem journalistischen Erwerbe zugewandt haben, ohne im mindesten Beruf
für denselben zu haben, und welche sofort mit etwas anderm handeln werde",
sobald jener weniger lukrativ wird.

Noch einmal: die Fragen, welche hier berührt worden sind, lassen sich heilte
nicht mehr totschweigen und nicht mehr einfach zur Ruhe verweise". Sache der
ernsten Zeitungen wird es sein, zu beweisen, daß sie nicht blind sind gegen die
Schäden, welche sich in ihrer Welt ausgebildet haben, und dafür zu sorgen,
daß die Kur nicht ohne sie vorgenommen werden müsse. Derjenigen, welche
im Vollgefühl ihrer Gemeinschädlichkeit schon bei dem bloßen Gedanken an eine
rettende Operation schreien, sollten sich Leute von Charakter und nationaler
Gesinnung doch nicht annehmen.




Gin Wort an die Presse.

Einfluß. Und die Verquickung der Publizistik mit dein Geschäfte offenbart sich
von Tag zu Tag ungenirter. Wie muß einem politischen Schriftsteller von Ehrge¬
fühl zu Mute sei», wenn nicht mir die Blätter für Freiheit, Volkswohl und In-
sertion sich in einem Stil anpreisen, als ob es sich um einen „Ausverkauf" handelte,
sondern die „Kollegen" selbst sich in dem Jargon und deu Usaneeu der Börse und
des Marktes bewanderter zeigen als in irgend etwas anderm! Nicht zufällig sind
Organe dieses Schlages die erbittertsten Gegner eines jeden Versuches, die ehrliche
Arbeit und das solide Geschäft gegen Schwindelkouknrreuz zu schützen; sie ver¬
teidigen ihre eigne Sache. Und gewiß muß auch auf dem Gebiete der Presse
auf entsprechenden Schutz gedacht werden, nicht aus Sentimentalität, nicht aus
romantischem Hange, nicht um einzelnen Unternehmungen eine Wohlthat zuzu¬
wenden, sondern weil eine ehrenhafte Presse eine Notwendigkeit ist. und man sie
nicht ersticken lassen darf unter den — Schlinggewächsen.

Der vor kurzem in diesen Blättern zitirte Ausspruch Holtzeudorffs über die
Anomalie, das höchste politische Lehramt als freies Gewerbe zu behandeln,
während in jedem andern Verhältnisse von dem Lehrer der Nachweis seiner Lehr-
befähigung gefordert wird, ist Tausenden aus der Seele gesprochen, die nur
nicht den Mut fanden, mit ihrer Meinung herauszurücken, weil gewöhnlich auch
diejenigen, welche eine Prüfung nicht zu scheuen brauchte», aus Korpsgeist oder
Befangenheit glaube», sich gegen jede Beschränkung der Preßfreiheit erklären zu
müssen.

Aus denselben und andern Gründen haben die Bcrufsjonrnalisten fast aus¬
nahmslos den Gedanken abgewiesen, daß der unwürdigen Abhängigkeit der
Publizistik von dein Ankündigungswesen ein Ende gemacht werde. Die technischen
Schwierigkeiten einer jeden derartigen Reform sind nicht zu verkennen, ohne
vorübergehende Härten ist keine solche Operation auszuführen. Allein man
nenne uns ein andres Mittel, den Stand von Elementen zu reinigen, welche
sich dem journalistischen Erwerbe zugewandt haben, ohne im mindesten Beruf
für denselben zu haben, und welche sofort mit etwas anderm handeln werde»,
sobald jener weniger lukrativ wird.

Noch einmal: die Fragen, welche hier berührt worden sind, lassen sich heilte
nicht mehr totschweigen und nicht mehr einfach zur Ruhe verweise». Sache der
ernsten Zeitungen wird es sein, zu beweisen, daß sie nicht blind sind gegen die
Schäden, welche sich in ihrer Welt ausgebildet haben, und dafür zu sorgen,
daß die Kur nicht ohne sie vorgenommen werden müsse. Derjenigen, welche
im Vollgefühl ihrer Gemeinschädlichkeit schon bei dem bloßen Gedanken an eine
rettende Operation schreien, sollten sich Leute von Charakter und nationaler
Gesinnung doch nicht annehmen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/15>, abgerufen am 04.07.2024.