Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Kaiser Maximilian I> als Kunstfreund,

Verleger Anton Koburger seine Wirksamkeit entfaltete und zu seinen Unterneh¬
mungen den Maler Michel Wohlgemut!) heranzog. Ebenso großen Eifer wandte
man dem Illustrationswesen in Lübeck, Basel und Straßburg zu, wo Johann
Grüninger thätig war. Es waren auf diese Weise Prachtwerke wie die kölnische
Bibel, die Schedelsche Chronik, Brants Narrenschiff, Grüningers Virgil ent¬
standen. Das Buch war ganz im Gegensatze zu der heutigen Fabrikwaare ein
Kunstwerk, welchem Typen, Einband und Bilder einen herrlichen Schmuck ver¬
liehen. Der Holzschnitt seinerseits hatte infolge des weit umfangreicheren
Wirkungskreises, in den er gezogen war, mit unglaublicher Schnelligkeit die
größten technischen Fortschritte gemacht. Während man anfangs Mühe gehabt
hatte, in roher Weise Einzelblätter anzufertigen, war man jetzt imstande, große
künstlerische Hvlzschnittfolgen zu liefern. Ju Nürnberg hatte Albrecht Dürer
seine Apokalypse, sein Marienleben, seine Passion geschaffen; in Augsburg war
der große Hans Burgkmair unermüdlich als Zeichner für den Holzschnitt thätig.
Kein Wunder, daß der kunstsinnige Maximilian, wenn er ein illustrirtes Pracht-
Werk wie die Schedelsche Chronik betrachtete oder eine Holzschnittfolge wie die
Dürersche Apokalypse durchblätterte, sofort zu großen Planen angeregt wurde.
"Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis setzt, der hat nach seinem Tode kein
Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen." Wodurch
konnte er sich aber eher ein "Gedächtnis errichten" als dnrch Bücher, die seine
Thaten in Wort und Bild dem späten Enkel vorführten, oder durch Hvlzschnitt¬
folgen, die Zeitgenossen und nachfolgenden Geschlechtern zur Freude und Be¬
lehrung dienten? So wurde durch die Kunstliebe Kaiser Maximilians eine ganze
Reihe prächtiger Holzschuittfolgen ins Leben gerufen, die noch heute zu dem
Herrlichste" gehören, was dieser Kunstzweig geleistet hat. Es entstanden ferner
illustrirte Prachtwerke, die, soweit sie nach des Kaisers Absichten vollendet
wurden, für alle Zeiten als typographische und künstlerische Meisterwerke da¬
stehen werden.

Für den Anfang waren die Pläne des Kaisers verhältnismäßig bescheiden.
Er wollte seine "Genealogie," die Vorfahren des Hauses Habsburg, als Holz¬
schnittfolge dargestellt haben und wandte sich deshalb im Jahre 1S10 an Hans
Burgkmair in Augsburg. Dieser war eifrig bei der Arbeit, sodaß schon im
Jahre 1610 die größte Anzahl der Bilder von zwei ebenfalls in Augsburg in
den Dienst genommenen Formschneidern geschnitten werden konnte. Bei der
Eile, mit welcher der Kaiser die Angelegenheit betrieb, war es umso unan¬
genehmer, daß der eine Formschneider, dem man den Schnitt der Zeichnungen
übertragen hatte, plötzlich aus Augsburg verschwand. Er setzte dadurch sowohl
den Leiter der Arbeit, Peutinger, als den Kaiser selbst in Verlegenheit, und
Peutingcr wußte den Kaiser in einem Briefe vom 17. November 1S10 nicht
anders zu trösten, als daß er ihm sagte, es könnte sich im Notfalle Burgkmair
selbst, der sich auf den Schnitt ganz wohl verstehe, der Sache annehmen und


Kaiser Maximilian I> als Kunstfreund,

Verleger Anton Koburger seine Wirksamkeit entfaltete und zu seinen Unterneh¬
mungen den Maler Michel Wohlgemut!) heranzog. Ebenso großen Eifer wandte
man dem Illustrationswesen in Lübeck, Basel und Straßburg zu, wo Johann
Grüninger thätig war. Es waren auf diese Weise Prachtwerke wie die kölnische
Bibel, die Schedelsche Chronik, Brants Narrenschiff, Grüningers Virgil ent¬
standen. Das Buch war ganz im Gegensatze zu der heutigen Fabrikwaare ein
Kunstwerk, welchem Typen, Einband und Bilder einen herrlichen Schmuck ver¬
liehen. Der Holzschnitt seinerseits hatte infolge des weit umfangreicheren
Wirkungskreises, in den er gezogen war, mit unglaublicher Schnelligkeit die
größten technischen Fortschritte gemacht. Während man anfangs Mühe gehabt
hatte, in roher Weise Einzelblätter anzufertigen, war man jetzt imstande, große
künstlerische Hvlzschnittfolgen zu liefern. Ju Nürnberg hatte Albrecht Dürer
seine Apokalypse, sein Marienleben, seine Passion geschaffen; in Augsburg war
der große Hans Burgkmair unermüdlich als Zeichner für den Holzschnitt thätig.
Kein Wunder, daß der kunstsinnige Maximilian, wenn er ein illustrirtes Pracht-
Werk wie die Schedelsche Chronik betrachtete oder eine Holzschnittfolge wie die
Dürersche Apokalypse durchblätterte, sofort zu großen Planen angeregt wurde.
„Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis setzt, der hat nach seinem Tode kein
Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen." Wodurch
konnte er sich aber eher ein „Gedächtnis errichten" als dnrch Bücher, die seine
Thaten in Wort und Bild dem späten Enkel vorführten, oder durch Hvlzschnitt¬
folgen, die Zeitgenossen und nachfolgenden Geschlechtern zur Freude und Be¬
lehrung dienten? So wurde durch die Kunstliebe Kaiser Maximilians eine ganze
Reihe prächtiger Holzschuittfolgen ins Leben gerufen, die noch heute zu dem
Herrlichste» gehören, was dieser Kunstzweig geleistet hat. Es entstanden ferner
illustrirte Prachtwerke, die, soweit sie nach des Kaisers Absichten vollendet
wurden, für alle Zeiten als typographische und künstlerische Meisterwerke da¬
stehen werden.

Für den Anfang waren die Pläne des Kaisers verhältnismäßig bescheiden.
Er wollte seine „Genealogie," die Vorfahren des Hauses Habsburg, als Holz¬
schnittfolge dargestellt haben und wandte sich deshalb im Jahre 1S10 an Hans
Burgkmair in Augsburg. Dieser war eifrig bei der Arbeit, sodaß schon im
Jahre 1610 die größte Anzahl der Bilder von zwei ebenfalls in Augsburg in
den Dienst genommenen Formschneidern geschnitten werden konnte. Bei der
Eile, mit welcher der Kaiser die Angelegenheit betrieb, war es umso unan¬
genehmer, daß der eine Formschneider, dem man den Schnitt der Zeichnungen
übertragen hatte, plötzlich aus Augsburg verschwand. Er setzte dadurch sowohl
den Leiter der Arbeit, Peutinger, als den Kaiser selbst in Verlegenheit, und
Peutingcr wußte den Kaiser in einem Briefe vom 17. November 1S10 nicht
anders zu trösten, als daß er ihm sagte, es könnte sich im Notfalle Burgkmair
selbst, der sich auf den Schnitt ganz wohl verstehe, der Sache annehmen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155027"/>
          <fw type="header" place="top"> Kaiser Maximilian I&gt; als Kunstfreund,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> Verleger Anton Koburger seine Wirksamkeit entfaltete und zu seinen Unterneh¬<lb/>
mungen den Maler Michel Wohlgemut!) heranzog. Ebenso großen Eifer wandte<lb/>
man dem Illustrationswesen in Lübeck, Basel und Straßburg zu, wo Johann<lb/>
Grüninger thätig war. Es waren auf diese Weise Prachtwerke wie die kölnische<lb/>
Bibel, die Schedelsche Chronik, Brants Narrenschiff, Grüningers Virgil ent¬<lb/>
standen. Das Buch war ganz im Gegensatze zu der heutigen Fabrikwaare ein<lb/>
Kunstwerk, welchem Typen, Einband und Bilder einen herrlichen Schmuck ver¬<lb/>
liehen. Der Holzschnitt seinerseits hatte infolge des weit umfangreicheren<lb/>
Wirkungskreises, in den er gezogen war, mit unglaublicher Schnelligkeit die<lb/>
größten technischen Fortschritte gemacht. Während man anfangs Mühe gehabt<lb/>
hatte, in roher Weise Einzelblätter anzufertigen, war man jetzt imstande, große<lb/>
künstlerische Hvlzschnittfolgen zu liefern. Ju Nürnberg hatte Albrecht Dürer<lb/>
seine Apokalypse, sein Marienleben, seine Passion geschaffen; in Augsburg war<lb/>
der große Hans Burgkmair unermüdlich als Zeichner für den Holzschnitt thätig.<lb/>
Kein Wunder, daß der kunstsinnige Maximilian, wenn er ein illustrirtes Pracht-<lb/>
Werk wie die Schedelsche Chronik betrachtete oder eine Holzschnittfolge wie die<lb/>
Dürersche Apokalypse durchblätterte, sofort zu großen Planen angeregt wurde.<lb/>
&#x201E;Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis setzt, der hat nach seinem Tode kein<lb/>
Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen." Wodurch<lb/>
konnte er sich aber eher ein &#x201E;Gedächtnis errichten" als dnrch Bücher, die seine<lb/>
Thaten in Wort und Bild dem späten Enkel vorführten, oder durch Hvlzschnitt¬<lb/>
folgen, die Zeitgenossen und nachfolgenden Geschlechtern zur Freude und Be¬<lb/>
lehrung dienten? So wurde durch die Kunstliebe Kaiser Maximilians eine ganze<lb/>
Reihe prächtiger Holzschuittfolgen ins Leben gerufen, die noch heute zu dem<lb/>
Herrlichste» gehören, was dieser Kunstzweig geleistet hat. Es entstanden ferner<lb/>
illustrirte Prachtwerke, die, soweit sie nach des Kaisers Absichten vollendet<lb/>
wurden, für alle Zeiten als typographische und künstlerische Meisterwerke da¬<lb/>
stehen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Für den Anfang waren die Pläne des Kaisers verhältnismäßig bescheiden.<lb/>
Er wollte seine &#x201E;Genealogie," die Vorfahren des Hauses Habsburg, als Holz¬<lb/>
schnittfolge dargestellt haben und wandte sich deshalb im Jahre 1S10 an Hans<lb/>
Burgkmair in Augsburg. Dieser war eifrig bei der Arbeit, sodaß schon im<lb/>
Jahre 1610 die größte Anzahl der Bilder von zwei ebenfalls in Augsburg in<lb/>
den Dienst genommenen Formschneidern geschnitten werden konnte. Bei der<lb/>
Eile, mit welcher der Kaiser die Angelegenheit betrieb, war es umso unan¬<lb/>
genehmer, daß der eine Formschneider, dem man den Schnitt der Zeichnungen<lb/>
übertragen hatte, plötzlich aus Augsburg verschwand. Er setzte dadurch sowohl<lb/>
den Leiter der Arbeit, Peutinger, als den Kaiser selbst in Verlegenheit, und<lb/>
Peutingcr wußte den Kaiser in einem Briefe vom 17. November 1S10 nicht<lb/>
anders zu trösten, als daß er ihm sagte, es könnte sich im Notfalle Burgkmair<lb/>
selbst, der sich auf den Schnitt ganz wohl verstehe, der Sache annehmen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] Kaiser Maximilian I> als Kunstfreund, Verleger Anton Koburger seine Wirksamkeit entfaltete und zu seinen Unterneh¬ mungen den Maler Michel Wohlgemut!) heranzog. Ebenso großen Eifer wandte man dem Illustrationswesen in Lübeck, Basel und Straßburg zu, wo Johann Grüninger thätig war. Es waren auf diese Weise Prachtwerke wie die kölnische Bibel, die Schedelsche Chronik, Brants Narrenschiff, Grüningers Virgil ent¬ standen. Das Buch war ganz im Gegensatze zu der heutigen Fabrikwaare ein Kunstwerk, welchem Typen, Einband und Bilder einen herrlichen Schmuck ver¬ liehen. Der Holzschnitt seinerseits hatte infolge des weit umfangreicheren Wirkungskreises, in den er gezogen war, mit unglaublicher Schnelligkeit die größten technischen Fortschritte gemacht. Während man anfangs Mühe gehabt hatte, in roher Weise Einzelblätter anzufertigen, war man jetzt imstande, große künstlerische Hvlzschnittfolgen zu liefern. Ju Nürnberg hatte Albrecht Dürer seine Apokalypse, sein Marienleben, seine Passion geschaffen; in Augsburg war der große Hans Burgkmair unermüdlich als Zeichner für den Holzschnitt thätig. Kein Wunder, daß der kunstsinnige Maximilian, wenn er ein illustrirtes Pracht- Werk wie die Schedelsche Chronik betrachtete oder eine Holzschnittfolge wie die Dürersche Apokalypse durchblätterte, sofort zu großen Planen angeregt wurde. „Wer sich in seinem Leben kein Gedächtnis setzt, der hat nach seinem Tode kein Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen." Wodurch konnte er sich aber eher ein „Gedächtnis errichten" als dnrch Bücher, die seine Thaten in Wort und Bild dem späten Enkel vorführten, oder durch Hvlzschnitt¬ folgen, die Zeitgenossen und nachfolgenden Geschlechtern zur Freude und Be¬ lehrung dienten? So wurde durch die Kunstliebe Kaiser Maximilians eine ganze Reihe prächtiger Holzschuittfolgen ins Leben gerufen, die noch heute zu dem Herrlichste» gehören, was dieser Kunstzweig geleistet hat. Es entstanden ferner illustrirte Prachtwerke, die, soweit sie nach des Kaisers Absichten vollendet wurden, für alle Zeiten als typographische und künstlerische Meisterwerke da¬ stehen werden. Für den Anfang waren die Pläne des Kaisers verhältnismäßig bescheiden. Er wollte seine „Genealogie," die Vorfahren des Hauses Habsburg, als Holz¬ schnittfolge dargestellt haben und wandte sich deshalb im Jahre 1S10 an Hans Burgkmair in Augsburg. Dieser war eifrig bei der Arbeit, sodaß schon im Jahre 1610 die größte Anzahl der Bilder von zwei ebenfalls in Augsburg in den Dienst genommenen Formschneidern geschnitten werden konnte. Bei der Eile, mit welcher der Kaiser die Angelegenheit betrieb, war es umso unan¬ genehmer, daß der eine Formschneider, dem man den Schnitt der Zeichnungen übertragen hatte, plötzlich aus Augsburg verschwand. Er setzte dadurch sowohl den Leiter der Arbeit, Peutinger, als den Kaiser selbst in Verlegenheit, und Peutingcr wußte den Kaiser in einem Briefe vom 17. November 1S10 nicht anders zu trösten, als daß er ihm sagte, es könnte sich im Notfalle Burgkmair selbst, der sich auf den Schnitt ganz wohl verstehe, der Sache annehmen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/144>, abgerufen am 08.01.2025.