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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Raiser Maximilian l. als Uunstfreund.

Es ist ein Prachtwerk im eigentlichen Sinne des Wortes, das uns im
"Theuerdank" entgegentritt. Fast alle Exemplare der ersten Ausgabe wurden
auf Pergament gedruckt, und es ist noch heute eine Freude, das Buch durch¬
blättern zu können. Vor allen Dingen erregen die Typen unsre Bewun¬
derung. Wir glauben eine künstlerische Handschrift vor uns zu haben; jedes
einzelne Wort erscheint wie geschrieben, jeder Anfangsbuchstabe ist ein kleines
Kunstwerk. Wie ganz anders dachte man doch damals als heute! In den
Büchern der damaligen Zeit war der Druck mir ein Ersatz für die Handschrift,
heute ist bei einem gedruckten Buche von Handschrift nichts mehr zu sehen.
Damals sagte man: "er druckt wie geschrieben"; heute sagt man: "er schreibt
wie gedruckt." Der eine schreibt, der andre druckt ohne Kunst, ohne Charakter!
Ebenso anheimelnd sind die schlichten, in anspruchslosein Linienholzschnitt wieder¬
gegebenen Bilder. Freilich hatte der Zeichner mit gar mnnnichfachen Schwierig¬
keiten zu kämpfen. Der verhältnismäßig ode Stoff war nicht zu lebendiger,
geistreicher Illustration angethan. Die Darstellung der vielen Gefahren, die
Theuerdank zu bestehen hat, die eintönigen Figuren Fürwittichs, Unfalos oder
Neidelharts, die auf jedem Holzschnitt unthätig, ohne wahre Beziehung zur
Handlung im Vordergrunde stehen, ermüden. Wir werden gleich im Anfange
überdrüssig, den Theuerdank immer arglos in die Falle des Gegners gehen
zu sehen, obschon er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen -
können. Trotzdem sichren die Bilder in das rastlose, gefahrvolle Leben und
Treiben des Helden zu Wasser und zu Lande sehr lebendig ein. Darüber, daß
die Mehrzahl der Holzschnitte von Schäufelein herrührt, kann kein Zweifel sein,
wenn auch nur acht mit seinem Monogramme bezeichnet sind; doch mögen
außer ihm auch noch einige unbedeutendere Künstler am Theuerdank gearbeitet
haben.

Die Exemplare der ersten Ausgabe waren ausschließlich für den Kaiser
bestimmt, welcher beabsichtigte, sie als besondre Zeichen seiner Huld nach seinem
Tode an den Adel austeilen zu lassen. Die erste, für die Öffentlichkeit be¬
stimmte Aufgabe des Buches druckte Schönsperger kurz nach Maximilians
Tode im Jahre 1519. Die Illustrationen und Typen sind dieselben wie die
der ersten Ausgabe; statt auf Pergament ist sie jedoch auf Papier gedruckt
und hat nur 115 Holzschnitte, also drei weniger. Die dritte Ausgabe mit
gleichem Text und gleichen Figuren veranstaltete der Augsburger Buchdrucker
Heinrich Steicr 1537. Der Unterschied von den früheren Ausgaben ist nur,
daß die Typen gewöhnliche und die Holzschnitte bis zur Unerkennbarkeit abge¬
nutzt sind. Seitdem wurde der Theuerdank noch oft, teils mit den Holzschnitten,
teils ohne dieselben, abgedruckt.

Das zweite illustrirte Prachtwerk, welches der Kaiser in Augsburg vor¬
bereiten ließ, ist der herrliche "Weißkunig." War im "Theuerdank" die Braut¬
fahrt Maximilians zu Maria vou Burgund mit poetischer Freiheit dargestellt


Raiser Maximilian l. als Uunstfreund.

Es ist ein Prachtwerk im eigentlichen Sinne des Wortes, das uns im
„Theuerdank" entgegentritt. Fast alle Exemplare der ersten Ausgabe wurden
auf Pergament gedruckt, und es ist noch heute eine Freude, das Buch durch¬
blättern zu können. Vor allen Dingen erregen die Typen unsre Bewun¬
derung. Wir glauben eine künstlerische Handschrift vor uns zu haben; jedes
einzelne Wort erscheint wie geschrieben, jeder Anfangsbuchstabe ist ein kleines
Kunstwerk. Wie ganz anders dachte man doch damals als heute! In den
Büchern der damaligen Zeit war der Druck mir ein Ersatz für die Handschrift,
heute ist bei einem gedruckten Buche von Handschrift nichts mehr zu sehen.
Damals sagte man: „er druckt wie geschrieben"; heute sagt man: „er schreibt
wie gedruckt." Der eine schreibt, der andre druckt ohne Kunst, ohne Charakter!
Ebenso anheimelnd sind die schlichten, in anspruchslosein Linienholzschnitt wieder¬
gegebenen Bilder. Freilich hatte der Zeichner mit gar mnnnichfachen Schwierig¬
keiten zu kämpfen. Der verhältnismäßig ode Stoff war nicht zu lebendiger,
geistreicher Illustration angethan. Die Darstellung der vielen Gefahren, die
Theuerdank zu bestehen hat, die eintönigen Figuren Fürwittichs, Unfalos oder
Neidelharts, die auf jedem Holzschnitt unthätig, ohne wahre Beziehung zur
Handlung im Vordergrunde stehen, ermüden. Wir werden gleich im Anfange
überdrüssig, den Theuerdank immer arglos in die Falle des Gegners gehen
zu sehen, obschon er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen -
können. Trotzdem sichren die Bilder in das rastlose, gefahrvolle Leben und
Treiben des Helden zu Wasser und zu Lande sehr lebendig ein. Darüber, daß
die Mehrzahl der Holzschnitte von Schäufelein herrührt, kann kein Zweifel sein,
wenn auch nur acht mit seinem Monogramme bezeichnet sind; doch mögen
außer ihm auch noch einige unbedeutendere Künstler am Theuerdank gearbeitet
haben.

Die Exemplare der ersten Ausgabe waren ausschließlich für den Kaiser
bestimmt, welcher beabsichtigte, sie als besondre Zeichen seiner Huld nach seinem
Tode an den Adel austeilen zu lassen. Die erste, für die Öffentlichkeit be¬
stimmte Aufgabe des Buches druckte Schönsperger kurz nach Maximilians
Tode im Jahre 1519. Die Illustrationen und Typen sind dieselben wie die
der ersten Ausgabe; statt auf Pergament ist sie jedoch auf Papier gedruckt
und hat nur 115 Holzschnitte, also drei weniger. Die dritte Ausgabe mit
gleichem Text und gleichen Figuren veranstaltete der Augsburger Buchdrucker
Heinrich Steicr 1537. Der Unterschied von den früheren Ausgaben ist nur,
daß die Typen gewöhnliche und die Holzschnitte bis zur Unerkennbarkeit abge¬
nutzt sind. Seitdem wurde der Theuerdank noch oft, teils mit den Holzschnitten,
teils ohne dieselben, abgedruckt.

Das zweite illustrirte Prachtwerk, welches der Kaiser in Augsburg vor¬
bereiten ließ, ist der herrliche „Weißkunig." War im „Theuerdank" die Braut¬
fahrt Maximilians zu Maria vou Burgund mit poetischer Freiheit dargestellt


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[0148] Raiser Maximilian l. als Uunstfreund. Es ist ein Prachtwerk im eigentlichen Sinne des Wortes, das uns im „Theuerdank" entgegentritt. Fast alle Exemplare der ersten Ausgabe wurden auf Pergament gedruckt, und es ist noch heute eine Freude, das Buch durch¬ blättern zu können. Vor allen Dingen erregen die Typen unsre Bewun¬ derung. Wir glauben eine künstlerische Handschrift vor uns zu haben; jedes einzelne Wort erscheint wie geschrieben, jeder Anfangsbuchstabe ist ein kleines Kunstwerk. Wie ganz anders dachte man doch damals als heute! In den Büchern der damaligen Zeit war der Druck mir ein Ersatz für die Handschrift, heute ist bei einem gedruckten Buche von Handschrift nichts mehr zu sehen. Damals sagte man: „er druckt wie geschrieben"; heute sagt man: „er schreibt wie gedruckt." Der eine schreibt, der andre druckt ohne Kunst, ohne Charakter! Ebenso anheimelnd sind die schlichten, in anspruchslosein Linienholzschnitt wieder¬ gegebenen Bilder. Freilich hatte der Zeichner mit gar mnnnichfachen Schwierig¬ keiten zu kämpfen. Der verhältnismäßig ode Stoff war nicht zu lebendiger, geistreicher Illustration angethan. Die Darstellung der vielen Gefahren, die Theuerdank zu bestehen hat, die eintönigen Figuren Fürwittichs, Unfalos oder Neidelharts, die auf jedem Holzschnitt unthätig, ohne wahre Beziehung zur Handlung im Vordergrunde stehen, ermüden. Wir werden gleich im Anfange überdrüssig, den Theuerdank immer arglos in die Falle des Gegners gehen zu sehen, obschon er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen - können. Trotzdem sichren die Bilder in das rastlose, gefahrvolle Leben und Treiben des Helden zu Wasser und zu Lande sehr lebendig ein. Darüber, daß die Mehrzahl der Holzschnitte von Schäufelein herrührt, kann kein Zweifel sein, wenn auch nur acht mit seinem Monogramme bezeichnet sind; doch mögen außer ihm auch noch einige unbedeutendere Künstler am Theuerdank gearbeitet haben. Die Exemplare der ersten Ausgabe waren ausschließlich für den Kaiser bestimmt, welcher beabsichtigte, sie als besondre Zeichen seiner Huld nach seinem Tode an den Adel austeilen zu lassen. Die erste, für die Öffentlichkeit be¬ stimmte Aufgabe des Buches druckte Schönsperger kurz nach Maximilians Tode im Jahre 1519. Die Illustrationen und Typen sind dieselben wie die der ersten Ausgabe; statt auf Pergament ist sie jedoch auf Papier gedruckt und hat nur 115 Holzschnitte, also drei weniger. Die dritte Ausgabe mit gleichem Text und gleichen Figuren veranstaltete der Augsburger Buchdrucker Heinrich Steicr 1537. Der Unterschied von den früheren Ausgaben ist nur, daß die Typen gewöhnliche und die Holzschnitte bis zur Unerkennbarkeit abge¬ nutzt sind. Seitdem wurde der Theuerdank noch oft, teils mit den Holzschnitten, teils ohne dieselben, abgedruckt. Das zweite illustrirte Prachtwerk, welches der Kaiser in Augsburg vor¬ bereiten ließ, ist der herrliche „Weißkunig." War im „Theuerdank" die Braut¬ fahrt Maximilians zu Maria vou Burgund mit poetischer Freiheit dargestellt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/148>, abgerufen am 28.09.2024.